Mit Twitter, Facebook und Lokaljournalismus in die Zukunft

Von Michael Meyer |
Den deutschen Zeitungen geht es schlecht, zumindest längst nicht mehr so gut, wie in den Neunzigerjahren. Auflagen und Werbegelder gehen zurück – parallel dazu müssen die Verleger immer stärker ins Internet investieren.
All das überlastet so manches Verlagshaus, vor allem die Kleinen müssen sparen, um überlebensfähig zu bleiben. Heute und morgen trifft sich in Berlin der Verband der Lokalzeitungsverleger, jener Zeitungen also, die selten mehr als 100.000 Stück am Tag verkaufen, die aber in den Regionen stark verankert sind. Welche Überlebensstrategien hat die Branche und welche Wünsche hat sie an die Politik. Michael Meyer hat beim ersten Tag der Konferenz zugehört.

"Total lokal" – so könnte das Motto für die Zukunftsfähigkeit der Lokalzeitungen lauten, denn: Wenn es denn ein unverzichtbares Alleinstellungsmerkmal gibt, dann die genaue Kenntnis der Ereignisse und Hintergründe vor Ort. Oder, wie es Kulturstaatsminister Bernd Neumann ausdrückte:

"Lokalzeitungen sind sozusagen ein Anker in der globalen Informationsflut des digitalen Zeitalters. Und ich möchte sogar noch weitergehen: Für mich ist die Lokalzeitung noch immer das Basismedium unseres demokratischen Gemeinwesens, …"

welches aber zunehmend um seine Leserschaft kämpfen muss. Weil seit Jahren die Einnahmen zurückgehen, wurde auch bei den kleinen Zeitungen rationalisiert, zusammengelegt, aber, so Martin Wieske, Verbandsvorsitzender des Lokalpresseverbands, am Journalismus vor Ort werde nicht gespart:

"Im Gegenteil: Die Lokalredaktionen werden mancherorts sogar ausgebaut und viele Zeitungen haben auch erkannt, dass es auch im Lokalen wichtig ist, investigativ tätig zu werden, es machen ja auch große, größere Häuser im Moment, das sie erkannt haben, dass das eine wichtige Leser-Blatt-Bindungsmaßnahme ist, also noch mal: Das Herz-, das Kernstück der Lokalzeitungen ist das Lokale, und das wird nicht angetastet, wenn, dann geht man an anderes aber nicht an das lokale Geschäft."

Bislang hat das noch ganz gut funktioniert, aber: Den Lokal- und Regionalzeitungen – eben klassische Abo-Zeitungen – sterben buchstäblich die Kunden weg- und junge Leser unter 20 Jahren greifen nur noch selten zu ihrem Lokalblatt. Die Macher haben daher Jugendseiten ins Blatt gehievt, um dem Nachwuchs die Zeitung schmackhaft zu machen. Das funktionierte kaum oder gar nicht, um den Auflagenschwund wettzumachen.

Nun sollen es Twitter, Facebook und Videos richten. Was bei so manch anderer großer Zeitung bereits funktioniert, soll nun auch bei den Lokalzeitungen klappen. Ein Beispiel: Uwe Heitmann ist Chefredakteur der Ostfriesen-Zeitung, einem Blatt mit 50.000 Auflage. Seine Zeitung hat eine 30.000 Mitglieder starke Online-Community, die im regen Austausch mit der Redaktion steht:

"Wenn Sie zum Beispiel einen Unfall haben irgendwo auf dem Land, dann können Sie fast sicher sein, dass irgendeiner aus der Community nah dran ist, und auch möglicherweise weiß, wer verletzt worden ist, und das dann in der Community verbreitet und so kommen wir an Leute heran, die uns dann etwas über den Hergang sagen können."

Handyvideos und Leserreporter kommen demnächst dazu – die Verbreitung der Inhalte habe durch die Online-Community jedenfalls deutlich zugenommen, und man wisse eben viel besser, was junge Leser interessiere, meint Uwe Heitmann.

Doch die Lokalzeitungsverleger haben auch einige Wünsche an die Politik, die ihnen das Leben leichter machen sollen: Etwa soll der Mehrwertsteuersatz für die Online-Aktivitäten auf sieben Prozent gesenkt werden, soviel beträgt er bei den gedruckten Zeitungen. Wichtigstes Thema, das auch den Lokalzeitungsverlegern seit einem Jahr auf den Nägeln brennt, ist das Leistungsschutzrecht, das es künftig nicht mehr erlauben würde, dass Google Meldungen der Zeitungen in seinen Nachrichtendienst Google News übernimmt.

Aber auch einfache Nutzer könnten für kopierte Zeitungsinhalte möglicherweise zur Kasse gebeten werden. Gerade die jungen Internetuser wären allerdings kaum begeistert, wenn sie von ihrer Lokalzeitung gezwungen würden, für verlinkte oder kopierte Texte zu bezahlen. CDU und FDP sind für das Leistungsschutzrecht, die Linke ist dagegen, SPD und Grüne zögern noch und wollen genau wissen, wie die Regelung aussieht, meint die medienpolitische Sprecherin der Grünen Tabea Rösner:

"Dieser Vorschlag wird ja im Moment noch sehr geheim diskutiert … letztlich weiß ich immer noch nicht genau, was die verlegerische Leistung geschützt werden soll, …, es ist ein Text, der kopiert wird ohne das Layout, also nur der rein Text, dann betrifft das ja eher das Urheberrecht und das ist ja möglicherweise nicht der Verlag, der das Urheberrecht hat, …, das ist so ein bisschen schwierig zu beurteilen, wenn man den konkreten Vorschlag noch nicht kennt. "

Je nach Ausgestaltung des Gesetzesentwurfes wird es möglicherweise zu einer ganz großen Koalition kommen von Grünen über CDU und SPD bis hin zur FDP. Aber die Debatte ist noch lange nicht am Ende – am 28.Juni wird auf einer großen Anhörung weiterdiskutiert werden. Ob das Leistungsschutzrecht das Überleben der Lokalzeitungen langfristig sichert, ist ohnehin eine noch unbeantwortete Frage.