Mit ruhiger Hand und Küchenmesser

Von Ludger Fittkau · 12.08.2013
Sachbearbeiter für beschädigtes Geld bei der Bundesbank müssen herausfinden, wie viel die eingesandten Papierklumpen vor der Flut wert waren. Nur wenn mehr als 50 Prozent einer Banknote wieder zusammengesetzt werden können, wird das Geld erstattet.
Acht Menschen in einem Großraumbüro am Rande der Mainzer Innenstadt zücken Küchenmesser. Sie öffnen Briefumschläge mit verklumpten Geldscheinen. Banken und Privatpersonen aus den Hochwassergebieten des Frühsommers schicken das Geld, das verschlammt und nicht mehr brauchbar ist, an das Nationale Analysezentrum der Deutschen Bundesbank nach Mainz.

Die vom Hochwasser beschädigten Geldscheine, die jetzt in Augenschein genommen werden, haben die Besitzer zuerst in Plastik verpackt und dann in ein großes Briefkuvert gesteckt. Auf den ersten Blick ist nicht zu schätzen, ob es 20 oder mehr Scheine sind, die zusammenkleben.

"Wir werden den jetzt öffnen und begutachten."

Frank Herzog und Uwe Holz bearbeiten den unansehnlichen, faustgroßen Geldklumpen gemeinsam. Sie sind Sachbearbeiter für beschädigtes Geld bei der Bundesbank. Die beiden Mittdreißiger in Jeans und bunten T-Shirts haben sich blaue Schutzhandschuhe über die Hände gestreift. Die Plastiktüte, deren Inhalt sie nun inspizieren, stammt aus dem Überschwemmungsgebiet beim bayerischen Deggendorf.

"Wie wir direkt erkennen, lag dieses Geld schon etwas länger im Wasser und wurde auch getrocknet vor dem Einreichen."

Ein endloses Puzzlespiel
Das Geld aus dem Hochwassergebiet stinkt auch nicht mehr sehr stark. Das war vor allem in den ersten Wochen nach der Hochwasserkatastrophe noch ganz anders. Frank Herzog hat den Geruch noch in der Nase:

"Das Hochwassergeld ist schon etwas belastet. Sie können sich auch vorstellen, dass hier ist schon recht trocken und noch erträglich. Aber das erste Geld, das hier ankam, nach der ersten großen Flutwelle, das aus EC-Automaten stammte, das wurde ja umspült von Klärschlamm, Heizöl und so weiter. Das roch dann schon etwas unangenehmer. Und mit der Haube schützen wir dann auch unsere Gesundheit."

Die Abzugshaube, unter der die Umschläge aus den Überschwemmungsgebieten geöffnet werden, ist in einem fensterlosen Raum angebracht. An der Wand ein kleines Regal mit Kästchen, in denen ein Vorrat an Geldbanderolen steckt. Hier rekonstruieren Frank Herzog und Uwe Holz gemeinsam manchmal tagelang den Inhalt eines einzigen Umschlags aus dem Hochwassergebiet. Ein endloses Puzzlespiel mit 20er oder 50er Euronoten:

"Hier ist es fast etwas spannender. Sie wissen ja nie, wie das Bild letztendlich aussieht, beim Puzzle wissen sie es schon. Drehen wir den Block hier noch mal um. Hier können sie auch schon was erkennen, Fragmente eine 500 Euro-Note sogar. Die jetzt auch sehr sehr vorsichtig gelöst werden muss. Die wir dann etwas akribischer zusammensetzen um zu gucken, ob sie auch erstattungsfähig ist."

Mit ruhiger Hand und Küchenmessern werden die vom Hochwasser zu einer formlosen Masse zusammen gepappten Geldscheine Stück für Stück voneinander gelöst. Wenn mehr als 50 Prozent eine Banknote anschließend wieder zusammengelegt werden können, wird das Geld erstattet. Sonst nicht. Papierschnipsel werden auf Holzbrettchen gelegt, die mit einer kleinen Leiste umrandet sind:

"Da das Geld stark zusammenklebt, weil es schon stark getrocknet ist, könnte es schon sein, das es ein bis zwei Tage dauert, bis wir alles auseinander genommen haben und nachzählen können, um wie viel Geld es sich insgesamt handelt und anschließend können wir die Erstattung vornehmen."

Sagt Horst Werner Hofmann, der stellvertretende Leiter des Nationalen Analysezentrums der Bundesbank in Mainz. Das Hochwassergeld wird dafür sorgen, dass in diesem Jahr hier deutlich mehr beschädigte Banknoten geprüft werden müssen als im Jahr 2012:

"Um Zahlen von 2012 zu nennen. Wir haben 840.000 Noten hier bearbeitet und konnten einen Betrag von 32 Millionen Euro hier erstatten."

Vorsätzlich beschädigte Scheine werden nicht erstattet
Herzog: "Ja wir müssen hier filigrane Arbeit leisten, wobei man sagen muss, bei Brandfällen, bei denen hier nur noch die Asche ankommt müssen wir eben noch ruhiger sein. Wenn sie Brandasche etwas zu schroff anfassen, haben sie nur noch Krümel. Deswegen ist schon ne ruhige Hand gefragt."

Auch bei Banknoten, die irgendwo im Keller versteckt waren und in denen es sich die Mäuse bequem gemacht haben.

"Gerade im Winter, ziehen sich dort Mäuse zurück. Und wenn dort Geld versteckt wurde, ist das beliebte Ziel der Mäuse, sich daran zu laben. Das heißt, sie fressen das nicht sondern bauen ihre Nester daraus."

Das Mäusenester-Baumaterial wird ebenso ersetzt wie Banknoten, die heute kaum noch jemand kennt: Die Scheine der "Bank Deutscher Länder" nämlich. Diese Vorläuferorganisation der Bundesbank gab in der Gründungsphase der Bundesrepublik Ende der 1940er Jahre bis Anfang der 50er Banknoten aus. Sie werden bis heute in Mainz angenommen, anders als DDR-Geld. Dafür aber die West-Mark. Horst Werner Hofmann:

"Also D-Mark. Wir haben ja noch ungefähr 13 Milliarden DM im Umlauf. Und oft werden jetzt in den Kellern noch alte Noten gefunden. Und die werden dann, dadurch das sie feucht sind, bei uns eingereicht."

Aber nicht jede Banknote wird erstattet. Wer einen Geldschein als Leinwand benutzt und bemalt, geht in Mainz leer aus:

"Immer wieder möchte sich jemand künstlerisch betätigen. Er zeichnet auf die Note oder malt. Irgendwann gefällt ihm seine Kunst nicht mehr und er reicht die Note bei uns ein. Doch wenn einer eine Banknote vorsätzlich beschädigt, wird sie ihm nicht erstattet."

Nach erfolgreicher Rekonstruktion des Hochwassergeldes aus dem Raum Deggendorf streift Uwe Holz eine Banderole über ein Geldbündel und verschließt es fest in einem Plastikbeutel. Einige Wochen lang wird das beschädigte Geld noch aufbewahrt. Wenn das Hochwasseropfer das neue, frische Geld auf dem Konto hat, werden die Puzzles von Uwe Holz und Frank Herzog verbrannt.
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