Mittelmeer

No future an Israels Küste?

Strommast in einer Gasse in Israel
Strommast in einer Gasse in Israel © dpa / picture alliance / Peer Grimm
Von Torsten Teichmann |
Dschisir-a-Zarqa ist eine Kleinstadt an Israels Mittelmeerküste. Die israelischen Araber, die hier leben, fühlen sich benachteiligt – eine religionsübergreifende Bürgerinitative kämpft gegen die Lethargie.
Der Weg zum Strand des Dorfes Dschisir-a-Zarqa endet plötzlich. Eine niedrige Bogenbrücke über den kleinen Taninim-Strom, den Krokodil-Fluss, ist an einer Seite weggerissen. Das seien Steine mit Geschichte, erzählt Neta Hanien:
"Die Brücke wurde im Osmanischen Reich für den Besuch von Kaiser Wilhelm II. errichtet. Als der Kaiser auf der Brücke stand und auf den Blauen Fluss schaute, sagte er: 'Von nun an solle das Dorf Dschisir A Zarqa heißen, also Brücke über das Blau!'"
Neta lebt nicht in Dschisir, aber sie liebt das arabische Dorf am Mittelmeer. Die jüdische Israelin hat mit einem Geschäftspartner, dem arabischen Israeli Ahmed Juha, deshalb ein Hostel für Rucksacktouristen eröffnet. Mit dem Hostel wollen sie nicht weniger als den Abstieg des Ortes stoppen, ausgerechnet in einer der ärmsten Gemeinden des Staates Israel:
"Wir hatten im Dorf immer das Gefühl, dass wir uns auf einer Art Insel befinden. Am Dorf führt die Autobahn von Haifa nach Tel Aviv vorbei. Aber niemand weiß etwas über den Ort. Über das Dorf konnte man bisher nur Schlechtes lesen."
Zum Beispiel, dass Einwohner keine Wasserrechnung zahlen. Dass in Dschisir Autos gestohlen werden. Selbst arabische Familien aus anderen Ortes Israels wollten ihre Kinder nie nach Dschisir heiraten lassen. So geht das nun schon seit Generationen.
Ahmed führt durch den Dschisir, das längst kein Dorf mehr ist – mit mehr als 14.000 Einwohnern. Der Ort streckt sich, am nördlichen Ende liegt der Taninim-Nationalpark. Tatsächlich gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Fluss noch Krokodile. Heute sind die beeindruckenden Überreste eines römischen Staudamms zu sehen. Im Süden von Dschisir liegt Ceasaria mit einer der bedeutendsten römischen Ausgrabungen des Landes. Ceasaria ist außerdem bekannt für seine Villenviertel – auch Regierungschef Netanjahu hat dort ein Haus. Doch dem arabischen Ortschaft Dschisir hat die gute Lage allein bisher keine Vorteile gebracht.
Ahmed: "Wir sind der Hinterhof von Ceasaria. Ministerpräsident Netanjahu, der eigentlich unser Nachbar ist, interessiert sich nicht für uns. Dabei sind wir wie eine tickende Bombe im Herzen des Landes. Die Bevölkerung des Ortes muss gerettet werden, man muss sie auf die Beine stellen und sie so fördern wie die Nachbarn in Ceasaria oder nördlich von uns im Kibbutz Michael."
Auf staatliche Hilfe will sich Ahmed nicht länger verlassen. Der Elektriker ist mit seiner Frau und sieben Kindern zum Vater gezogen. Sein eigenes Haus im Dorfzentrum beherbergt nun das Hostel. Bisher ist es nur eine Wohnung mit Küche und Bad, erklärt Geschäftspartnerin Neta:
"Na klar wollen wir weitere Zimmer fertig stellen. Aber wichtig ist, dass sich das gesamte Dorf entwickelt. Dabei meine ich nicht, dass wir jetzt die großen Immobilienhaie hier haben, sondern dass neben dem Geschäft gegenüber noch einen Laden öffnet, und dann ein Café, ein Humus-Stand und noch ein lokales Restaurant."
Die Pizzeria nebenan hat schon renoviert. Für Ahmed und Neta ist das aber nur der Anfang.
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