Mit Lust an der Poesie

09.03.2009
Annie Proulx schreibt in ihrem neuen Roman "Hier hat's mir schon immer gefallen" über den Teufel und sein bequemes Leben, über die einfachen Menschen, die es weniger einfach haben, und "eine einsame Elster, die wie eine Nadel über den gescheckten Himmel flog".
2006 wurde der Film "Brokeback Mountain" mit drei Oscars ausgezeichnet. Die Geschichte mit den zwei schwulen Cowboys hatte sich die amerikanisch-kanadische Schriftstellerin Annie Proulx, Jahrgang 1935, ausgedacht.

Literaturkenner geraten bei ihrem Namen ins Schwelgen. Das "Time Magazine" zählt Annie Proulx zu den besten Schriftstellerinnen der Welt; für ihren Roman "Schiffsmeldungen" bekam sie den Pulitzerpreis, und sie ist eine der wenigen Autorinnen, die mit dem begehrten PEN/Faulkner Award ausgezeichnet wurden.

Jetzt ist ein neues Buch von Annie Proulx erschienen, ein Band mit Kurzgeschichten: "Hier hat's mir schon immer gefallen". In sechs der neun Shortstorys erwarten den Leser Cowboys, Indianer, die Prärie und der Kampf einfacher Menschen ums Überleben, ob heute amerikanische Soldaten im Irakkrieg oder Indianer bei einer indianischen Bisonjagd um 500 v. Chr.

In drei der neun Geschichten aber weicht Annie Proulx von der klassischen realistischen Erzählung ab und bietet einmal eine wunderbare Gruselgeschichte à la Ray Bradbury, und des weiteren noch zwei satirische Storys, die in der Hölle spielen und deren Hauptfigur der Teufel ist. Eine der beiden Teufel-Geschichten hat diesem Erzählband denn auch den Titel gegeben: "Hier hat's mir schon immer gefallen", -gemeint als zynisches Motto derjenigen in der Welt, denen es prächtig geht und die vorgeben, alles im Griff zu haben, wie eben der Teufel in der Titelgeschichte.

Die realen Menschen in Annie Proulx' Erzählungen kennen kein "Hier-hat's-mir-schon-immer-Gefallen". Denkt der Leser, es könnte ausnahmsweise mal eine "nette Story" werden, dann zieht rechtzeitig der Erzähler seine Augenbrauen hoch und sagt nur: "Wart's ab."

Der einzige, dem es in diesem Buch gut geht, ist der Teufel. Seine Branche boomt: Es müssen zum Beispiel neue Quartiere für Bankmanager und amerikanische Geschäftsleute eingerichtet werden, mit natürlich teuflischen Luxussuiten in der Größe und im Stil von Männerklos, wozu man eigens Baufirmen aus dem Irak engagiert. Und der Teufel denkt auch darüber nach, in Zukunft die komplette "Tour de France" zu sponsern.

Abgesehen aber von ihrem Ausflug in die Satire beweist sich Annie Proulx in diesem neuen Erzählband wieder als Großmeisterin der genauen wie lakonischen und harten Schilderung der Schicksale jener sogenannten kleinen Leute, -mit einer Intensität, die an John Steinbeck erinnert. Nicht zu vergessen Annie Proulx' Lust an Poesie:

"… eine Handvoll Elstern, die die Luft in schwarze und weiße Blitze teilt."

Auch wenn Annie Proulx unter Kennern zu den großen der Weltliteratur gezählt wird, manch einer zögert (noch???) bei dem Namen Annie Proulx. Was sicherlich daran liegt, dass die Autorin erst in einem für einen Literatureinsteiger schon biblischen Alter von Mitte 50 begonnen hatte, Bücher zu schreiben. Sie war fast 60 Jahre alt, als 1992 ihr erster Roman erschien.

Heute nimmt die Welt sie wahr, nicht zuletzt durch die Oscars für den Brokeback-Mountain-Cowboyfilm. Es ist also Zeit, endlich Annie Proulx zu lesen, auf die das zutrifft, was auch auf John Steinbeck zutraf, dessen Nobelpreis 1962 so begründet wurde: "Für einmalige realistische und phantasievolle Erzählkunst, gekennzeichnet durch mitfühlenden Humor und sozialen Scharfsinn."

Rezensiert von Lutz Bunk

Annie Proulx: Hier hat's mir schon immer gefallen
Übersetzt von Melanie Walz
Luchterhand Verlag 2009
254 Seiten, 17,95 Euro