Mit Klamauk gegen alle Konventionen

Von Roger Cahn · 26.05.2013
Mit "Don Giovanni" bringt Intendant Andreas Homoki in der Inszenierung von Sebastian Baumgarten erstmals ein Werk im Zürcher Opernhaus zur Aufführung, das die lange Rezeptionsgeschichte in ihren Grundwerten erschüttert. Das Premierenpublikum reagierte verstört.
Hier kommt bei Mozart in Zürich erstmals eine Generation zum Zuge, die - wie der Titelheld - keine Ehrfurcht mehr vor unumstösslichen Konventionen zeigt. Das beginnt bei den textlich wie musikalisch leicht veränderten und teils neu geschriebenen Rezitativen, setzt sich szenisch in einer nicht überzeugenden sektenartigen Szenerie (Barbara Ehnes) und kunterbunten Kostümen (Tabea Braun) fort und gipfelt in einer wenig differenzierten Sicht der Protagonisten. Den Traditionalisten - und Zürich ist in Bezug auf Mozart halt auf den Stil Harnoncourts eingeschworen - wird hier schwer verdaubare Kost vorgesetzt.

Doch Mozart gibt eindeutig den Ton an. Das Positive der Aufführung ist sicher die totale Übereinstimmung und Harmonie von musikalischer wie szenischer Interpretation. Hier gehen Farben und Rhythmus Hand in Hand. Die Sängerinnen und Sänger dürfen sich stimmlich entfalten, spielen ihre Rollen überzeugend, Dirigent Ticciati gibt die Impulse und zieht dann hervorragend die Fäden.

Schliesslich steht mit Peter Mattei ein Don Giovanni von Weltklasse auf der Bühne. Man spürt, wie die anderen - allen voran Ruben Drole als Leporello und Marina Rebeka als Donna Anna - Spaß haben, gegen diesen Wüstling anzuspielen, anzusingen und anzukämpfen.

Was den Spaß und vor allem das Verständnis des Publikums massiv beeinträchtigt, ist der riesen Klamauk, den Sebastian Baumgarten auf die Bühne zaubert: das nicht enden wollende Kostümfest, eine nur schwer verständliche Vergewaltigungs- oder gar Hinrichtungsszene während der großen Party am Ende des ersten Aktes, die auf großem Screen eingeblendeten moralischen Zeigefinger - die Lasten und Sünden des Don Giovanni werden wie in einem Lexikon zitiert -, die teilweise unverständlichen Regieeinfälle vom glitzernden Licht bis hin zu den Ritualen, welche die Sektenmitglieder zelebrieren. Hat Baumgarten so wenig Vertrauen in Mozart und da Ponte?

Fazit: Vor lauter Baumgarten verschwindet da Ponte. Fragt sich nur, wer von beiden der bedeutendere Geist ist. Wohl Mozart!

"Don Giovanni" von Wolfgang Amadeus Mozart
Opernhaus Zürich
Regie: Sebastian Baumgarten
Musikalische Leitung: Robin Ticciati
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