"Mitarbeiter in Jobcenter sind häufig überfordert"
Annelie Buntenbach fordert eine bessere Ausbildug und längere Arbeitsverträge für die Mitarbeiter in den Jobcentern. Die stellvertretende Verwaltungsratschefin der Bundesagentur für Arbeit kritisiert zudem die schlechte Anwendbarkeit der Hartz IV Gesetze. Das ganze System des Arbeitslosengeldes sei in der Politik geprägt durch ein Hin- und Herschieben der Verantwortung und auch der Finanzierung.
Christopher Ricke: Die Sozialgerichte in ganz Deutschland stöhnen unter der Klagewelle. Es sind die Hartz IV Empfänger, die vor Gericht ziehen. Gestritten wir um Mietszuschüsse, um Warmwasserpauschalen und auch um die mutmaßliche Untätigkeit von Behörden. In Berlin ist vor ein paar Tagen die 50.000. Klage eingereicht worden – kein Grund zu feiern, aber ein Jubiläum und die Chance, dass der Kläger gewinnt, ist gut. Fast die Hälfte der Verfahren wird von den Hartz IV Empfängern gewonnen, ein Indiz dafür, dass die Bewilligungspraxis nicht ganz in Ordnung sein kann. Erste Hilfe in Rechtsfragen gibt es im Berliner Arbeitslosen-Zentrum, das schickte in den letzten Wochen einen Beratungsbus vor die Jobcenter. Ich habe mit Annelie Buntenbach gesprochen. Sie ist DGB-Vorstandsmitglied und stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit. Frau Buntenbach, ist es so, sind die Mitarbeiter der Jobcenter überfordert?
Annelie Buntenbach: Die Mitarbeiter in den Jobcentern haben mit einem ausgesprochen komplizierten Gesetz zu tun. Und es ist so, dass in der Tat von den Mitarbeitern sehr viele nur befristet nur da angestellt sind. Das heißt, da haben wir eine hohe Fluktuation, auch eine viel zu hohe Fluktuation, bei einem Gesetz, das so kompliziert ist, dass man halt doch sechs Monate braucht, bis man es halbwegs richtig handhaben kann. Fatal ist eigentlich, dass die Politik hier so viele Unklarheiten und Widersprüche gelassen hat, in dem Gesetz an den Schnittstellen zwischen dem Arbeitslosengeld I und Hartz IV, dass die Beschäftigten da Schwierigkeiten haben, mit umzugehen, keine klare Perspektive haben und ausbaden müssen das dann letztlich die Betroffenen.
Ricke: Bleiben wir mal bei diesen Beschäftigten. Sie sagten, viele nur auf Zeit. Ist das denn bekannt, wie viele kurzfristig und nicht richtig ausgebildet, ich sage es mal in Anführungsstrichen, "da auf die Menschheit losgelassen werden"?
Buntenbach: Insgesamt arbeiten in den Arbeitsgemeinschaften, in dem Bereich Sozialgesetzbuch II, gut 55.000 Beschäftigte. Die kommen aus der Bundesagentur, die kommen zum Teil aus den Kommunen, zum Teil über Amtshilfe aus der früheren Telekom. Und in manchen Arbeitsgemeinschaften sind bis zu 30 Prozent befristet beschäftigt, da ist das natürlich klar, dass hier bei einer befristeten Beschäftigung auch nicht so viel Qualifikation stattfindet, wie stattfinden müsste, damit eben hier das Gesetz auch vernünftig angewendet werden kann. Und das hat was damit zu tun, dass die Politik aber immer noch nicht geklärt hat, wie denn in Zukunft die Perspektive aussieht an dieser Schnittstelle zwischen dem Arbeitslosengeld I und dem Arbeitslosengeld II.
Ricke: Bis zu 30 Prozent befristet eingesetzte Menschen in Jobcentern, Menschen, die nur auf Zeit sich mit diesem sehr komplexen Thema befassen müssen. Weiß man das denn in Politik bei Gewerkschaften und Arbeitgebern, will man das?
Buntenbach: Man weiß das und man will das nicht. Wir jedenfalls wollen das nicht und auch die Beschäftigten haben da ein großes Interesse daran, dass sie eben mit einer längerfristigen Perspektive da arbeiten und eben auch die entsprechende Qualifikation dann bekommen und immer wieder entsprechend weitergebildet werden. Aber das hat natürlich auch viel damit zu tun, wer denn eigentlich für die Mitarbeiter oder für die Beschäftigten bezahlt, ob das denn die Kommune ist, ob das dann die Bundesagentur bzw. das Arbeitsministerium ist. Das hat sehr viel damit zu tun, wie denn eigentlich die Finanzen aufgebracht werden sollen. Und das ganze System von Arbeitslosengeld I und Hartz IV ist leider sehr geprägt vom Hin- und Herschieben von Kosten durch die Politik. Und das ist auch was, was eben sehr stark zulasten der Betroffenen geht.
Ricke: Das Bundesverfassungsgericht hat ja schon vor Monaten die unzulässige Mischverwaltung von Bundesagentur und kommunalen Trägern beklagt, hat gesagt, dass da etwas geändert werden muss, man hat noch etwas Zeit. Heißt das, dass man mit dem Status quo, mit dem Zustand jetzt solange weitermachen muss, bis wirklich die Änderung dann stattfindet?
Buntenbach: Man kann sicherlich so mit dem hohen Anteil an Befristung nicht weitermachen. Und wir werden uns auch dafür weiter engagieren, dass hier die Menschen eine klare Perspektive haben, weil die Qualität ja auch in der Leistung für die Betroffenen stimmen muss. Es hat aber auch was damit zu tun, dass mit Hartz IV eben so viele Menschen überhaupt in dieses Bedürftigkeitssystem geschoben worden sind. Und ich glaube, das ist auch was, was nicht funktionieren kann. Denn das ist ja beim Bedürftigkeitssystem so, dass die ganzen Fragen von erwerbstätig, trotzdem Hartz IV, Kinderzuschlag, Familiengemeinschaften natürlich ein ganz kompliziertes Gebilde ergibt, wo dann eben auch oft Fehler gemacht werden und dass eben bei Menschen, die sich eigentlich diese Fehler nicht leisten können, weil sie auf jeden Cent angewiesen sind. Auch da muss man noch mal darüber nachdenken, wie denn hier dieses Gesetz geändert werden kann und wie man versuchen kann, möglichst vielen Menschen aus diesem Bedürftigkeitssystem auch wieder herauszuhelfen oder dafür zu sorgen, dass sie gar nicht reinkommen.
Ricke: Da sind wir mitten in der politischen Debatte, aber bevor man mit der politischen Debatte anfängt, kann man doch erwarten, dass die Kunden, so heißt das ja bei den Jobcentern, einfach ordentliche Verwaltungstätigkeit erleben?
Buntenbach: Das ist völlig richtig. Diesen Anspruch haben sie und dieser Anspruch muss auch durchgesetzt werden. Und da muss sich bei den Befristungen, bei der Qualität der Arbeit was ändern, und gleichzeitig müssen aber weiterhin auch Beratungsstellen und Initiativen unterstützt werden, wie die, die in Neukölln dann eben auch die Betroffenen berät, weil das ausgesprochen wichtig ist für die Unterstützung und Beratung der Betroffenen, weil die da mit für sorgen, dass eben die verbliebenen Rechte wirklich dann noch respektiert werden.
Ricke: Das heißt, die Politik, die Gewerkschaften danken der Diakonie, dass die Arbeitslosen richtig berät?
Buntenbach: Das tut nicht nur die Diakonie, das tun auch eine ganze Reihe von Erwerbsloseninitiativen, das tun auch Gewerkschaften. Wir versuchen, immer wieder Angebote zu machen, unterstützen eben auch die Arbeitslosen darin, dass wir über ihre Rechte aufklären und ihnen eben auch dann, wenn es drum geht, Rechtsbeistand leisten, damit sie ihre Rechte hier durchsetzen können, ja.
Annelie Buntenbach: Die Mitarbeiter in den Jobcentern haben mit einem ausgesprochen komplizierten Gesetz zu tun. Und es ist so, dass in der Tat von den Mitarbeitern sehr viele nur befristet nur da angestellt sind. Das heißt, da haben wir eine hohe Fluktuation, auch eine viel zu hohe Fluktuation, bei einem Gesetz, das so kompliziert ist, dass man halt doch sechs Monate braucht, bis man es halbwegs richtig handhaben kann. Fatal ist eigentlich, dass die Politik hier so viele Unklarheiten und Widersprüche gelassen hat, in dem Gesetz an den Schnittstellen zwischen dem Arbeitslosengeld I und Hartz IV, dass die Beschäftigten da Schwierigkeiten haben, mit umzugehen, keine klare Perspektive haben und ausbaden müssen das dann letztlich die Betroffenen.
Ricke: Bleiben wir mal bei diesen Beschäftigten. Sie sagten, viele nur auf Zeit. Ist das denn bekannt, wie viele kurzfristig und nicht richtig ausgebildet, ich sage es mal in Anführungsstrichen, "da auf die Menschheit losgelassen werden"?
Buntenbach: Insgesamt arbeiten in den Arbeitsgemeinschaften, in dem Bereich Sozialgesetzbuch II, gut 55.000 Beschäftigte. Die kommen aus der Bundesagentur, die kommen zum Teil aus den Kommunen, zum Teil über Amtshilfe aus der früheren Telekom. Und in manchen Arbeitsgemeinschaften sind bis zu 30 Prozent befristet beschäftigt, da ist das natürlich klar, dass hier bei einer befristeten Beschäftigung auch nicht so viel Qualifikation stattfindet, wie stattfinden müsste, damit eben hier das Gesetz auch vernünftig angewendet werden kann. Und das hat was damit zu tun, dass die Politik aber immer noch nicht geklärt hat, wie denn in Zukunft die Perspektive aussieht an dieser Schnittstelle zwischen dem Arbeitslosengeld I und dem Arbeitslosengeld II.
Ricke: Bis zu 30 Prozent befristet eingesetzte Menschen in Jobcentern, Menschen, die nur auf Zeit sich mit diesem sehr komplexen Thema befassen müssen. Weiß man das denn in Politik bei Gewerkschaften und Arbeitgebern, will man das?
Buntenbach: Man weiß das und man will das nicht. Wir jedenfalls wollen das nicht und auch die Beschäftigten haben da ein großes Interesse daran, dass sie eben mit einer längerfristigen Perspektive da arbeiten und eben auch die entsprechende Qualifikation dann bekommen und immer wieder entsprechend weitergebildet werden. Aber das hat natürlich auch viel damit zu tun, wer denn eigentlich für die Mitarbeiter oder für die Beschäftigten bezahlt, ob das denn die Kommune ist, ob das dann die Bundesagentur bzw. das Arbeitsministerium ist. Das hat sehr viel damit zu tun, wie denn eigentlich die Finanzen aufgebracht werden sollen. Und das ganze System von Arbeitslosengeld I und Hartz IV ist leider sehr geprägt vom Hin- und Herschieben von Kosten durch die Politik. Und das ist auch was, was eben sehr stark zulasten der Betroffenen geht.
Ricke: Das Bundesverfassungsgericht hat ja schon vor Monaten die unzulässige Mischverwaltung von Bundesagentur und kommunalen Trägern beklagt, hat gesagt, dass da etwas geändert werden muss, man hat noch etwas Zeit. Heißt das, dass man mit dem Status quo, mit dem Zustand jetzt solange weitermachen muss, bis wirklich die Änderung dann stattfindet?
Buntenbach: Man kann sicherlich so mit dem hohen Anteil an Befristung nicht weitermachen. Und wir werden uns auch dafür weiter engagieren, dass hier die Menschen eine klare Perspektive haben, weil die Qualität ja auch in der Leistung für die Betroffenen stimmen muss. Es hat aber auch was damit zu tun, dass mit Hartz IV eben so viele Menschen überhaupt in dieses Bedürftigkeitssystem geschoben worden sind. Und ich glaube, das ist auch was, was nicht funktionieren kann. Denn das ist ja beim Bedürftigkeitssystem so, dass die ganzen Fragen von erwerbstätig, trotzdem Hartz IV, Kinderzuschlag, Familiengemeinschaften natürlich ein ganz kompliziertes Gebilde ergibt, wo dann eben auch oft Fehler gemacht werden und dass eben bei Menschen, die sich eigentlich diese Fehler nicht leisten können, weil sie auf jeden Cent angewiesen sind. Auch da muss man noch mal darüber nachdenken, wie denn hier dieses Gesetz geändert werden kann und wie man versuchen kann, möglichst vielen Menschen aus diesem Bedürftigkeitssystem auch wieder herauszuhelfen oder dafür zu sorgen, dass sie gar nicht reinkommen.
Ricke: Da sind wir mitten in der politischen Debatte, aber bevor man mit der politischen Debatte anfängt, kann man doch erwarten, dass die Kunden, so heißt das ja bei den Jobcentern, einfach ordentliche Verwaltungstätigkeit erleben?
Buntenbach: Das ist völlig richtig. Diesen Anspruch haben sie und dieser Anspruch muss auch durchgesetzt werden. Und da muss sich bei den Befristungen, bei der Qualität der Arbeit was ändern, und gleichzeitig müssen aber weiterhin auch Beratungsstellen und Initiativen unterstützt werden, wie die, die in Neukölln dann eben auch die Betroffenen berät, weil das ausgesprochen wichtig ist für die Unterstützung und Beratung der Betroffenen, weil die da mit für sorgen, dass eben die verbliebenen Rechte wirklich dann noch respektiert werden.
Ricke: Das heißt, die Politik, die Gewerkschaften danken der Diakonie, dass die Arbeitslosen richtig berät?
Buntenbach: Das tut nicht nur die Diakonie, das tun auch eine ganze Reihe von Erwerbsloseninitiativen, das tun auch Gewerkschaften. Wir versuchen, immer wieder Angebote zu machen, unterstützen eben auch die Arbeitslosen darin, dass wir über ihre Rechte aufklären und ihnen eben auch dann, wenn es drum geht, Rechtsbeistand leisten, damit sie ihre Rechte hier durchsetzen können, ja.