Mit Power die Mode-Szene rocken

Von Anna Deibele · 19.01.2010
Eigentlich wollte der geborene Kölner Kilian Kerner Schauspieler werden, doch stattdessen scheint der Design-Autodidakt ein regelrechter Senkrechtstarter in Sachen Mode zu sein.
Kilian: "Hier sind die ganzen Nähmaschinen – acht oder so –, in dem Raum daneben werden die Schnitte gemacht. Alles ist weiß – weiß, weiß! Und dann gibt's noch mal einen Raum – der ist ganz blöd und hässlich – , und das ist aber unser Lager, quasi."

Im Atelier von Kilian Kerner in Berlin-Prenzlauer Berg arbeiten jetzt vor der Fashion Week insgesamt 15 Schneiderinnen, Schnitt-Meisterinnen und Praktikanten an der Umsetzung der Kollektion für den nächsten Winter. Direkt neben dem Arbeitstisch des Designers stehen vier große, weiße Kleiderständer mit Modellen der diesjährigen Frühjahr-/Sommerkollektion "Tagebucheinträge": Sportliche Bundfalten-Hosen mit tiefem Schritt, lässige Hemden oder körperbetonte Männeranzüge in eher klassischen Farben. Das trägt der schlanke 30-Jährige mit den dunklen Haaren und den tiefbraunen Augen auch selbst am liebsten:

Kilian: "Ich mag sehr selten Farben. Also es sind immer so Phasen, wo ich mal ne Farbe gut finde, aber meistens finde ich grau, schwarz und blau am besten."

Bei den Frauen kreiert er schon ein bisschen ausgefallener, wie zum Beispiel bei einem Hosenanzug aus fließendem Seidenstoff in Gold, der elegant den Körper umspielt. Seit circa fünf Jahren führt Kilian Kerner sein gleichnamiges Label. Dabei hat er Mode nie studiert: Vor etwa sieben Jahren kommt der geborene Kölner nach Berlin, um Schauspieler zu werden. In seiner Freizeit experimentiert er mit Klamotten:

"Ich hab da einfach ein paar Sachen abgeändert und es gab ein T-Shirt – das war ein Unterhemd – , da stand in Gold, ich hab's immer selber draufgeschrieben: 'Kilian Kerner' , und dann gab's ne Hose mit der Rolling-Stones-Zunge, die völlig zerrissen war. Und ich saß echt in meinem Zimmer und habe Hosen zerrissen und diese T-Shirts bemalt, und es hat sich dann entwickelt, und ein Jahr später habe ich einfach gemerkt auf einmal, was ich für eine Disziplin hatte, die mir in der Schauspielerei leider völlig gefehlt hat, und da bin dann dabei geblieben."

In seiner Familie ist er der einzige Kreative. Kilian Kerner wächst bei Köln mit seiner Halbschwester und seiner Mutter auf:

"Meinen Vater kenne ich nicht. Der ist mir nur einmal begegnet, als ich ganz klein war, und der lebt irgendwo anders auf dieser Welt. Und meine Mutter arbeitet für eine Firma, die Nähmaschinen herstellt. Und da arbeitet sie in der Organisation mit und in der Weiterverarbeitung und so."

Als Kind und Jugendlicher verbringt Kilian Kerner die meiste Zeit mit Sport:

"Ich habe Tennis gespielt wie ein Verrückter – ich war wirklich besessen, Tennis zu spielen. Ich glaube, ich habe mit vier angefangen, und ich hab' wirklich gegen jede Wand Tennis gespielt, die es irgendwie gab in meinem Zimmer, und die Tennisbälle sind gegen die Wellensittiche gefallen – irgendwann wachte auch einer nicht mehr auf – , wirklich, kein Witz! Ich habe es geliebt, Tennis zu spielen – das hab' ich echt, ich glaube zehn, zwölf Jahre gemacht."

Außerdem entdeckt Kilian Kerner früh seine Leidenschaft für Nena. Alles, was mit der Sängerin zu tun hat, begeistert ihn:

"Als ich so sechs, sieben, acht Jahre alt war, haben wir immer zu Hause Nena gespielt, meine Cousine und ich – da habe ich dann auch gesungen, aber singen kann ich überhaupt nicht. Also das überlasse ich lieber den Bands, die auf meiner Show zum Beispiel spielen."

In seinem Beruf möchte Kilian Kerner seine Gefühle ausdrücken. Dadurch stößt er zunächst auf die Schauspielerei:

"Es hat mich einfach fasziniert, jemand anders zu sein. Es gab Stunden, da wollte ich auch gar nicht Kilian sein und hab das als Kind schon einfach gerne gehabt, Rollen zu spielen."

Er nimmt Schauspielunterricht und schafft die Aufnahmeprüfung für die Schauspielschule in Köln. Um seine Schauspielkarriere voranzutreiben, geht er nach Berlin und setzt sein Schauspielstudium fort, aber die Mode wird ihm zunehmend wichtiger. Nach zweieinhalb Jahren beschließt Kilian Kerner die Schauspielschule abzubrechen:

"Ich war auch nie, auch früher in der Schule, einfach kein Schulmensch, also Schule und ich waren keine Freunde, und ich hatte auch echt beschissene Noten. Auch die anderen Schüler mochten mich nicht so: Ich war klein und sah irgendwie aus wie ein Mädchen, und Schule war nicht so witzig. Na ja, und dann Schauspielschule war auch eher so."

Bei seinen Kollektionen lässt sich Kilian Kerner gern von seinen Gefühlswelten inspirieren. So zeigt er zum Beispiel jetzt auf der Berlin Fashion Week die Herbst-/Winterkollektion für das nächste Jahr mit dem Namen "Was der Himmel sagt": Bei der Männerlinie steht klare Schnittführung im Kontrast zu den weichen Stoffen wie Seide und Nicki. Bei den Frauen spielt Kilian Kerner mit Cashmere, Samt und Leder, die er bei Mänteln, Korsagen oder Hosen-Kombinationen verwendet.

Neben seinem eigenen Label betreut Kilian Kerner als Chef-Designer das Street-Wear-Label "No Ifs" und ist unter anderem mit Matthias Schweighöfer Mitbetreiber des deutschen T-Shirt-Labels "German Garment" - da bleibt kaum Zeit für Privatleben oder Hobbys:

"Ich habe eigentlich nur ein Hobby, und das ist Schreiben. Und ich mach das nicht oft, aber wenn ich's mache, dann viel."

So schreibt er die Texte zu den Katalogen seiner Kollektionen selber, ebenso wie die Song-Texte der Bands, die seine Modenshows begleiten. Dieses Jahr hat Kilian Kerner ein kleines Jubiläum: Er zeigt seine zehnte Kollektion. Bei soviel Power lassen weitere Erfolge sicher nicht mehr lange auf sich warten.