Mit Opa zum Ayers Rock

20.10.2011
Nachdem das Auto Anfang des 20. Jahrhunderts begonnen hatte, die Straßen zu erobern, eroberte es auch bald schon die Literatur. Im Auto wurde geschrieben, über das Auto wurde geschrieben, und aus dem Auto heraus wurde die Welt beschrieben, durch die man fuhr. Das Auto wurde zum Kultobjekt und zur Metapher für Freiheit und Identitätssuche. Nun hat auch der australische Schriftsteller Phillip Gwynne mit "Outback" ein neues Jugendbuch vorgelegt, das von einer langen Autoreise erzählt.
Hugh macht gerade den Führerschein und braucht dafür 120 Übungsstunden in der Begleitung Erwachsener. Als sich plötzlich die Gelegenheit bietet, seinen Großvater von Sydney zum legendären Ayers Rock zu fahren, greift er spontan zu. Hugh, der Musterschüler, der begabte Nachwuchs-Cellist, der brave Junge aus einem penetrant perfekten Elternhaus bricht aus. Er setzt dabei sogar seine Aussicht auf eine Musikerkarriere aufs Spiel. Denn Hugh hat einen Tick: Autos.

Hughs Opa ist dagegen ein vollkommen unkonventioneller Typ. Ein früherer Rennfahrer und später Hippie mit langem Pferdeschwanz, schrägen Freunden, flotten Flüchen - und einem großartigen alten Auto, einem sogenannten "Muscle-Car". Fast 3000 Kilometer rasen oder holpern der Alte und der Junge zusammen durch den Kontinent und erleben dabei eine Menge Abenteuer und Katastrophen. Der Großvater stirbt fast, das Auto wird zerschossen, eine Mitfahrerin entpuppt sich als Dealerin, sie versinken fast in einem Salzsee und die Polizei ist aus vielen guten Gründen hinter ihnen her.

Hugh muss nahezu alle Regeln und Gesetze brechen, die nicht nur zu Hause strikt vorgeschrieben sind. Er lernt, Wichtiges vom Unwichtigen zu unterscheiden und seine ganz eigenen Entscheidungen zu treffen. Diese Er-Fahrungen im doppelten Sinn des Wortes verwandeln den angepassten Privatschüler im Laufe einer Woche in einen selbstbewussten jungen Mann.

Mag sein, dass das ein wenig nach Schwarz-Weiß-Malerei und Klischee klingt. Doch wie der alte und der junge Mann ihren Traum vom Fahren und von Freiheit in die Tat umsetzen, das hat einfach großen Charme. Es ist viel von alten Autos, legendären Rennen und Rennfahrerikonen die Rede in diesem Roman. Die Autobegeisterung springt sofort über, warum er gerade auch für Jungen ausgesprochen interessant ist.

Genauso wichtig ist aber das sich langsam verändernde Verhältnis der beiden zueinander. Hugh erfährt im Laufe der Reise, warum sein Opa die Familie verlassen hat und völlig abgeglitten ist. Diese traurige Geschichte grundiert die spektakuläre Fahrt und gibt ihr Tiefe. Eine gut durchdachte Rahmenhandlung erhöht zusätzlich die Spannung.

Hugh selbst erzählt: intelligent, frisch, lebendig und zugleich sensibel. Er besitzt genug Selbstironie, um über seine Schwächen und Eigenheiten lachen zu können. Dazu hat er viel Verständnis für den kranken alten Mann, eine Menge Humor und Scharfsinn im Umgang mit den vielfältigen Hindernissen und einen wachen Blick für skurrile Typen und witzige Situationen. Seine Sprüche und Beobachtungen sind einfach umwerfend, sein Mut, neue Wege zu gehen, überzeugt!

Wie im klassischen Roadmovie spielt auch die Musik eine hervorragende Rolle in Phillip Gwynnes "Outback". Hugh, der klassische Cellist, bekommt von seinem Großvater eine Lektion in Sachen Elvis und Popmusik. Auch hier stellt er alle familiären Werte auf den Kopf. Und wenn die beiden dann aus voller Kehle gröhlend die Pisten entlang brausen, Fenster runter, Musik hoch, dann hat das einen wilden Duft nach echter Freiheit und ganz entspanntem Glück.

Besprochen von Sylvia Schwab

Phillip Gwynne: Outback
Aus dem australischen Englisch von Kai Kilian
Sauerländer Verlag, Mannheim 2011
206 Seiten, 14,95 Euro, ab 12 Jahren
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