Mit Rauschen oder mit Blixa Bargeld
Er war Sänger, Rezitator, Entertainer, Lehrer, Stückeschreiber und Theatertheoretiker: Am 14. August jährt sich zum 50. Mal der Todestag von Bertolt Brecht. Erwartungsgemäß überschlagen sich die Hörbuchverlage. Wenn man allerdings die eigene Audiothek nicht zwingend quantitativ aufstocken möchte, bieten eher kleinere Editionen einen ersten Zugang zu Texten und zum Denken dieses Jahrhundert-Dichters.
Es kann weit, weit weg klingen, zeitlich, akustisch, vom Ausdruck her.
"Die Frau gibt den Teig in den Backofen, wischt sich die Hände ab und nimmt ein Fischernetz zum Flicken vor."
Eine Bandaufnahme. Historisches Rauschen. Unter anderem.
"Ich habe Hunger."
"Aber du hast etwas dagegen, dass dein Bruder Fische fängt. Weil das auch ich machen kann und Juan an die Front gehört. Ich hab gemeint, du willst auch dorthin."
Helene Weigel in "Die Gewehre der Frau Carrar" in einer vom Berliner Rundfunk gesendeten Hörspielfassung der Inszenierung des Berliner Ensembles. 1953. Bertolt Brecht historisch, weit weg der Ton. Es kann aber auch sehr nah, lebendig, wuchtig klingen:
"Als die Pflaumen reif geworden, / zeigt im Dorf sich ein Gespann. / Früh am Tage aus dem Norden / kam ein schöner junger Mann."
Blixa Bargeld, unter anderem Gründer und Sänger der "Einstürzenden Neubauten" und Nick-Cave-Gitarrist, liest für den HörVerlag erotische Gedichte von Brecht.
"Als wir war´n beim Pflaumenpflücken, / legte er sich in das Gras. / Blond sein Bart und auf dem Rücken, sah er zu, / sah dies und das. / Als wir eingekocht die Pflaumen, / macht er gnädig manchen Spaß / und er steckte seinen Daumen lächelnd in so manches Fass."
Erwartungsgemäß überschlagen sich die Hörbuchverlage, um den 50. Todestag eines Dichters eventgerecht zu begehen, von dem viel Material in den Archiven vorhanden ist. Wobei Random House Audio mit einer Neuauflage der Edition von akustischen Werken Brechts zweifellos den Vogel abschießt, zumindest was die Menge angeht: Auf 20 CDs in einem Riesenschuber und mit einer Laufzeit von summa summarum mehr als 23 Stunden Hörzeit sind Theaterstücke, Lesungen, Lyrik und Songs versammelt, sind Helene Weigel, Therese Giehse, Ekkehard Schall zu hören, Bertolt Brecht beispielsweise, wie er die "Moritat von Mackie Messer" singt, oder Ernst Busch, der Brechts Friedenslied singt.
Kann oder wird sich eine Aktualität Bertolt Brechts zeigen oder vermitteln, wenn man diese alten Aufnahmen hört? Die nüchterne Antwort lautet: Das Pathos der altern DDR-Inszenierungen, wo es denn zu sehr proletarisch-korrekt-sozialistisch-realistisch daher kommt, ist offen gestanden angenagt vom Zahn der Zeit, wirkt historisch, kurzum: angestaubt. Natürlich wirken bestimmte Aufnahmen als Dokumente eindrucksvoll, beispielsweise die Vernehmung Bertolt Brechts vor dem "Kongress-Komitee für unamerikanische Betätigung" am 30. Oktober 1947 in Washington:
"Sind Sie zur Zeit Mitglied der kommunistischen Partei irgendeines Landes, oder sind Sie es jemals gewesen?"
"Ich war und bin kein Mitglied irgendeiner Kommunistischen Partei."
"Brecht für alle" im Audio-Verlag Berlin, zehn CDs; 20-Brecht-CDs in der "Akustische-Werke-Auswahl" bei Random House Audio, nur zwei CDs, wirklich nur (!) zwei, im Hörverlag München mit der Kompilation von Lesungen, Hörspielen und Dokumenten.
Dieser Hang zur Großedition an Jahres-, Geburts- und Todestagen wirkt schlicht erschlagend. Wenn man nun allerdings das Bord der eigenen Audiothek nicht zwingend quantitativ aufstocken möchte, bieten eher kleinere Editionen einen ersten Zugang zu Texten und zum Denken dieses Jahrhundert-Dichters.
Ben Becker liest, ebenfalls für Random House Audio, aus dem Arbeitsjournal, das Brecht vom Juli 1938 bis zum Juli 1955 regelmäßig führte, in denen, die von Brecht-Gegnern immer wieder heftig kritisierte, widersprüchliche Haltung zur jungen DDR deutlich wird:
"2. Januar 1949. Bei dem Aufbau-Lied der Freien Deutschen Jugend bat mich der Berliner Gruppenleiter die Zeile 'Und kein Führer führt uns aus dem Salat' zu überprüfen, denn Hitler interessiere niemanden mehr, da er 'olle Kamellen' sei. Aber Kamellen verwandeln sich, wenn unbeobachtet, leicht in 'olle Lorbeeren'."
Und es ist doch erstaunlich, wie sehr die frühen Werke Brechts, beispielsweise seine Lyrik, immer noch ihre Wirkung entfalten, wenn sie, ohne historischen Staub, präsentiert werden. Blixa Bargeld liest Lyrik von Bertolt Brechts:
"Erst ließ Freude mich nicht schlafen. / Dann hielt Kummer nachts die Wacht. / Als mich beide nicht mehr trafen, / schlief ich, aber / ach / es bracht jeder meiner Morgen mir / Novembernacht."
Bertolt Brecht: An die Nachgeborenen
Lesungen, Hörspiele, Originalaufnahmen und Dokumente
Der Hörverlag, München 2006
2 CDs, 19,95 Euro
Bertolt Brecht: Auszüge aus dem Arbeitsjournal
Gelesen von Ben Becker
Random House Audio, Köln 2006
1 CD, 18,00 Euro
Bertolt Brecht: Erotische Gedichte
Gelesen von Blixa Bargeld
Der Hörverlag, München 2006
1 CD, 14,95 Euro
Bertolt Brecht: Werke. Eine Auswahl
Random House Audio, Köln 1999
20 CDs, 99,50 Euro
Bertolt Brecht: Dramen
Spiegel-Hörbuch/ Der Audio Verlag, 2006
10 CDs, 49,90 Euro
"Die Frau gibt den Teig in den Backofen, wischt sich die Hände ab und nimmt ein Fischernetz zum Flicken vor."
Eine Bandaufnahme. Historisches Rauschen. Unter anderem.
"Ich habe Hunger."
"Aber du hast etwas dagegen, dass dein Bruder Fische fängt. Weil das auch ich machen kann und Juan an die Front gehört. Ich hab gemeint, du willst auch dorthin."
Helene Weigel in "Die Gewehre der Frau Carrar" in einer vom Berliner Rundfunk gesendeten Hörspielfassung der Inszenierung des Berliner Ensembles. 1953. Bertolt Brecht historisch, weit weg der Ton. Es kann aber auch sehr nah, lebendig, wuchtig klingen:
"Als die Pflaumen reif geworden, / zeigt im Dorf sich ein Gespann. / Früh am Tage aus dem Norden / kam ein schöner junger Mann."
Blixa Bargeld, unter anderem Gründer und Sänger der "Einstürzenden Neubauten" und Nick-Cave-Gitarrist, liest für den HörVerlag erotische Gedichte von Brecht.
"Als wir war´n beim Pflaumenpflücken, / legte er sich in das Gras. / Blond sein Bart und auf dem Rücken, sah er zu, / sah dies und das. / Als wir eingekocht die Pflaumen, / macht er gnädig manchen Spaß / und er steckte seinen Daumen lächelnd in so manches Fass."
Erwartungsgemäß überschlagen sich die Hörbuchverlage, um den 50. Todestag eines Dichters eventgerecht zu begehen, von dem viel Material in den Archiven vorhanden ist. Wobei Random House Audio mit einer Neuauflage der Edition von akustischen Werken Brechts zweifellos den Vogel abschießt, zumindest was die Menge angeht: Auf 20 CDs in einem Riesenschuber und mit einer Laufzeit von summa summarum mehr als 23 Stunden Hörzeit sind Theaterstücke, Lesungen, Lyrik und Songs versammelt, sind Helene Weigel, Therese Giehse, Ekkehard Schall zu hören, Bertolt Brecht beispielsweise, wie er die "Moritat von Mackie Messer" singt, oder Ernst Busch, der Brechts Friedenslied singt.
Kann oder wird sich eine Aktualität Bertolt Brechts zeigen oder vermitteln, wenn man diese alten Aufnahmen hört? Die nüchterne Antwort lautet: Das Pathos der altern DDR-Inszenierungen, wo es denn zu sehr proletarisch-korrekt-sozialistisch-realistisch daher kommt, ist offen gestanden angenagt vom Zahn der Zeit, wirkt historisch, kurzum: angestaubt. Natürlich wirken bestimmte Aufnahmen als Dokumente eindrucksvoll, beispielsweise die Vernehmung Bertolt Brechts vor dem "Kongress-Komitee für unamerikanische Betätigung" am 30. Oktober 1947 in Washington:
"Sind Sie zur Zeit Mitglied der kommunistischen Partei irgendeines Landes, oder sind Sie es jemals gewesen?"
"Ich war und bin kein Mitglied irgendeiner Kommunistischen Partei."
"Brecht für alle" im Audio-Verlag Berlin, zehn CDs; 20-Brecht-CDs in der "Akustische-Werke-Auswahl" bei Random House Audio, nur zwei CDs, wirklich nur (!) zwei, im Hörverlag München mit der Kompilation von Lesungen, Hörspielen und Dokumenten.
Dieser Hang zur Großedition an Jahres-, Geburts- und Todestagen wirkt schlicht erschlagend. Wenn man nun allerdings das Bord der eigenen Audiothek nicht zwingend quantitativ aufstocken möchte, bieten eher kleinere Editionen einen ersten Zugang zu Texten und zum Denken dieses Jahrhundert-Dichters.
Ben Becker liest, ebenfalls für Random House Audio, aus dem Arbeitsjournal, das Brecht vom Juli 1938 bis zum Juli 1955 regelmäßig führte, in denen, die von Brecht-Gegnern immer wieder heftig kritisierte, widersprüchliche Haltung zur jungen DDR deutlich wird:
"2. Januar 1949. Bei dem Aufbau-Lied der Freien Deutschen Jugend bat mich der Berliner Gruppenleiter die Zeile 'Und kein Führer führt uns aus dem Salat' zu überprüfen, denn Hitler interessiere niemanden mehr, da er 'olle Kamellen' sei. Aber Kamellen verwandeln sich, wenn unbeobachtet, leicht in 'olle Lorbeeren'."
Und es ist doch erstaunlich, wie sehr die frühen Werke Brechts, beispielsweise seine Lyrik, immer noch ihre Wirkung entfalten, wenn sie, ohne historischen Staub, präsentiert werden. Blixa Bargeld liest Lyrik von Bertolt Brechts:
"Erst ließ Freude mich nicht schlafen. / Dann hielt Kummer nachts die Wacht. / Als mich beide nicht mehr trafen, / schlief ich, aber / ach / es bracht jeder meiner Morgen mir / Novembernacht."
Bertolt Brecht: An die Nachgeborenen
Lesungen, Hörspiele, Originalaufnahmen und Dokumente
Der Hörverlag, München 2006
2 CDs, 19,95 Euro
Bertolt Brecht: Auszüge aus dem Arbeitsjournal
Gelesen von Ben Becker
Random House Audio, Köln 2006
1 CD, 18,00 Euro
Bertolt Brecht: Erotische Gedichte
Gelesen von Blixa Bargeld
Der Hörverlag, München 2006
1 CD, 14,95 Euro
Bertolt Brecht: Werke. Eine Auswahl
Random House Audio, Köln 1999
20 CDs, 99,50 Euro
Bertolt Brecht: Dramen
Spiegel-Hörbuch/ Der Audio Verlag, 2006
10 CDs, 49,90 Euro