Mit der Kettensäge gegen die baumhohe Arbeitslosigkeit

Von Bernd Sobolla |
Holzfäller Krischan kehrt nach zwölf Jahren in sein Heimatdorf Tanne im Ostharz heim. Und hat gleich eine Idee, wie er seine ehemaligen Kumpels von der Langzeitarbeitslosigkeit befreien kann: Mit einem Holzfällerwettbewerb. Der Film „Die Könige der Nutzholzgewinnung“ nimmt die triste Situation in Ostdeutschland zum Anlass für eine kleine Komödie.
Krischan kehrt heim: Zwölf Jahre hat er sich in der Welt herumgeschlagen, vor allem in Kanada. Doch nun kehrt er zurück in seine Heimat, in das Dorf Tanne im Ost-Harz, wo er einst als Holzfäller arbeitete, Pläne übererfüllte, seine große Liebe fand und verließ und seine beiden Kumpels Bert und Ronnie versetzte. Und so ist die Freude über seine Rückkehr auch nicht sonderlich groß. Der Stammtisch schweigt, das ganze Dorf ist in die Lethargie der Langzeitarbeitslosigkeit versunken. Und Krischans Kumpels denken noch immer an den Broiler-Express, mit dem sie einst die große Mark machen wollten.

„Was läuft hier so im Wald?“
„Nichts“
„Gar nichts.“
„Du musst ja völlig abgebrannt sein, dass du dich hier so zeigst.“
„Nee. Mir geht es gut.“
„Warum bist du denn dann hier?“
„Man, ich habe euch so lange nicht gesehen.“
„Lange nicht gesehen. Wir haben dich auch lange nicht gesehen. Und unser Geld auch nicht, du verdammtes Arschloch.“
„Mensch, Bert…“
„Wir werden reich, hat er gesagt. An jedem Broiler verdienen wir zwei Mark, hat er gesagt. Klotzen, nicht kleckern, … und dann warst du weg. Und wir durften abdrücken, jahrelang.“

Doch Krischan wäre nicht Krischan, hätte er nicht bereits eine neue Idee im Gepäck: Er will einen großen Holzfällerwettbewerb ausrufen: Zapfenpflücken, Zielfällen, Kleinsägen. Wer am meisten sammelt, am genauesten fällt und am geschicktesten die Motorsäge schwingt, der gewinnt.

„Sprechen wir mal über Profit. 2.000 Zuschauer, 10 Euro Eintritt, das macht 200.000 Euro, das ist fast eine halbe Millionen.“
„20.000.“
„Mm?“
„Das macht 20.000.“

So manche Rechnung geht nicht auf bei „Den Königen der Nutzholzgewinnung“. Denn der Film handelt von den Verlierern des gesellschaftlichen Wandels. Einige von ihnen sind vielleicht gescheitert, weil sie zu sehr an ihrer Heimat festhielten, andere obwohl sie ihr Glück in der Ferne suchten. Für Regisseur Matthias Keilich ein Problem, das überall existiert, sich aber besonders gut in Sachsen-Anhalt umsetzen ließ, wo die Arbeitslosigkeit baumhoch ist.

„Es geht ja auch um Heimatlosigkeit im übertragenen Sinne. Dass wir heute eine Gesellschaft sind, wo es die Orientierung nicht mehr gibt, wo die Generation vor uns nicht wirklich Vorbild sein kann, wo sich täglich alles verändert und wir keine einfachen Antworten mehr finden können.“

Der 40-jährige Filmemacher war zwar nie Holzfäller, aber er kennt schwere körperliche Arbeit. Denn er absolvierte eine Ausbildung als Steinmetz und Steinbildhauer, ehe er in den 90er Jahren an der „Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin“ Film studierte. Seither arbeitet er in Berlin, lebt aber mit seiner Frau in der Schweiz, wo diese als Schauspielerin engagiert ist. Sich selbst bezeichnet Matthias Keilich durchaus als einen sehnsüchtigen Menschen.

„Die Sehnsucht nach irgendwas, was man nicht so richtig fassen kann. Also eine Sehnsucht nach Glück, eine Sehnsucht nach Liebe oder eine Sehnsucht nach Arbeit. Oder eine Sehnsucht nach Anerkennung. Innerhalb der Familie in meinem Film. Klar, das ist ein Motiv, das mich beschäftigt.“

Genau diese Anerkennung verwehrt er seinen Protagonisten. Denn in Tanne haben die Frauen nicht nur die Hosen an, sie haben auch den Durchblick und brauchen die Männer nicht mal mehr zum Tanzen. Da können die Holzfäller noch so laut die Motorsägen aufheulen lassen und wie ein Phallussymbol empor stemmen. Zudem entpuppt sich so manch neue Chance schnell als weitere Degradierung.

„Wie schon gesagt: Wir erwarten von unseren Mitarbeitern mehr als die bloße Anwesenheit von sieben bis fünf. Jeder ist Teil der Familie, muss Einsatz zeigen.“
„Macht der..?.“
„Mitdenken und mehr leisten als der Durchschnitt ohne gleich Überstunden aufzuschreiben. Sind sie bei der Gewerkschaft?“
„Äh, nein, ist er nicht.“
„Prima. Dann würde ich sagen, wir starten mit einem Praktikum ohne Vergütung versteht sich.“

„Die Könige der Nutzholzgewinnung“ ist eine Tragikomödie, wobei die Betonung eindeutig auf Komödie liegt. Die persönlichen Katastrophen der Protagonisten werden leicht geschultert, verlieren somit aber auch an Kraft und Anteilnahme: Egal ob Krischan einen 12-jährigen Sohn hat, von dem er nichts wusste, ob Bert mit 40 einen Antrag auf Frühverrentung stellt oder Ronnie von seiner Frau und den vier Kindern verlassen wird.

Dafür absolviert Hauptdarsteller Bjarne Mädel in der Rolle des Krischans einen perfekten Balanceakt: Er überzeugt als Schlitzohr und Taugenichts, Frauenverführer und Ideenproduzent, Kaltduscher und Stehaufmännchen. Genügend Charakterzüge, mit denen sich Bjarne Mädel identifizieren konnte.

„Also für mich war das Wichtigste an der Figur, dass es jemand ist, der sich einer Verantwortung entzieht. Also der nicht bereit ist zu irgendwas 100prozentig ja zu sagen. Und damit kann ich viel anfangen. Also dass man sich immer noch eine Hintertür offen lässt und eine Option noch frei bleibt…“

Außerdem schlägt der Film einen wunderbaren Bogen von der Tristesse, die das Dorf zu Anfang umgibt bis hin zur Wiederauferstehung. Und am Ende mutiert der Film gar zu einer großen Produktion mit Massenszenen.

„Ich begrüße Sie auf das Herzlichste im neu renovierten Tanner Waldstadion.“