Mit Vorurteilen und Gummiwanne
Im 19. Jahrhundert zog es viele Briten in ferne Länder. David Livingstone und Henry Stanley sind durch ihre Afrika-Expeditionen berühmt geworden, aber auch viele andere wagemutige Frauen und Männer unternahmen spektakuläre Reisen. Einige von ihnen versammelt der Autor Nicholas Murray in seinem Buch "Mit einem Korkenzieher um die Welt".
Das 19. Jahrhundert, oder besser: das Viktorianische Zeitalter, ist die große Zeit englischer Reisender. Damals zogen zahlreiche Engländer aus, die Welt zu erkunden. Sie gingen nach Indien und durchquerten Afrika, sie durchstreiften Persien und Arabien. Sie trieb die Neugier und die Wissenslust, sie kategorisierten Insekten und schossen Nashörner, es waren Sammler antiker Kunst darunter und frühe Ethnologen, andere suchten sich selbst oder den Nachruhm – beim Finden von Flussquellen, Wasserfällen, Seen oder Bergen.
Nicholas Murray hat sich mit einigen dieser Entdecker beschäftigt und aus ihren Abenteuern ein schönes Buch gemacht. Er beschreibt das Leben und die Reisen von 20 Personen, darunter bekannte Männer wie Charles Darwin und David Livingstone, aber auch vergessene Frauen wie Fanny Parks und Amelia Edwards. Er zitiert aus ihren Reiseberichten, denn offensichtlich – so Murray leicht übertreibend – sind die meisten nur gereist, um hinterher drüber zu schreiben.
Was sie schrieben, gereicht ihnen aus heutiger Sicht allerdings nicht immer zur Ehre. Die Reiseberichte des 19. Jahrhunderts verraten oft mehr über das Menschenbild ihrer Verfasser als über die bereiste Region. Die Beschreibungen sind ungenau, allgemeine Verzückung ersetzt oft die Schilderung der Einzelheiten, dazu kommen zahlreiche rassistische Vorurteile, wie beispielsweise bei Richard Burton, der Indien, Arabien und Afrika durchstreifte und behauptet, Schwarze seien zu keiner kulturellen Höchstleistung fähig – schließlich hätten sie weder Tonleitern noch Alphabete entwickelt. Das heute zu lesen ist bizarr, verrät aber viel über die Kolonialzeit.
Manche Reiseberichte sind voller Ironie und Witz. Robert Curzon erzählt über seine Besuche der Athos Klöster in Griechenland, die bis heute nur Männern zugänglich sind. Doch dieses Gesetz wurde, so Curzon, von kleinen Lebewesen gebrochen, die dort in ganzen Familien vorkamen - nämlich von Flöhen.
Der Leser erfährt auch, wie gereist wurde. Livingstone und Stanley ließen sich bei ihrem Treffen Champagner aus Silberkelchen kredenzen, Emma Roberts benötigte in Indien zwölf Kamele für ihr Reisegepäck. Augustus Mounsey nahm eine Gummibadewanne mit nach Persien und viele Reisende hatten auch Liebigs Fleisch-Extrakt dabei, denn man wusste ja nie, was in den Töpfen der Einheimischen so köchelte.
Bei allem Nationalstolz und Rassismus, bei allen Absurditäten darf man eines nicht vergessen: Diese Reisenden waren nicht nur arrogante Besserwisser. Livingstone zum Beispiel kam aus armen Verhältnissen, er brachte sich selbst Lesen und Schreiben bei, studierte und sprach zahlreiche afrikanische Sprachen. Robert Curzon studierte bis ans Ende seiner Tage die alten Manuskripte, die er aus den Klöstern zwar erschwindelt, wohl aber auch vor der Vernichtung bewahrt hatte.
Nicholas Murray hat ein dickes Buch geschrieben, und so wiederholt sich manches. Schlimm ist das nicht, hat er doch ein sehr lesenswertes Werk für Lehnstuhl-Reisende verfasst und für Menschen, die das Abenteuer lieben.
Besprochen von Günther Wessel
Nicholas Murray: Mit einem Korkenzieher um die Welt. Unterwegs mit den großen britischen Reisenden des 19. Jahrhunderts
Aus dem Englischen von Susanne Urban. Mit 36 Schwarz-Weiß-Abbildungen. Malik Verlag, München. 416 Seiten, Klappbroschur 13,95 Euro
Nicholas Murray hat sich mit einigen dieser Entdecker beschäftigt und aus ihren Abenteuern ein schönes Buch gemacht. Er beschreibt das Leben und die Reisen von 20 Personen, darunter bekannte Männer wie Charles Darwin und David Livingstone, aber auch vergessene Frauen wie Fanny Parks und Amelia Edwards. Er zitiert aus ihren Reiseberichten, denn offensichtlich – so Murray leicht übertreibend – sind die meisten nur gereist, um hinterher drüber zu schreiben.
Was sie schrieben, gereicht ihnen aus heutiger Sicht allerdings nicht immer zur Ehre. Die Reiseberichte des 19. Jahrhunderts verraten oft mehr über das Menschenbild ihrer Verfasser als über die bereiste Region. Die Beschreibungen sind ungenau, allgemeine Verzückung ersetzt oft die Schilderung der Einzelheiten, dazu kommen zahlreiche rassistische Vorurteile, wie beispielsweise bei Richard Burton, der Indien, Arabien und Afrika durchstreifte und behauptet, Schwarze seien zu keiner kulturellen Höchstleistung fähig – schließlich hätten sie weder Tonleitern noch Alphabete entwickelt. Das heute zu lesen ist bizarr, verrät aber viel über die Kolonialzeit.
Manche Reiseberichte sind voller Ironie und Witz. Robert Curzon erzählt über seine Besuche der Athos Klöster in Griechenland, die bis heute nur Männern zugänglich sind. Doch dieses Gesetz wurde, so Curzon, von kleinen Lebewesen gebrochen, die dort in ganzen Familien vorkamen - nämlich von Flöhen.
Der Leser erfährt auch, wie gereist wurde. Livingstone und Stanley ließen sich bei ihrem Treffen Champagner aus Silberkelchen kredenzen, Emma Roberts benötigte in Indien zwölf Kamele für ihr Reisegepäck. Augustus Mounsey nahm eine Gummibadewanne mit nach Persien und viele Reisende hatten auch Liebigs Fleisch-Extrakt dabei, denn man wusste ja nie, was in den Töpfen der Einheimischen so köchelte.
Bei allem Nationalstolz und Rassismus, bei allen Absurditäten darf man eines nicht vergessen: Diese Reisenden waren nicht nur arrogante Besserwisser. Livingstone zum Beispiel kam aus armen Verhältnissen, er brachte sich selbst Lesen und Schreiben bei, studierte und sprach zahlreiche afrikanische Sprachen. Robert Curzon studierte bis ans Ende seiner Tage die alten Manuskripte, die er aus den Klöstern zwar erschwindelt, wohl aber auch vor der Vernichtung bewahrt hatte.
Nicholas Murray hat ein dickes Buch geschrieben, und so wiederholt sich manches. Schlimm ist das nicht, hat er doch ein sehr lesenswertes Werk für Lehnstuhl-Reisende verfasst und für Menschen, die das Abenteuer lieben.
Besprochen von Günther Wessel
Nicholas Murray: Mit einem Korkenzieher um die Welt. Unterwegs mit den großen britischen Reisenden des 19. Jahrhunderts
Aus dem Englischen von Susanne Urban. Mit 36 Schwarz-Weiß-Abbildungen. Malik Verlag, München. 416 Seiten, Klappbroschur 13,95 Euro