"Mit der Wirtschaft eine ökologische Modernisierung angehen"

Moderation: Nana Brink · 10.10.2013
Thekla Walker ist die Vorsitzende der Grünen in Baden-Württemberg, ihr Landesverband gilt als Speerspitze des Realo-Flügels. Im Interview fordert sie ernsthafte Sondierungsgespräche mit der Union - und mehr Offenheit ihrer Partei gegenüber der Wirtschaft.
Nana Brink: Immerhin gibt es sie, die Sondierungsgespräche zwischen der Union und den Grünen, auch wenn aus allen drei Parteien Stimmen laut werden vor dem heutigen Treffen, die eine Koalition für sehr unwahrscheinlich halten, weil angeblich alle Zeichen auf Große Koalition stehen. Man gibt sich also skeptisch, aber das muss ja auch kein schlechter Schachzug sein.

In Baden-Württemberg hat man vielleicht mehr als anderswo über ein schwarz-grünes Bündnis räsoniert. Dort stellen die Grünen den Regierungschef. Der koaliert zwar mit einer anderen Partei, aber ansonsten gelten sie ja als Speerspitze des Realo-Flügels ihrer Partei. Thekla Walker ist die Landesvorsitzende der Grünen in Baden-Württemberg. Schönen guten Morgen, Frau Walker!

Thekla Walker: Schönen guten Morgen!

Brink: Kerstin Andreae, die Wirtschaftsexpertin aus Ihrem Landesverband, konnte sich ja an der Spitze der Fraktion nicht durchsetzen. Wäre das nicht besser gewesen für die Gespräche mit der Union heute?

Walker: Ich glaube, dass die Sondierungsgespräche jetzt personell sehr gut besetzt sind. Wichtig ist, dass die Vertreter der Landesregierungen, Winfried Kretschmann, Sylvia Löhrmann, dabei sind für diese Sondierungen mit der CDU/CSU, und insofern habe ich da keinerlei Bedenken.

Brink: Aber Sie als Vertreterin des Realo-Flügels, sind Sie denn nicht ein bisschen enttäuscht?

Walker: Die Fraktion hat ihre Wahl getroffen, wir haben jetzt sehr gute, starke Fraktionsvorsitzende, und ich gehe davon aus, dass Kerstin Andreae weiterhin eine sehr wichtige Rolle spielen wird, auch bei der Ausrichtung der Partei in Zukunft, in der Fraktion und auch im Landesverband Baden-Württemberg. Sie wird als Wirtschaftspolitikerin, die sie ja ist – und sie hat da ja einen sehr, sehr guten Ruf, nicht nur in Baden-Württemberg, auch deutschlandweit, sie hat ja auch den Mittelstandspreis gewonnen –, sie wird da in dieser Ausrichtung der Partei weiterhin eine sehr wichtige Rolle spielen.

Brink: Ich bin jetzt mal ein bisschen hartnäckig: Ist das denn nicht auch eine verpasste Chance auf einen Kurswechsel gewesen, der ja vielleicht auch dringend nötig ist?

Walker: Ich glaube, dass die Wahl der Fraktionsvorsitzenden auch eine Persönlichkeitswahl ist, da wird nicht nur über Inhalte abgestimmt, und die Inhalte müssen jetzt weiter erarbeitet werden. Insofern ist es keine verpasste Chance, sondern es geht weiter, und Kerstin Andreae ist ja weiterhin Teil der Fraktion und wird sicherlich auch stellvertretende Fraktionsvorsitzende bleiben. Insofern hat sie weiterhin eine wichtige Rolle und kann diese dann auch nutzen.

Brink: Ihr grüner Regierungschef ist ja bekannt dafür, wirtschaftliche Fragen ganz pragmatisch anzugehen. Was könnten denn die Grünen im Bund, gerade auch im Hinblick jetzt auf die Sondierungsgespräche mit der Union, daraus lernen?

Walker: Ich glaube, es kommt jetzt nicht nur auf die Sondierungsgespräche an, sondern generell, dass wir deutlich machen, wie wir Grüne Wirtschaftspolitik sehen, welche Chancen darin liegen, in Richtung Nachhaltigkeit, mehr Effizienz, Energiewende zu gehen und welche Chancen und Möglichkeiten da gerade für die Unternehmerinnen und Unternehmer liegen. Und wir haben in Baden-Württemberg sehr gute Kontakte und Arbeit auch aufgebaut im Hinblick auf mittelständische Wirtschaft und Wirtschaft allgemein, und das gilt es fortzuführen, denn wenn wir wirklich eine ökologische Modernisierung in Deutschland wollen, dann brauchen wir die Wirtschaft auch als Partner und sollten diese auch als solche ansprechen.

Brink: Aber genau das kommt ja eigentlich beim Bundesvorstand nicht an, also weil Sie sagen, Wirtschaft als Partner – das hört man aber nicht aus Berlin.

Walker: Doch, ich glaube schon, dass sich jetzt nach der Bundestagswahl da was verändert hat in der Perspektive. Wir hatten ja eine große Aussprache auch beim Länderrat und da gab es schon verschiedene Stimmen, die das auch zum Ausdruck gebracht haben, dass wir da mehr betonen müssen, dass wir auch mit der Wirtschaft eine ökologische Modernisierung angehen wollen. Und insofern glaube ich schon, dass da jetzt eine Offenheit besteht, auch mehr auf die Wirtschaft zuzugehen in Zukunft.

Brink: Jetzt greifen wir mal ein wichtiges grünes Kernthema heraus, Sie haben es selbst schon angesprochen: Wäre eine Energiewende nicht eher mit einer Union besser hinzukriegen als mit einer SPD, die immer noch auf Kohle setzt?

Walker: Das ist in der Tat für uns ein Thema, das jetzt, wenn man die Sondierungsgespräche im Blick hat, eine sehr große Rolle spielt, und wo wir sehr große Sorge haben, wenn jetzt eine Große Koalition das Land regiert, dass zum Beispiel eine Renaissance wieder der Kohle stärker im Raum steht und wichtige Ziele gerade im Klimaschutz – CO2-Reduzierung – aber auch im Einstieg in die Energiewende, dass die dann auf der Strecke bleiben. Das ist in der Tat eine sehr große Sorge, die uns umtreibt.

Brink: Aber Sie sind doch gerade der Realo-Flügel. Müssten Sie nicht darauf dringen, dass man diese Sondierungsgespräche wirklich ernsthafter führt, wenn ich das jetzt mal ganz genau höre, was Sie eben gerade gesagt haben?

Walker: Ich gehe davon aus, dass die Sondierungsgespräche sehr ernsthaft geführt werden, das ist allen Beteiligten, die da jetzt reingehen, klar, und es geht um die wichtigen Fragen, die Deutschland jetzt betreffen, wie zum Beispiel die Energiewende. Das ist so ein wichtiges Zeitfenster, die nächsten vier Jahre, welche Entscheidungen da getroffen sind – und deswegen gehen wir da mit großem Ernst rein und werden schauen, welche Übereinstimmungen es da geben kann oder auch nicht. Aber das ist natürlich auch nicht das einzige Thema, was dann da zur Sprache kommt.

Brink: Aber ein sehr wichtiges, weil Sie ja auch gerade gesagt haben, Sie müssen wieder auf Ihre Kernthemen setzen. Wie geht es Ihnen? Würden Sie sich nicht mit der CDU wohler fühlen?

Walker: Das kann man so nicht sagen. Also ich glaube, es geht auch nicht darum, mit wem man sich wohler oder nicht wohler fühlt.

Brink: Na, wo man die Ziele durchsetzen kann, also das, was man sich vorgenommen hat.

Walker: Das ist richtig, genau. Aber das ist ja jetzt auch genau die Frage. Ist es so, dass es Übereinstimmungen in den großen Leitlinien gibt, in den Fragen, um die es jetzt geht, oder nicht? Und das ist ja jetzt die Aufgabe der Sondierungskommission, diese Frage genau zu klären.

Brink: Es wird ja immer behauptet, die Basis mache ein schwarz-grünes Bündnis nicht mit, also Ihre Basis, von der reden wir jetzt mal. Sie haben da ja viel Erfahrung. Wie ist denn die Stimmung bei Ihnen im Stammland der Grünen? Wäre das durchzusetzen? Was hören Sie?

Walker: Ja, es ist natürlich sehr gespalten. Es ist ja keine Frage. Wir haben jetzt einen Wahlkampf gemacht, der sich gegen die Bundesregierung gerichtet hat. Das ist ganz klar. Von daher ist es natürlich für die Basis jetzt erst mal nicht unbedingt die erste Vorstellung, dass man jetzt Schwarz-Grün machen würde auf Bundesebene. Es ist aber von allen Teilen, also was ich gehört habe, eine sehr große Akzeptanz und Unterstützung auch dafür da, dass wir wirklich ernsthaft in diese Sondierungsgespräche gehen. Es besteht aber auch eine gewisse Skepsis, ob es wirklich im Moment möglich sein wird, eine schwarz-grüne Koalition zu bilden. Das ist richtig.

Brink: Aber es wäre kein Tabubruch mehr?

Walker: Es ist kein absoluter Tabubruch, denn es geht ja um die wichtigen Fragen, die uns bevorstehen, gerade beim Thema Energiewende, das ist ganz klar. Das ist für unsere Basis auch eines der wichtigsten Themen, wo man eben durchaus sieht und in Sorge ist: Was wird da in den nächsten vier Jahren eigentlich entschieden, gemacht und umgesetzt? Und von daher ist da auch ein großes Verständnis da, aber eben auch gleichzeitig eine große Skepsis. Sie müssen sehen, hier im Land Baden-Württemberg haben wir eine CDU, wo wir sehen, dass wirklich an jeder Stelle, an der wir eine Reform umsetzen, nur Blockadepolitik kommt und keine eigenen Ideen oder überhaupt ein Entgegenkommen. Und von daher ist da auch die Skepsis hier auch in Baden-Württemberg verbreitet.

Brink: Thekla Walker, die Landesvorsitzende der Grünen in Baden-Württemberg. Schönen Dank, Frau Walker, für das Gespräch!

Walker: Ich danke Ihnen, auf Wiederhören!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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