Mit der ganzen Familie vor der Konsole

Von Raimund Fichtenberger |
Viele Computerspiele haben einen schlechten Ruf. Zum Teil entstehen Vorurteile, weil Eltern zu wenig über PC-Spiele wissen. Ein Projekt der Universität Leipzig versucht das in der ersten Computerspielschule Deutschlands zu ändern. Mittlerweile besteht sie seit einem Jahr.
Kurz nach 14 Uhr. Lisa und Dominik sind direkt nach dem Unterricht gekommen. Zwar haben sie auch zu Hause einen Computer, aber hier gibt es einfach mehr Spiele. Im Erdgeschoss eines Altbau-Gymnasiums wurden zwei Räume hergerichtet: Poster an den Wänden, in jedem Raum stehen etwa zehn Computer oder Spielekonsolen. Auch bei großem Andrang soll jeder in Ruhe spielen können. Im Eingangsbereich gibt es eine kleine Theke, an der sich jeder Besucher anmelden muss. Hier werden auch die Spiele ausgegeben, dem Alter entsprechend.

Mitarbeiterin Stephanie Grün, holt eine dicke Liste heraus:

"Wir haben hier über 200 verschiedene Spiele. Also 100 PC-Spiele etwa und 100 Konsolenspiele. Wir helfen natürlich bei der Spielauswahl. Unsere Hauptaufgabe ist eigentlich, die Spiele den Kindern zu erklären, zu helfen, wenn sie Fragen haben und einfach da zu sein, wenn irgendetwas ist."

Die Idee der Computerspielschule: wo Kinder mit komplexen Spielsituationen sonst möglicherweise überfordert sind, gibt es Ansprechpartner. Denn in zahlreichen Familien - so die Erfahrung - sind Eltern desinteressiert oder unwissend in Sachen Computerspiele und können mit der Begeisterung ihrer Kinder für Computerspiele nicht viel anfangen. Das betreute Spielen ist also vor allem ein Angebot für die Eltern.

"Unser Ziel ist es eigentlich, dass die Familien gemeinsam spielen. Dass die Kinder nicht allein kommen, sondern mit ihren Eltern. Oft ist es dann so, dass die Eltern mit verschränkten Armen dahinter sitzen, sich weigern mitzumachen. Und nach einer Weile tauen die auf, und wollen dann auch mal etwas ausprobieren. Weil es ihnen langweilig wird. Und am Ende spielt dann meist die ganze Familie zusammen."

Bisher wird das Angebot leider nur selten von Eltern genutzt. An drei aufeinanderfolgenden Nachmittagen kamen nur einmal Kinder in Begleitung ihrer Eltern. Kathrin Stackes Kinder sind acht und zehn Jahre alt.

"Ich kann die voll und ganz verstehen, dass die hier spielen wollen.
Und ich finde es schön zu sehen, dass die hier auch zusammen spielen.
Hier gibt’s einfach mehr Auswahl und hier ist einer dabei, der das erklären kann."

An vier Nachmittagen in der Woche hat die Computerspielschule geöffnet.

Betrieben wird sie vom Institut für Kommunikation und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. Die Räume in einer Schule stellt die Stadt, Computer und Spiele werden zum großen Teil von Firmen gesponsert.

Die Benutzung kostet einen Euro pro Stunde. Wenn die Kinder mit erwachsener Begleitung kommen, ist das Spielen sogar gratis. Ein kleiner Anreiz, damit das Angebot von der ganzen Familie genutzt wird und der gewünschte Dialog statt findet. Ein Konzept, das funktioniert, zum Beispiel beim 14-jährigen Karl:

"Also meine Mutter würde sich dafür interessieren. Mit der werde ich wahrscheinlich das nächste Mal kommen. Ich hab zwar eine Konsole, also eine Wii, zu Hause, aber hier kann ich neue Spiele ausprobieren und entdecken, welche ich mir vielleicht dann auch kaufe."

Dieses Mal hat Karl "Rock Band" ausprobiert, ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem der Spieler mit dem rhythmischen Drücken verschiedener Tasten Musik macht. Ein völlig gewaltloses Spiel - denn mit diesem, immer wieder aufgeführten Vorurteil über Computer- und Videospiele kann die Computerspielschule Leipzig aufräumen: Gibt es ein interessantes Alternativangebot, sind brutale Actionspiele bei den Kindern und Jugendlichen nicht unbedingt am beliebtesten. Stephanie Grün:

""Ganz oft werden Autorennen gespielt. Weil man da einfach gut zusammen spielen kann, die sind sehr beliebt. Und dann Musikspiele, wie 'Guitar Hero' oder 'Rock Band'."

Nach anfänglichen Anlaufschwierigkeiten wenden sich immer mehr Eltern an die Leipziger Computerspielschule. Vor allem wollen sie wissen, um was es in den Spielen geht, die ihre Kinder faszinieren. "Wir haben mehr Menschen erreicht, als wir ursprünglich gedacht haben", ist das Fazit der Betreiber nach einem Jahr.

Die Idee, Medienkompetenz bei Computerspielen zu vermitteln, gibt die Computerspielschule auch mit Workshops oder Seminaren weiter. Bisher zu Gast waren schon komplette Lehrerkollegien von Schulen - auch eine Fachtagung für Politiker aus Kultur und Bildung hat die Computerspielschule bereits organisiert.