Mitschek: Gaspipeline durch Georgien-Konflikt nicht gefährdet

Reinhard Mitschek im Gespräch mit Hanns Ostermann |
Die geplante Gaspipeline Nabucco ist nach Angaben der verantwortlichen Projektgesellschaft nicht durch den Konflikt in Georgien gefährdet. Es gebe bisher auch keine Anzeichen für eine Verlangsamung des Pipelineprojekts, das die künftige Gasversorgung Europas sichern soll, sagte der Chef der Projektgesellschaft Nabucco, Reinhard Mitschek.
Hanns Ostermann: Sie steigen und steigen und steigen, die Gaspreise. Und in Deutschland werden im September über 110 Energieversorger ihre Preise erneut erhöhen. Die Europäische Union kennt die Probleme und sucht nach Alternativen, um die Abhängigkeit vom russischen Erdgas zu verringern. Und auch vor diesem Hintergrund schauen viele voller Skepsis auf das, was Moskau in Georgien unternimmt. Welche Rolle das Land und die Region für die europäische Energieversorgung spielen, darüber sprach ich mit Reinhard Mitschek, er ist Chef der Projektgesellschaft Nabucco Gaspipeline GmbH. Diese Pipeline soll die EU mit den Erdgasvorkommen im Kaspischen Meer verbinden. Wie groß sind überhaupt die Vorräte, um die es hier geht?

Reinhard Mitschek: Wir haben mit Russland den größten Erdgaslieferanten der Welt, der seit 40 Jahren Gas nach Europa bringt. Und Zentralasien, der Mittlere Osten sind als Region die weltgrößte Erdgasregion, und der Iran ist der zweigrößte Produzent für Erdgas neben Russland.

Ostermann: Welche Rolle spielt vor diesem Hintergrund Georgien?

Mitschek: Georgien ist ein Transitland für Erdgas aus Zentralasien. Gas aus Turkmenistan und Aserbaidschan wird über Georgien an die Nabucco herangebracht werden, die in der Türkei beginnt.

Ostermann: Kann man sagen, dass Georgien so etwas wie ein Nadelöhr ist und deshalb aus europäischer Sicht auch besonders sensibel, wenn dort etwas passiert?

Mitschek: Die Nabucco hat den großen Vorteil, dass sie Gas aus Zentralasien, aus dem Iran, aus dem Irak, aus Ägypten und aus Russland beziehen kann und aus diesem Grund eine sehr zuverlässige Transportpipeline sein wird. Wir werden über Nabucco in etwa 30 Milliarden Kubikmeter nach Europa bringen, das ist ein Drittel des Jahresverbrauches von Deutschland.

Ostermann: Nabucco hat ja die Arbeit noch nicht aufgenommen. Wann ist es soweit?

Mitschek: Wir sind in der Entwicklungsphase für Nabucco, verhandeln derzeit Verträge und sondieren die Märkte. Wir werden 2010 mit dem Bau der Pipeline beginnen und das erste Gas wird im Jahr 2013 nach Europa fließen.

Ostermann: Es heißt, zumindest war das zu lesen, dass Moskau diesem Projekt durchaus skeptisch gegenübersteht. Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht, denn mit Nabucco soll ja Europa, wenn man so will, vom russischen Erdgas unabhängiger werden?

Mitschek: Mit Nabucco soll Europa eine zusätzliche Einspeisungsleitung bekommen. Nabucco ist kein antirussisches Projekt, sondern ein proeuropäisches Projekt.

Ostermann: Aber die Russen könnten es als gegen sich gewendet empfinden?

Mitschek: Europa verbraucht pro Jahr 500 Milliarden Kubikmeter Gas. 300 Milliarden Kubikmeter davon werden importiert. In Zukunft wird der Gasimportbedarf um weitere 150 bis 200 Milliarden Kubikmeter steigen. Wir gehen davon aus, dass dies nicht aus russischen Quellen abgedeckt werden kann. Und aus diesem Grund ist es ganz wichtig, Zentralasien, den Mittleren Osten und Nordafrika zu forcieren.

Ostermann: Die Energievorräte gehen allgemein ja irgendwann zu Ende, das ist ja absehbar. In diesem globalen Kontext, wie sieht da der Wettbewerb zwischen Amerikanern, Chinesen und Europäern eigentlich aus?

Mitschek: In Europa wird der Gasverbrauch von 500 Milliarden auf zirka 650 bis 700 Milliarden ansteigen. Das ist eine Prognose für die nächsten 15 bis 20 Jahre. Auch in Asien, in Japan, in Indien, in China sowie in den USA wird der Erdgasverbrauch ansteigen. Die Frage wird sein, wie sich die Primärenergieträger, nämlich Erdgas, Kohle, Nuklearenergie usw. verteilen werden und wie sich die einzelnen Primärenergieträger entwickeln werden. Das ist sehr schwierig vorherzusagen. Und aus diesem Grund kann weder die absolute Mengenprognose für Erdgas noch die Preisprognose heute für alle diese Regionen gegeben werden.

Ostermann: Immerhin, es gab Angriffe auf georgisches Gebiet und damit möglicherweise auch durchaus, was den Energiebedarf oder die Energieversorgung betrifft, sensible Ziele. Sehen Sie eigentlich durchaus die Gefahr bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen der letzten Tage, dass sich Investoren wie RWE aus Ihrem Projekt zurückziehen?

Mitschek: Ich bin überzeugt, dass die derzeitigen Investoren und Anteilseigner weiterhin mit großem Enthusiasmus das Projekt weiterverfolgen. Es ist eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte für Europa. Und wir haben keinerlei Indiz, dass wir hier eine Verlangsamung oder Gefährdung des Projektes sehen. Im Gegenteil, wir haben mit Nabucco eine sehr stabile Zukunft, weil wir politisches Risiko minimieren können, indem wir mehrere Quellen ansprechen.

Ostermann: Ich frage mich vor diesem Hintergrund nur, Herr Mitschek, ist Moskau wirklich so gelassen, wie sie tun?

Mitschek: Vor dem Hintergrund der Verbrauchsanstiege kann Russland, was die Gasmengen, die nach Europa exportiert werden, auch in Zukunft aus Russland exportiert werden, gelassen bleiben. Darüber hinaus gibt es auch Importe nach Europa bereits aus der Nordsee und aus Nordafrika. Auch das ist passiert, ohne dass Russland hier wesentlich interveniert hätte. Ich sehe es genauso mit dem sogenannten vierten Korridor. Das ist genau diese Transportroute durch Südosteuropa, die die Türkei mit Europa verbinden wird und die Gas aus Zentralasien und aus dem Mittleren Osten nach Europa bringt. Und wir haben dann vier wichtige Anspeisungsrouten aus Russland, aus Zentralasien, Mittlerer Osten, aus Nordafrika und aus der Nordsee. Und wenn wir diese Verteilung betrachten, dann können wir auf eine künftige Versorgungssicherheit zurückgreifen.

Ostermann: Herr Mitschek, Danke Ihnen für das Gespräch!

Mitschek: Bitte, gern!

Das Gespräch mit Reinhard Mitschek können Sie bis zum 13. Januar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio