Mit Witz gegen die Unterdrückung

Von Christian Berndt · 04.09.2013
Es ist der erste Spielfilm aus Saudi-Arabien, einem Land, in dem Kinos verboten sind und Frauen nicht Autofahren dürfen. Dort träumt die 12-jährige Wadjda von einem Fahrrad. Gegen alle Widerstände versucht sie, ihren Traum zu verwirklichen.
Die Mädchen singen religiöse Lieder im Unterricht. Manche sind freudig dabei, andere wie Wadjda ziemlich gelangweilt. Das 12-jährige, aufgeweckte Mädchen trägt unter dem langen Rock Jeans und Turnschuhe und hört lieber Pop als religiöse Erbauungsmusik.

Ihre Freiheit ist aufs mit Auto-Postern geschmückte Zimmer beschränkt, ihr gleichaltriger Freund Abdullah dagegen spielt Fußball und neckt sie gerne - vom Fahrrad aus:

"Wenn ich ein Rad hätte, würde ich es Dir zeigen. – So ein Quatsch, Du als Mädchen darfst überhaupt nicht Radfahren, das weißt Du doch. – Ja, und dann wird es für Dich erst recht peinlich, wenn ich Dich abhänge."

Wenn Wadjda die Jungs auf den Fahrrädern davon sausen sieht, wird das für sie zum Sinnbild von Freiheit. Das will sie auch. Aber ihre Mutter ist strikt dagegen. Also versucht sie, Geld aufzutreiben. Wadjda schneidet Mix-Tapes und überbringt für ältere Schülerinnen heimliche Liebesbotschaften an Verehrer – in Saudi-Arabien streng verboten. Und die Schuldirektorin kommt ihr auf die Schliche:

"Hattest du bei dem Treffen von Abir und dem Mann die Finger im Spiel? – Nein Frau Hussa, ehrlich nicht. – Ich bin mir ganz sicher, irgendwie warst du darin verwickelt, ich weiß leider nur noch nicht wie."

Jetzt droht auch noch der Schulverweis, aber Wadjda gibt nicht auf. Sie lotet die Grenzen des Erlaubten geschickt aus. Genau von dieser Gratwanderung erzählt Regisseurin Haifaa Al-Mansour subtil in "Das Mädchen Wadjda". In kleinen, aber vielsagenden Details wird vom Alltag in dieser streng reglementierten, repressiven Welt erzählt, die aber nicht in düsteren Farben, sondern in ihrer ganzen, auch anziehenden Widersprüchlichkeit gezeichnet wird. Wadjdas Eltern sind liebevolle Menschen, die stolz auf ihre vorwitzige Tochter sind, aber sich nicht aus den Zwängen befreien können. Die Mutter lebt in ständiger Furcht, ihr Mann könnte, weil sie ihm keinen Sohn gebiert, eine Zweitfrau heiraten:

"Ich kenn keine schönere Frau als dich. Papa fällt um, wenn er dich in dem roten Kleid sieht, Mama. – Hab keine Angst, Schatz. Er heiratet keine Zweitfrau und bricht mir das Herz."

Tatsächlich liebt Wadjdas Vater seine Frau – aber er kann dem Druck seiner Familie nicht standhalten. Von diesen tragischen Widersprüchen erzählt der Film berührend, aber auch mit Witz. Man erlebt eine Welt, die beherrscht wird von starren Regeln, die aber nicht mehr mächtig genug erscheinen, um ein Mädchen wie Wadjda ewig zu unterdrücken.


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