Mit der Bibel auf Reisen

Von Susanne Mack |
Auskünfte über Wechselkurse, Restaurants und Shoppingmeilen wird man in den „biblischen Reiseführern“ der Evangelischen Verlagsanstalt vergeblich suchen. Die Bände bieten dafür viel Hintergrundwissen für alle, die auf den Spuren von Propheten und Aposteln wandern wollen.
Damaskus, Syriens Hauptstadt – die Bibel kennt sie als den Ort einer wundersamen Verwandlung. Hier wird Saulus von Tarsus, jüdischer Offizier und Christenverfolger, durch eine Vision bekehrt, zu Paulus, dem Apostel Jesu Christi – und wenig später selbst zum Gejagten: die jüdischen Hohepriester trachten ihm nach dem Leben. Die Apostelgeschichte des Lukas berichtet über Paulus‘ abenteuerliche Flucht aus der Stadt:

„Da nahmen ihn seine Jünger bei der Nacht und ließen ihn in einem Korb über die Mauer hinab.“

„Es gibt heute eine Stadtmauer, die aus mittelalterlicher, islamischer Zeit stammt, aber wo die Archäologie zeigen kann, dass sie im Verlauf ziemlich genau identisch ist mit der römischen Stadtmauer. Dass heißt, wenn man diese heutige Stadtmauer sieht, kann man sich gut vorstellen: Das ist die Stadtmauer, die Paulus gekannt hat, wo diese Geschichte mit dem Korb stattgefunden hat. Wir kennen allerdings nicht den Ort, weil Paulus uns keine näheren Angaben dazu gibt. Es gibt heute eine Kirche, die in ein Stadttor gebaut worden ist, wo die Erinnerung an dieses Ereignis gefeiert wird. Aber da kann man ziemlich sicher sein, dass das nicht der Ort ist. Weil Paulus sicher nicht in der Nähe eines Stadttores über die Stadtmauer gegangen ist, sondern dort, wo es möglichst wenig aufgefallen ist.“

Andreas Feldtkeller, Professor für Religionswissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin und Autor des Bandes über Syrien, dem jüngsten aus der Reihe „biblische Reiseführer“. Ein Taschenbuch mit vielen Fotos, die die zahlreichen steinernen Zeugnisse der römischen Antike im Land zeigen: nicht nur Stadtmauern, auch Amphitheater, Kolonnadenstraßen und Göttertempel. Ein paar davon sind zu christlichen Kathedralen umgewidmet worden, nachdem das Christentum zur Staatsreligion der Römer avanciert war.

„Das ist ein in der Religionsgeschichte sehr verbreitetes Phänomen, dass die Plätze bleiben und nur die Deutungen wechseln.“

Leider muss man sich vorerst wohl mit der Betrachtung dieser imposanten Fotos begnügen – aufgrund der politischen Unruhen ist eine Reise durch Syrien gegenwärtig nicht zu empfehlen.

Stattdessen kann man, mit den biblischen Reiseführern in der Tasche, jene Landschaften erkunden, die Paulus durchstreifte, nachdem er aus Damaskus geflohen war. Zwei Bände gibt es über das Gebiet der heutigen Türkei und einen über Griechenland. Dort tauchen alle Lokalitäten auf, deren Namen man aus Paulus‘ Episteln kennt: Korinth und Galatien, Ephesos und Philippi, Kolossä und Thessaloniki, nur der Band über Rom steht noch aus.

Wer statt Paulus‘ Gemeinde-Gründungen lieber das Geburtsland Jesu kennenlernen möchte, dem sei der Band über Israel empfohlen. Aber auch der über Jordanien. Denn als Jesus mit seinen Jüngern von Galiäa aus den Weg nach Jerusalem nahm, so berichten die Evangelien, hat er Dörfer und Städte „diesseits und jenseits“ des Jordans besucht.

„Man konnte von Galiläa nach Jerusalem entweder durch Samaria gehen oder durch das Jordantal. Oder auch auf der Ostseite des Jordans.“

„Jenseits des Jordans“ meint das Ostufer des Flusses, es liegt heute auf jordanischem Gebiet. Glaubt man dem Evangelisten Johannes, so ist Jesus zu seiner Taufe am Ostufer in den Fluss gestiegen. Eine Wirkungsstätte des Täufers Johannes hat der jordanische Staat unlängst für den Tourismus erschlossen.

„Und hat dabei einen Platz eingerichtet, der speziell dafür gedacht ist, dass sich Menschen, die sich taufen lassen wollen im Jordan selbst, das auch heute durchführen können. Also, da ist der islamische Staat Jordanien durchaus so offen gegenüber dem christlichen Glauben, dass er sogar diesen Platz für die Durchführung von christlichen Taufen eingerichtet hat.“

Andreas Feldtkeller hat auch den Band über Jordanien verfasst, in diesem Land hat er mehrere Jahre gelebt.

Die biblischen Reiseführer interessieren sich nicht nur für die Geschichten aus dem Neuen Testament, sondern auch für die aus dem Alten. Zum Beispiel in dem Band über Ägypten, wo die Israeliten im zweiten Jahrtausend vor Christus zu einem Volk herangewachsen sind, laut Berichten der hebräischen Bibel jedenfalls. Historisch verbürgt ist davon wenig, nicht einmal, ob ihr Führer Moses tatsächlich gelebt hat. Über seinen Widersacher, Ramses II, und die Kultur seiner Zeit, gibt es indessen viel zu berichten.

Die Geschichten jüngeren Datums sind besser bezeugt. David, König von Israel, ist zweifellos eine historische Gestalt. Von ihm heißt es, er habe seinen Rivalen Uria beseitigen lassen, den Ehemann seiner Geliebten Bathseba. Uriah war einer von Davids Offizieren im Kriegsdienst gegen die Ammoniter.

„Stellt Uria dort hin, wo die Kampffront am härtesten ist und zieht Euch hinter ihm zurück, dass er getroffen wird und stirbt!“

Das war Davids Befehl an seinen Heerführer Joab, berichtet das 2. Buch Samuel der hebräischen Bibel. Wenig später fand Uriah den Tod bei der Belagerung von Amman, heute die Hauptstadt Jordaniens.

„Der Name der Stadt war damals Rabbat Ammon, die Stadt der Ammoniter. Und die ist von David, weil er den Willen hatte, die umliegenden Reiche zu erobern, belagert worden und dann auch erobert worden. Und während dieser Belagerung, wird erzählt, dass Uriah an der Stadtmauer gefallen sei.“

Andreas Feldtkellers Buch über Jordanien ist kein kommerzieller Reiseführer: Auskünfte über Wechselkurse, Restaurants und Shoppingmeilen wird man in diesem Buch genauso vergeblich suchen wie in den anderen biblischen Reiseführern auch.

Wer unterwegs ist, um biblischen Spuren zu folgen, dem sind diese Taschenbücher sicher nützliche Begleiter. Andere könnte das Reisefieber packen, sobald sie einen Blick diese reich bebilderten Bände werfen.


Service:

In der Reihe „biblische Reiseführer“ der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig sind bereits Bände zu Israel, Jordanien, West- und Osttürkei, Griechenland, Ägypten und Syrien erschienen. Geplant sind für Ende nächsten Jahres Bücher über Rom und Zypern.