Mit Herz und Seele gegen Krieg und Ungerechtigkeit

Von Bettina Ritter |
Seit sieben Jahren interpretieren die 80 Mitglieder des des Berliner Soulchors Songs von Marvin Gaye, Aretha Franklin, den Beatles oder Stevie Wonder. Es sind vor allem Lieder aus dem Amerika der 60er und 70er Jahre, Lieder aus der Bürgerrechtsbewegung, gegen Rassismus, Unterdrückung und Krieg. Trotz ernster Themen ist der Sound des Soulchors locker und groovy.
" Wir singen halt ohne Noten und wir bewegen uns dazu und machen Party. Da kann man das, was man singt, auch ausdrücken. Das ist mit Körper, Geist und Seele die Musik zelebrieren und ausstrahlen und sich austoben. Und deswegen Soul. "

Die fast 80 Sängerinnen und Sänger des Berliner Soulchors bewegen sich im Rhythmus von Seite zu Seite. Sie proben in der Kapelle der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin-Charlottenburg. "Oh Child" heißt das Lied, das sie am vergangenen Wochenende neu einstudiert haben. Chorleiter Stephan Zebe, ausgebildeter Kirchenmusiker, sitzt am Klavier. Er begleitet den Chor, die Mitglieder sind zwischen Mitte Dreißig und Mitte 50, vom Studenten über den Krankenpfleger bis hin zum Unternehmensberater sind alle Berufe vertreten. Zebe - selbst 42, mit Brille, Locken-Haarkranz und alternativ-orangefarbener Strickjacke, ist noch nicht ganz zufrieden.

" Und zwar der Bassteil, der war verkorkst im Übergang zum a capella. Ja, guck mich nicht so an, ich war auch nicht zufrieden. Ich brauche den Übergang noch mal. Achtung, zusammen bitte. One, two, three. "

"Oh Child", das ist ein Lied, das typisch ist für den Berliner Soulchor. Seit seiner Gründung vor sieben Jahren singt er oft Stücke, die in den 60er und 70er Jahren der amerikanischen Bürgerrechts- und Friedensbewegung entstanden sind. Damals protestierten Komponisten mit ihren Liedern gegen die Unterdrückung der Afroamerikaner und den Vietnamkrieg.

" Wir nutzen diese wunderbaren Songs - zum Beispiel heute wird es geben "What's going on" von Marvin Gaye -, um uns heute politisch zu äußern. Wo wir manchmal etwas sprachlos sind oder wo manchmal auch zu viel geredet wird, da sind wir ganz froh, dass sich Künstler schon damit beschäftigt haben. Und wir versuchen, das auf unsere Art rüberzubringen. "

" Es geht darum, dass sich die Menschen erstmal kennen lernen sollten, bevor sie aufeinander schießen oder sonst wie aufeinander losgehen. Es geht um Streit in der Familie, zwischen den Völkern, zwischen den Rassen. Und es heißt, sag mir, was ist los, tell me, what's going on? "

Das besondere am Berliner Soulchor ist die Band. Fünf Musiker gehören zur Stammbesetzung, für die Konzerte kommen oft noch drei Bläser hinzu. Außerdem dürfen zehn Mitglieder als Solisten auftreten. Auch Rebecca Tschimbauwe, deren Vater aus Botswana, dem südlichen Afrika stammt. Die 32-jährige Tänzerin und Mutter von drei Kindern ist seit vier Jahren dabei.

" Soul ist für mich verbunden mit einem bestimmten Beat, dass es sehr groovt, und dass man die Freiheit hat, auch zu improvisieren, gerade, wenn man als Solist da ist, dass man da nicht so festgelegt ist auf eine bestimmte Abfolge von Tönen, von Melodien, sondern dass man wirklich frei ist, jedes Mal, wenn man das Lied singt, das eigentlich wieder neu zu erfinden. "

Ihre Friedenslieder haben die Sänger bereits bei der Demonstration in Berlin gegen den Irakkrieg vor fünf Jahren gesungen. 300.000 Leute hörten damals zu. Nächstes Jahr reist der Chor nach Israel zu Auftritten und einem Workshop mit Israelis und Palästinensern. Reisen gab es schon viele, unter anderem nach Kopenhagen, erinnert sich Wilfried Hansen. Das gemeinsame Konzert mit dem dänischen Chor in einer Kirche gehört zu seinen Highlights, erzählt der 53-Jährige mit dem grauen, schulterlangen Haar.

" Wir waren 150 Leute auf der Bühne, und ich hab das Gefühl gehabt, ich bin in einer Südstaaten-Methodisten-Kirche umringt von Schwarzen, so ne Stimmung war da. Und ich hab in die Gesichter der Teilnehmer gesehen, und die hatten rote Köpfe und waren total euphorisch, und das war unglaublich, dieses Erlebnis. "

In zwei Jahren wird der Chor in die USA reisen, dem Heimatland der Soul-Musik. Dann machen sie die Probe aufs Exempel: Ob die Deutschen sich mit den amerikanischen Kirchen-Chören messen können? Der Berliner Soulchor kann zuversichtlich sein.

Der nächste Auftritt des Berliner Soulchors ist am 6. Dezember 2008 ab 20 Uhr in der Heiligkreuzkirche in Berlin-Kreuzberg. Weitere Informationen unter www.soulchor.de

Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.