Mittelmeer

"Flüchtlinge müssen unabhängig von Schleppern werden"

Eine Aufnahme der italienischen Küstenwache zeigt ein überfülltes Flüchtlingsboot.
Flüchtlingsboote von Schleusern könnten künftig von Bundeswehrsoldaten abgefangen werden. Die Aufnahme stammt von der italienischen Küstenwache. © Picture alliance / dpa / ITALIAN COAST GUARD HANDOUT
Vasillis Tsianos im Gespräch mit Christopher Ricke und Anke Schaefer · 16.09.2015
Die Regierung will Bundeswehrsoldaten auf Schleuser-Jagd ins Mittelmeer schicken. Wie sinnvoll sind solche Aktionen? Der Migrations-Experte Vasillis Tsianos kritisiert: Die Schlepper könnten die Flüchtlinge als Schutzschilde missbrauchen. Er fordert statt dessen eine liberalere Visapolitik.
Wenn es nach den Plänen der Bundesregierung geht, werden bald Bundeswehrsoldaten im Mittelmeer die Flüchtlingsboote von Schleusern aufspüren und aus dem Verkehr ziehen. Der Soziologie Vasillis Tsianos hält diese Entwicklung für "logisch, aber wenig erfolgversprechend" und somit für nicht geeignet, um als ein mögliches Instrument der europäischen Flüchtlingspolitik eingesetzt zu werden. Es gebe bereits einige vergleichbare Aktionen gegen Piraterie, die nicht erfolgreich gewesen seien, begründet der Experte für Migrationspolitik, der an der Universität Hamburg lehrt.
Vor allem aber: "Die Kritiker und Kritikerinnen in der EU-Kommission sprechen schon jetzt von drohenden Kollateralschäden. Denn die Flüchtlinge könnten als Schutzschilde von den Schleppern benutzt werden."
Legale Wege für Flüchtlinge
Als einzig vernünftige Lösung betrachtet Tsianos eine "humanitäre Kontigentierung" für Flüchtlinge und eine liberalere Visapolitik. Soll heißen: Die Flüchtlingen müssen die Möglichkeit bekommen, auf legalen Fähren zwischen den südeuropäischen Ländern und der Türkei ihrer Heimat zu entfliehen. "Die Flüchtlinge müssen unabhängig von Schleppern werden." Eine liberale Einreisepolitik sei auch deshalb wichtig, weil es beispielsweise in Syrien keine Botschaften europäischer Länder mehr gebe – somit könnten speziell syrische Flüchtlinge sich in ihrer Heimat gar nicht um ein Visum bemühen.
Tsianos kritisierte scharf rechtspopulistische Hardliner wie den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, die eine Politik der Abschreckung verfolgten. Orban trete das existierende Asylrecht mit Füßen.
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