Mit Jugendarbeit gegen Islamismus

"Jugendliche zum kritischen Nachdenken bringen"

Ahmad Mansour, Psychologe und Sprecher des Muslimischen Forums Deutschland
Der Psychologe Ahmad Mansour setzt sich vehement für mehr Prävention im Kampf gegen die Radikalisierung muslimischer Jugendlichen ein. © dpa/picture alliance/Michael Kappeler
Ahmad Mansour im Gespräch mit Christopher Ricke und Anke Schaefer · 10.02.2016
Über die Zahl gewaltbereiter Salafisten in Deutschland gibt es nur Schätzungen. Ein wirksames Gegenmittel sei eine konsequente Jugendarbeit unter jungen Muslimen, sagt der Psychologe Ahmad Mansour. So dürfe etwa Sexualität kein Tabu mehr sein. Denn diese Tabuisierung berge großes Gewaltpotenzial.
Etwa die Hälfte der in Deutschland bekannten Salafisten wird als gewaltbereit eingestuft. Der Kampf gegen ihren Einfluss auf Jugendliche, vor allem auf junge Männer, sei "eine Jahrhunderaufgabe", sagte der Psychologe Ahmad Mansour.
Der gebürtige Palästinenser, der nach eigenem Bekunden in seiner Jugend selbst kurz davor war, radikaler Islamist zu werden, zählt heute in Deutschland zu den renommiertesten Islamkennern und Kämpfern für eine effektive Prävention in der Jugendarbeit. Genau bei dieser Präventionsarbeit sei "ganz viel schief gelaufen". Ein zentraler Punkt, an dem angesetzt werden müsse, sei das Verhältnis der Geschlechter und die Tabuisierung der Sexualität.
Jugendliche müsse die eigene Kultur hinterfragen lernen
"Das ist ein Schwerpunkt, wo sich viele Jugendliche angesprochen fühlen, weil sie aus patriarchalischen Strukturen kommen. Sie kennen diese Geschlechtertrennung und diese Tabuisierung der Sexualität. Wenn ich in einer westlichen Kultur aufwachse, aber immer Sexualität tabuisiere uns als Sünde sehen, dann ensteht da ein riesiges Gewaltpotenzial. Wenn wir aber Jugendliche zum Nachdenken bringen und kritisches Denken fordern, wenn sie ihre Einstellungen und die Einstellungen ihres Kulturkreises in Frage stellen, dann sind diese Jugendlichen dann irgendwann auch immun gegen jegliche radikalen Tendenzen."
Mansour kritisiert zudem falsch verstandene Toleranz in der deutschen Gesellschaft, die ihrerseits dadurch bestimmte Themen tabuisiere und nicht in der Lage sei, wichtige Probleme anzusprechen. Das habe man deutlich nach den Vorkommnissen in der Sylvesternacht in Köln und in anderen deutschen Städten sehen können.
Falsch verstandene Toleranz
"Wenn wir die Probleme nicht ansprechen, tun das andere - das tun die Rechtsradikalen, die solche Themen für sich beanspruchen." Es habe nichts mit Toleranz zu tun, wenn akzeptiert werde, dass etwa Mädchen weniger lernen dürften, nur weil sie muslimisch seien.
"Wieso schicken die Eltern ihre Kinder nicht zum Schwimmunterricht? Da geht es nicht um Religionsfreiheit, da geht es vor allem um eine Tabuisierung der Sexualität, um bestimmte Geschlechterbilder, die diese Eltern vermitteln wollen."
Und wenn Politik und Gesellschaft dies akzeptierten, dann sorgten sie auch dafür, dass die Mädchen weniger Chancen in der Gesellschaft hätten.
"Und das ist nichts anderes als Rassismus. Das werde ich nicht Toleranz nennen."
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