Mit Lego auf die Zukunft gebaut

Von Christian Fischer |
Seit 2001 schicken Schüler jedes Jahr in einem internationalen Wettkampf selbstgebaute Lego-Roboter auf ein Spielfeld, die dort Aufgaben lösen müssen. Die Gruppen bilden sich an Schulen, in Roboter-AGs. Im Deutschen Museum in Bonn fand nun einen Probe-Wettkampf statt.
Ein weitläufiger Aufenthaltsraum. Kinder, Jugendliche und ein paar Erwachsene scharen sich in Gruppen um Tische, auf denen Laptops und Legos stehen. Mit prüfenden Blicken wird letzte Hand an kleinen, futuristisch anmutenden Legofahrzeugen angelegt. Das sind die Roboter. Mittendrin, umringt von ein paar aufgeregten Schülern, steht Winfried Schmitz, ein Mathe- und Physiklehrer mit grauen Haaren. Er ist der Organisator dieses Probe-Wettbewerbs und Ansprechpartner wenn’s brennt.

"Was ihr machen könnt, ist einfach noch mal alles löschen und die Firmware draufladen."
"Das dauert aber zu lange."
"Wann seid ihr dran, das dauert zehn Minuten."
"Wir sind als nächstes dran."
"Dann müsst ihr probieren, irgendwie es zum Laufen zu bekommen. Das Programm noch mal zu übertragen."
"Ja, machen wir."

Neben Winfried Schmitz auf dem Tisch ist eine Art Hindernis-Parcours aufgebaut. Auf der Unterlage, einer bunten Matte, sind Linien und Flächen eingezeichnet. Eine Straße ist zu erkennen. Darauf stehen allerlei Lego-Bauten: bunte Tonnen, eine Brücke, Leitplanken. Ein Mädchen mit schwarzen, fingerlosen Handschuhen stellt gerade ihren Roboter auf die Startposition, die sogenannte Heimatbase. Winfried Schmitz erklärt:

"Die Herausforderung ist, dass die Schüler innerhalb einer kurzen Zeit, acht Wochen, aus Lego Roboter bauen, die sich autonom auf einem Spielfeld bewegen und Aufgaben lösen. Sie müssen dabei Objekte bewegen, zum Beispiel aus ihrer Heimatbase zu einem gewissen Ziel bringen, oder Objekte, die auf dem Spielfeld aufgebaut sind, einsammeln. Und diese Roboter fahren, wenn die einmal losgefahren sind, autonom, sind nicht ferngesteuert, sondern programmiert."

Der Kern jedes Roboters ist ein zigarettenschachtelgroßer, grauer Kasten; die Kontrolleinheit. Sie kann an einen größeren Computer angeschlossen und programmiert werden. Anschließend werden die für das ausgedachte Programm benötigten Sensoren angeschlossen, die zum Beispiel Ultraschall, Berührung oder Licht messen. So sammelt der Roboter Informationen über seine Umgebung. Die zwölfjährige Aline Süller, das Mädchen mit den Handschuhen, testet gerade ein Programm auf dem Übungsparcours:

"Er soll jetzt geradeaus fahren, hier die Schlinge einsammeln, mit diesem Greifarm, hier rumfahren und dann hier die drei Schlingen noch mit einsammeln. Das hat bei uns noch nicht so gut funktioniert. Also die Schlinge hat er jetzt zum Beispiel nicht eingesammelt. Da ist er noch dran vorbei... Und jetzt hoffen wir, dass er hier die ... ah. Hat auch nicht funktioniert. Das ist jetzt etwas blöd gewesen."

Zur gleichen Zeit versucht Desiree, Alines Teampartnerin, die Programmierung zu perfektionieren. Sie ist elf Jahre alt, trägt eine Brille und denkt schnell. Unglücklicherweise hat das Team alle Programme in der Schule vergessen – und Desiree muss versuchen, sie aus dem Kopf zu rekonstruieren. Hochkonzentriert sitzt sie vor dem Laptop.

"Das ist jetzt das Programmiersystem. Und es soll jetzt den Roboter so ausrichten, dass er über die im Feld sich befindende gelb-schwarze Rolle drüberkommt, weil wir wollen die Puffereinheiten umschmeißen, die dahinter sind. Und das sollte jetzt eigentlich das Programm dafür sein, aber ich weiß noch nicht, ob es funktioniert. Ich hab’s halt noch nicht getestet."

Ein paar Meter weiter, an einem anderen Übungstisch, läuft derweil alles nach Plan, oder besser: Programm. Benedikt Imbusch steht sehr aufrecht und sehr ernsthaft am Spielfeldrand und schaut zu, wie sein Teamroboter die auf dem Feld verteilten Klötzchen einsammelt:

"Er fährt jetzt über diese Bande, richtet da sich wieder so ein bisschen aus, löst diesen Truck aus, dreht sich dann zu den Schleifen, klappt dann erst mal seinen Arm runter, sammelt die ein, wartet jetzt, bis er hinten mit dem Ultraschallsensor die Wand sieht und fährt jetzt zurück in die Base."

Zwischenrufer: "Es hat voll funktioniert, er hat vier Stück!"

"Jetzt hat’s halt geklappt in diesem Lauf. Wir sind eigentlich ganz zufrieden. So müsste es auch gleich im Wettkampf laufen."

Die Kunst liegt darin, die Sensoren so einzusetzen, dass sich der Roboter möglichst präzise über das Feld bewegt. Lichtsensoren können zum Bespiel dafür genutzt werden, ihn eine Linie entlang fahren zu lassen. Auch die Taktik ist wichtig. Denn im Wettbewerb haben die Teams nur zweieinhalb Minuten Zeit, da können unmöglich alle Aufgaben gelöst werden. Baut man einen kleinen wendigen Roboter, der unter der Brücke herfahren kann? Oder einen großen stabilen, der den Crashtest übersteht?

Für Aline und Desiree beginnt gleich der Wettbewerb. Schnellen Schrittes durchqueren sie das Treppenhaus und betreten den Ausstellungsraum. Der hohe, mit allerlei Technikexponaten gefüllte Raum ist in zwei Ebenen unterteilt. Weil das Spielfeld auf der unteren steht und die meisten Zuschauer von oben darauf blicken, ist es eine regelrechte Arena.

Die beiden Mädchen positionieren sich am Spielfeld, wo bereits die Schiedsrichterin wartet. Auf einer großen Digitalanzeige werden zweieinhalb Minuten heruntergezählt.

"Drei zwei eins los!"
"Mist."
"Wegnehmen?"
"Mach das Programm noch mal neu."
"Jetzt geht’s!"
"Och nein!"

Während Aline und Desiree mit ihrem Roboter kämpfen, schaut Uwe Neffken mit leuchtenden Augen zu. Er würde wohl am liebsten selbst am Wettbewerb teilnehmen. Doch weil er dafür zu alt ist, muss er sich damit begnügen, ein Team zu betreuen.

"Ich bin Lehrer und wir hatten irgendwann mal die Einladung, uns so einen Wettkampf anzuschauen. Ich bin damals mit vier Schülern hingegangen. Und die haben zwar in dem Schaukampf als letzte abgeschnitten, aber sie waren Feuer und Flamme für das System. Ich habe gesehen, dass ich im Prinzip zwei Stunden daneben sitze und nur zugucke wie die lernen und kaum noch was tun muss – und das ist ja eigentlich genialer Unterricht."

Nach ihrer ersten Runde stehen Aline und Desiree nun mit hängenden Schultern neben dem Spielfeld. Nur eine einzige Schleife konnten sie einsammeln und auch sonst gab’s kaum Punkte. Doch Aline versucht es positiv zu sehen:

"Wir hatten jetzt in der kurzen Zeit von den zwei Stunden leider nicht mehr geschafft. Und jetzt ist auch einiges schief gelaufen, was vorher immer geklappt hat. Aber das gehört eben auch dazu. Es klappt beim Training sozusagen immer und dann plötzlich halt nicht. Das ist das doofe. Na ja. Man muss optimistisch sein."

Desiree: "Genau!"