Mit Gelfrisur und Trainingshose

Von Brigitte Neumann |
Er präsentiert im knallrosa Glanztrikot zwei Physiker, der eine ist sehr dick und jung, der andere sehr alt und dünn, beide Koryphäen ihres Faches. Prof. Heinz Oberhummer, Prof. Werner Gruber und der Kabarettist Martin Puntigam, das sind die Science Busters. Ihre Mission: Physik geht jeden an. Derzeit sind sie das erste Mal auf Deutschlandtournee. Für Martin Puntigam die Möglichkeit, sich auch hierzulande als Kabarettist vorzustellen. Daheim in Österreich bespielt er als preisgekrönter Solist alle Kanäle. Sein Programm nennen die Zeitungen "gnadenlos komisch", ihn selbst "Extremkabarettist".
"Ein Polizist kostet in seiner zweijährigen Grundausbildung 145.000 Euro. Hingemacht ist er aber in weniger als einer halben Minute. (Lachen) Und des, um in einer Gegend zu patrouillieren, wo ohnehin nur Arbeitslose wohnen (Lachen). Das ist von der Kosten-Nutzen-Rechnung her ein Unsinn."

Martin Puntigam aus seinem neuen Soloprogramm "Atomic Wedgie". Es geht um das Geschäft mit der Angst vor dem großen Kollaps: Staatsversagen, Bürgerkrieg, Banden regieren die Stadt. Deshalb rät der alerte Verkäufer auf der Bühne: Survival Kit kaufen. Mit diesem Katastrophen-Koffer, verspricht er, lässt sich auch die Hölle überleben.

"Ein sehr arroganter selbstsicherer Mann, der sich sehr toll findet und des was er macht. Er ist auch unterhaltsam. Aber irgendwann wird's a bisserl schmerzhaft. Und des ist natürlich das höchste Vergnügen für mich und ich finde auch eine sehr schwierige Kunst, Menschen zum Lachen zu bringen, obwohl sie es grad überhaupt nicht möchten."

Puntigam ist ein zahm, fast phlegmatisch wirkender großer Mann mit mildem Blick, langen Locken, Seehundbart und gemütlichem Ranzen. Aber das ist nur die eine Version. Es gibt auch einen anderen Martin Puntigam. Das ist der, der die Leute piesackt, der mit ihrem Entsetzen spielt. Eine Art des Umgangs übrigens, die der Wiener seinem Pfarrer beim Hochamt abgeschaut hat. Puntigam war bis zur Matura Ministrant. Jetzt ist er Atheist.

" ... weil's da drin nix zu finden geben hat. Aber die Dramaturgie, die ja über viele Jahrhunderte sorgsam ausprobiert worden ist von Hochämtern, das ist eine sehr gute Theater-Dramaturgie, die kann man gut benützen für verschiedene Vorstellungen."
Und zwar nicht nur im Theater. Puntigam ist im Radio sehr präsent - der 41-Jährige arbeitet seit 15 Jahren für die Kultur- und die Jugendwelle des ORF. Und im österreichischen Fernsehen lief einige Jahre die inzwischen abgesetzte "Sendung ohne Namen", für die er etliche Folgen schrieb.

Die Bügelkniffe in Puntigams blauem T-Shirt wirken sehr frisch. Da ist offenbar jemand, der für ihn sorgt. Der Kabarettist macht eine wegwerfende Handbewegung: Er ist, wie er sagt, seit ewigen Zeiten verheiratet.

"Und bin privat ein sehr friedlicher Mensch, vermutlich deshalb, weil ich mich unter anderem auf der Bühne so artikulieren kann und des net an irgendjemand anderem auslassen muss."
Wobei seine Partner aus der aktuellen Science Buster Show, die Physiker Oberhummer und Gruber, nicht empfindlich sein dürfen, wenn Puntigam mit ihnen auf der Bühne seine Späße treibt:

"Wir bauen am Computer Teile des menschlichen Gehirns nach."
"Wenn Sie sich mit Depression beschäftigen, dann bauen Sie ein depressives Computerprogramm?"
"Salopp formuliert, ja."
"Und das braucht dann wer?" (Lachen)


"Also der, der am wenigsten weiß, hat am meisten Macht auf der Bühne. Und ich kann sie jederzeit unterbrechen und verhöhnen und zurechtweisen und alles, und sie lassen sich auch alles bereitwillig gefallen, weil sie natürlich wissen, dass dann alle drei umso strahlender leuchten können, wenn wir da zusammenspielen. Aber diese scheinbare Degradierung der Wissenschaft, der man normalerweise nicht das Wasser reichen kann, weil man halt ned studiert hat und ned geforscht hat, das ist sicher eines der Geheimnisse, warum des so gut funktioniert."

Mit Gelfrisur, Trainingshose und rosa Spandex-Trikot, unter dem er seine Brustwarzen mit applizierten Plastiknippeln vergrößert hat, meldet der 41-Jährige jetzt die Themen des Abends an:

"Kann man mit dunkler Energie kochen? Wie demütigt man Lurch? Und kann ich mein altes Badewasser den Gästen als Aperitif aufwarten?"

Es wird ein wilder Ritt durch die Astronomie, die Quanten- und die Teilchenphysik, und Puntigam schießt mit Pointen nur so um sich, was die Koryphäen an seiner Seite im Laufe des Abends immer ein wenig blasser aussehen lässt. Manchmal hat man das Gefühl, er braucht sie gar nicht, er braucht auch das Publikum eigentlich gar nicht. Martin Puntigam ist sich im Prinzip selbst genug.

"Wie man geprägt ist, das kann man sich ja net aussuchen, das besorgen ja andere. Und auf der Basis hab ichs net gern langweilig. Also ich mach schon die Dinge auch so, dass ich's selber interessant find. Und ich schreib die Programme ja nicht so, dass sie ein Mix sind, wo das Publikum möglichst glücklich werden kann und der kommerzielle und kaufmännische Erfolg sichergestellt ist. Weil, da kann ich mich handwerklich noch so anstrengen. Wenn's mir langweilig ist auf der Bühne, dann spürt man des. Das kann man nicht langfristig verbergen."

Links bei dradio.de:
Buchkritik:
Science Busters: "Wer nichts weiß, muss alles glauben", Ecowin Verlag 2010, 234 Seiten


Service:

Einige Stationen der Deutschlandtournee der Science Busters:
8.11. Stuttgart: Theaterhaus Stuttgart
15.11. Berlin: BKA Theater
16.11. Hannover: Veranstalter TAK im Pavillon im Rahmen der Wissenschaftstage
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