Mit der Berliner S-Bahn hin und zurück

Von Wolf-Sören Treusch · 22.01.2009
Neben dem S-Bahnhof Alexanderplatz steht Berlins größtes Einkaufszentrum. Ein anderes riesiges Geschäftshaus befindet sich im Bau. Und er ist eigentlich auch schon ziemlich zugebaut, der Alexanderplatz in Berlins Mitte. Doch die vielen Bauzäune und der herum wirbelnde Staub lassen andere Schlüsse zu. Drei S-Bahn-Stationen entfernt liegt der neue Hauptbahnhof. Wer ins Freie tritt, wird von zwei unattraktiven Asphaltplätzen in Empfang genommen. Das soll nun anders werden.
Wer die Stellung des Menschen im Universum erfahren wolle, der brauche bloß auf den Alex zu gehen: nicht tot, nicht lebendig, irgendwie verloren fühle man sich dort, schrieb eine Journalistin vor nicht allzu langer Zeit über eine der Hauptattraktionen Berlins, den Alexanderplatz.

"Es ist etwas schwierig, auf den Alex zu kommen, überall wird gebaut, ich habe mich nämlich dahinten in die U-Bahn begeben, dann waren auf einmal Gitter überall, und dann musste ich also wieder zurück."

Erich John kommt nur selten vorbei. Vom Baulärm und dem umherwehenden Staub, den die Bagger in den vergangenen Jahren tonnenweise produziert haben, hat er sich lieber ferngehalten.

"Es ist eigenartig, wie sich alles hier verändert hat, der Platz ist viel enger geworden, viel vertraulicher, und weil wir gerade an der Uhr stehen, dadurch hat sie noch nie so gut gestanden wie jetzt."

Erich John ist der Erfinder der Weltzeituhr, eines der Wahrzeichen Berlins, das standhaft dem Bau-Boom um sich herum trotzt. Auf mehr als eine halbe Milliarde Euro beläuft sich die Investitionssumme, die Umgestaltung des Alexanderplatzes war und ist eines der größten Bauprojekte Berlins.

Aber nicht mit allem, was hier geschieht, ist Erich John einverstanden: den riesigen, rosafarbenen Kaufhauskomplex, der am Rande des Platzes entstanden ist, das "Alexa", findet er unmöglich.

"Ein Kuddelmuddel, ein Durcheinander, und das hat kein Langzeitniveau. Dieses Chaos, das dort entstanden ist, hat eigentlich mit Gestaltung nichts zu tun. Das ist Lärm, optischer Lärm. Was so laut ist, kann man nicht lange ertragen. Das ist immer das 'Ahh!', und dann ist es weg. Und dann steht es rum und belästigt."

Erich John ist in prominenter Gesellschaft. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit findet das "Alexa" und den gegenüberliegenden Neubau des US-Investors Hines, in den ein Elektroniksupermarkt hineinkommt, einfach nur "hässlich", die Gebäude wirkten wie Bunker, zur Straßenseite fehlten ihnen Fenster. Er hoffe, so etwas werde künftig nicht mehr genehmigt.

Regula Lüscher, Berlins oberste Bauherrin, trat ihr Amt erst nach Baubeginn an.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Vorgänger nicht das Bedürfnis hatte, an dieser Stelle einen herausragenden Bau hinzubekommen. Ich glaube aber auch und weiß das auch, dass gerade Einkaufszentren unglaublich schwierig zu planen sind in einem innerstädtischen Kontext. Wir Stadtplaner müssen sie geradezu zwingen, mit dem Umfeld zu kommunizieren, wir versuchen dann, dass die Erdgeschosse wenigstens befenstert sind, dass die auch ein Gesicht nach außen tragen. Aber es ist natürlich primär eine black box, die man einbinden muss in einen städtebaulichen Kontext."

Natürlich würde sie sich eine anspruchsvollere Architektur für ein Kaufhaus wie das "Alexa" wünschen, sagt die Senatsbaudirektorin, aber eine einheitliche Gestaltungssatzung mit festen Vorgaben für die Anzahl der Fenster oder Höhe der Gebäude, wie es sie beispielsweise für die Historische Mitte Berlins gibt, ist für einen Ort wie den Alexanderplatz nicht möglich.

"Da sind Bauten aus der DDR-Zeit, da gibt es Bauten aus der Nachkriegsmoderne, es gibt Bauten aber auch wie das Berolina-Haus oder das Alexander-Haus, das eine ganz andere Sprache spricht. Eine durchgehende Gestaltungssatzung hätte sich ja an einer der dort vorhandenen Sprachen orientieren müssen. Und ich bin aber überzeugt, dass der Alexanderplatz ein urbaner, fast metropolitaner Raum ist, gerade weil er auch diese Brüche hat, weil er Geschichte erzählt heraus aus den Brüchen."

Glück im Unglück: Weitere Einkaufscenter sind am Alex nicht geplant. Dafür aber noch jede Menge Hochhäuser. Wahnsinn! sagt einer der profiliertesten Architekturkritiker Berlins Dieter Hoffmann-Axthelm.

"Der Alexanderplatz ist doch immer der Arsch von Berlin gewesen. Und das nun zu Manhattan machen zu wollen, also praktisch zur Südspitze von Manhattan, das ist eine Wahnsinnsidee."

Die ehrgeizigen Hochhauspläne aus den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind zwar vom Tisch, aber für sieben so genannte Turmhochhäuser reicht es noch. Laut städtebaulichem Rahmenvertrag sollen sie spätestens ab 2013 realisiert werden, das Baurecht ist geschaffen. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer:

"Wenn in Berlin Hochhäuser entstehen können, wo, wenn nicht am Alexanderplatz. Und deshalb ist es richtig gewesen, hier städtebauliche Verträge zu machen, die es möglich machen, Hochhäuser zu bauen.

Man kann doch niemanden zwingen, ein solches Haus zu bauen, das wissen wir sehr wohl. Aber wir wollen diese Möglichkeit nicht verbauen. Und ich glaube, dass es richtig ist, dass wir darauf bestehen, dass da, wo gebaut wird, die Sockelgeschosse so gebaut werden, dass die Hochhäuser nach wie vor vielleicht in fünf oder zehn Jahren begonnen werden können."

Oder vielleicht sogar noch früher? Die städtebaulichen Verträge sehen vor, dass das Land Berlin und die privaten Grundstückseigentümer und Investoren gemeinsam die erforderlichen Voraussetzungen zur Umgestaltung des Alexanderplatzes schaffen. Auch deshalb wurde in den vergangenen Jahren hier so viel Bau-Staub aufgewirbelt: Straßen wurden verkleinert, Schienen verlegt, der Platz neu gepflastert. 8,7 Millionen Euro hat das Ganze gekostet. Eine Investition, die sich langsam auszahlt. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher.

"Es ist so, dass wir jetzt für vier Hochhäuser in konkreten Gesprächen sind - immerhin, das war vor einigen Jahren noch überhaupt nicht der Fall. Ich glaube eben, dass dieser Ort zuerst entstehen musste. Hochhäuser von 150 Meter sind eine Rieseninvestition.

Und es ist ein riesiges Risiko für die Investoren, weil man das nicht etappieren kann. Also wenn man A sagt, muss man B sagen, dann muss man das Ding auch umsetzen, und es muss dann auch vermietet werden. Und erst dann wird ein solches Investment stattfinden, und offensichtlich sind die Interessenten jetzt da, die bereit sind, an dem Ort größere Risiken einzugehen."

Vor allem das neue Pflaster auf dem Alexanderplatz war anfangs ein echter Hingucker: 50.000 Steinplatten aus hellem Granit gaben dem Platz einen Hauch mediterraner Lässigkeit.

Jetzt ist das Pflaster regelmäßig übersät von Tausenden schwarz eingefärbter, fest getretener, klebriger Kaugummis, auch der ein oder andere Fett- oder Ketchupfleck ist deutlich sichtbar. Das edle Baumaterial erweist sich als Luxusware mit kleinen, aber kostspieligen Schönheitsfehlern. Werner Schiffmann vom Bezirksamt Mitte:

"Jetzt hat die BSR Maschinen angeschafft, mit denen sie regelmäßige Reinigungsgänge macht, die aber sehr teuer sind: Also ein Reinigungsgang kostet etwa 10.000 bis 12.000 Euro, und die brauchen mehrere Tage dafür, um diesen Platz von den Kaugummis zu beseitigen.

Aber für mich ist das eine Frage an diejenigen, die diese Planung zu verantworten haben: Wieso ist so ein Bodenbelag dahin gekommen, der für solch eine intensive Nutzung zumindest aus meiner Sicht nicht geeignet ist."

Regula Lüscher: "Es gibt Dinge - und das ist einfach so, wenn man ein neues Amt übernimmt - die sind vor meiner Zeit geschehen."

Seit März 2007 ist Senatsbaudirektorin Lüscher im Amt. Wer Schuld an der Auswahl des empfindlichen Baumaterials trägt, findet sie nicht wichtig, sie setzt auf einen Mentalitätswandel der Nutzer.

"Ich glaube aber auch, dass immer wieder hochwertige Materialien, die eine gewisse Ausstrahlung, die eine gewisse Eleganz haben, dass die, wenn sie angenommen werden von der Bevölkerung, eigentlich auch geschont werden. Vielleicht hat man an diesem Ort auch darauf gezählt, dass dieser Platz, wenn er dann mal fertig gebaut ist, eine Ausstrahlung hat, die nicht so eine ruppige Benutzung zulassen.

Heute ist es noch Baustelle. Und heute spürt man das überhaupt nicht. Ich kann mir aber vorstellen, dass vielleicht in zehn, 15 Jahren dieser Ort ganz anders angenommen wird und die Bevölkerung auch etwas mehr Sorge trägt."

300.000 Menschen passieren täglich den Alexanderplatz. Er ist alles andere als gemütlich und elegant, er ist windig. Dennoch ist er gerade bei Touristen sehr beliebt. Im Umkreis von 500 Metern rund um den Alex werben derzeit elf Hotels jeglicher Preiskategorie um Gäste. In den nächsten Jahren sollen fünf weitere mit mehr als 1.000 Betten hinzukommen. Auch das ein Zeichen dafür, dass sich die Investitionen in die Infrastruktur lohnen.

Der Alex sei die "Stein gewordene Diskrepanz zwischen dem hippen Berlin und der Normalität ihrer Ureinwohner" schwärmte der "Spiegel". Zu denen, die sich für hipp halten, gehören inzwischen etwa 150 Jugendliche, die regelmäßig, vorzugsweise an Freitagabenden auf dem südwestlichen Teil des Alex, zwischen Fernsehturm und Neptunbrunnen Saufgelage feiern. Zum Ärger der Anwohner und der Touristen.

Seit Anfang des Jahres gilt für diesen Bereich ein Alkoholverbot. Werner Schiffmann vom Bezirksamt Mitte glaubt aber nicht, dass hier schon das letzte Wort gesprochen ist.

"Wenn ich so in die Geschichte blicke, dann war der Alexanderplatz nie fertig geworden, und insofern bin ich ein bisschen optimistisch, dass das so bleiben wird. Dass er immer so ein Provisorium bleibt, der sich weiter entwickelt, schöner wird, aber nie abgeschlossen und fertig sein wird.

Und ich sehe auch die Gefahr, dass der feine Tourismus bestimmte Plätze einnimmt und andere verdrängt. Aber ich denke, wir wollen darauf hin arbeiten, dass auch für die Jugendlichen ein Treffpunkt vor Ort möglich ist, wenn sie sich in gewissen Rahmenbedingungen bewegen und nicht solche Zustände auftreten, wie es im Augenblick noch der Fall ist."

Mit der S-Bahn braucht man vom Alexanderplatz exakt sechs Minuten zum Hauptbahnhof. Entlang der Trasse folgt ein Bauplatz dem nächsten: Auch 20 Jahre nach dem Fall der Mauer befindet sich Berlin im Bau-Boom.

"Nächste Station Hauptbahnhof. Übergang zum Regional- und Fernverkehr."

Als "Bahnhof des Jahres" wurde er 2007 ausgezeichnet, der Hauptbahnhof ist ohne Frage eine der Hauptattraktionen Berlins, die gläserne Dachkonstruktion mit den Bügelbauten eine der meist bestaunten architektonischen Leistungen in der Stadt.

Auch hier - wie am Alex - passieren 300.000 Menschen täglich den Ort, steigen ein, aus oder um, gehen shoppen oder genießen für viel Geld einen Latte Macchiato oder ein Spaghetti-Eis.

Doch wenn sie durch die riesigen Türen ins Freie treten, sehen sie … nichts. Oder zumindest fast nichts. Zwei unattraktive Asphaltplätze nehmen Berlins Gäste in Empfang.

"Insgesamt sind wir mit dem Bahnhof überhaupt nicht zufrieden, wir als Taxileute. Denn die Zufahrten, die Abfahrten sind ja viel zu schmal gehalten, zu eng gehalten, bei so einem riesigen Bahnhof müsste eine andere Regelung gefunden werden, das ist auch schon in der Innung bekannt, aber es passiert hier überhaupt nichts.

Genauso mit den Toiletten, mit dem Imbiss, Versorgung der Taxileute. Hie kommen ja 500 bis 600 Züge am Tag an. Und es halten sich bestimmt so 100 bis 200 Taxis auf alle Stunde. Und die können noch nicht einmal auf Toilette gehen. Da musste Eigeninitiative entwickelt werden, damit man sein Geschäft erledigen kann. Notdurft. Na, das ist ein Unternehmer gewesen, der hat aus eigenen Mitteln Telefon - äh, Telefonhäuschen sage ich schon - Toilettenhäuschen aufgebaut, damit die Taxileute hier ordentlich auf Toilette gehen können."

Illegal stand ein Dixi-Klo eine Zeit lang in der Nähe des Südeingangs, nun ist es wieder weg, eine dauerhafte Lösung gibt es bis heute nicht.

Wie ein Solitär liegt der Hauptbahnhof im fahlen Winterlicht. Und das, obwohl der Gegend am Rande des Regierungsviertels nach der Eröffnung des Bahnhofs vor knapp drei Jahren glänzende Vermarktungschancen attestiert worden waren.

Auf dem kleinsten der insgesamt neun Baufelder rund um den Hauptbahnhof wird seit drei Monaten endlich gebaut. Auf der Südseite, direkt am Glasdach, entsteht ein Low-Budget-Hotel.

Senatsbaudirektorin Regula Lüscher zeigt Verständnis für die Verzögerungen bei der Gesamtentwicklung des Areals. Es sei eine weitere Tiefgarage geplant, dazu die Hochbauten, das erfordere viel Abstimmungsbedarf. Die Termine, die in den städtebaulichen Verträgen festgeschrieben sind, seien immer noch realisierbar.

Regula Lüscher: "Ein solcher Stadtentwicklungsprozess, der anderenorts nicht auf einer totalen Brache stattfindet, der hinterlässt natürlich nicht so viele Zwischenzustände. Und hier ist man eigentlich gefordert auf einem Terrain, auf dem gar nichts war, alles ganz neu schaffen muss.

Und das bedeutet nicht, dass man Flächen hat, die fertig sind aus alten Zeiten, und dann kommt was neues, dann wechselt sich das nebeneinander ab. Sondern es ist einfach so: Das, was noch nicht umgesetzt ist, dort ist eigentlich Sandwüste. Und nicht Stadt, die schon vorher da war. Von daher ist es auch schwierig für die Bevölkerung, zu akzeptieren, dass das alles auch dauert."

Henrik Thomsen: "Nun, es ist sicherlich so, dass es in der allgemeinen Verkehrsanschauung so aussieht, als ob nichts passieren würde, aber ich kann Ihnen sagen: In unseren Büros passiert mit diesen Grundstücken sehr viel."

Henrik Thomsen ist Leiter der VIVICO Berlin, das ist der Projektentwickler, der rund um den Hauptbahnhof insgesamt sechs Häuser bauen will. Unter anderem drei Hotels unterschiedlicher Preiskategorie mit insgesamt 1000 Betten und ein Kongresszentrum. Die Gespräche mit den potenziellen Betreibern seien weit fortgeschritten, doch das hat Henrik Thomsen auch schon vor einem halben Jahr gesagt.

"Also jedes der Gebäude, die wir in der Architektur entwickeln, hat durchaus seinen Charme …"

Thomsen schwärmt statt Fakten sprechen zu lassen.

"… wo wir ein 5-Stern-plus-Hotel vorsehen werden, das ist am südlichen Ende des Quartiers, die Ecke liegt eben direkt gegenüber vom Bundeskanzleramt, insofern: Wenn man eine Terrasse macht, dann hat man einen der wunderbarsten Blicke über Berlin, die man sich vorstellen kann, sowohl über den Reichstag, das Kanzleramt als auch über die schönste Skyline Berlins, vom Norden gesehen Richtung Süden."

Jenseits der Gleise, auf der Nordseite des Hauptbahnhofs, plant der Projektentwickler Meermann-Chamartin ein weiteres Hotel mit 400 Betten samt Kongresszentrum …

Regula Lüscher: "''Ich persönlich frage mich auch immer wieder. Jedes Projekt, das bei mir auf dem Tisch landet, ist ein Hotelprojekt. Ich frage auch immer zurück: 'Ist der Bedarf noch da, ist der Markt vorhanden?' Offensichtlich ist das so.""

… doch auch hier erhält man über den Zeitpunkt des Baubeginns keine Auskunft: weder von den politisch Verantwortlichen noch vom Projektentwickler selbst.

Vielleicht schleppen sich die Vorbereitungen für die Neubauten dahin, weil auch das Land Berlin nicht so recht vorankommt beim Verkauf der Grundstücke rund um den Humboldthafen gleich neben dem Hauptbahnhof. Erst ein Baugrundstück ist verkauft, und der groß angekündigte Ausbau des Nordufers zu einem Kunstzentrum ist vorerst gescheitert.

Der Erwerber hier sollte nicht nur das Grundstück kaufen, sondern zusätzlich garantieren, ein privates Museum sowie eine öffentliche Kunsthalle zu errichten. Lediglich drei Investoren hatten sich an der Ausschreibung beteiligt, keiner von ihnen erfüllte die Bedingungen.

Die wahre städtebauliche Herausforderung des 21. Jahrhunderts stellt aber das geplante Stadtquartier nördlich des Hauptbahnhofs dar, auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs rund um die Heidestraße. 40 Hektar ist es groß, etwa doppelt so groß wie der Potsdamer Platz. Architekturkritiker und Stadtplaner Dieter Hoffmann-Axthelm:

"Bisher sind alle Generationen von Stadtplanern daran gescheitert. Die berühmtesten, die daran gescheitert sind, sind Schinkel und Lenné. Das war ja immer ein schwieriges Gelände, erstmal waren es Sandberge, irgendwelche Dünen, dann Pulvermühle, Exerzierplatz, dann wurde da das Gefängnis reingebaut, dann kam die Eisenbahn. Es war immer Chaos, und es ist nie gelungen, das irgendwie städtebaulich zu bändigen."

Jetzt versucht man es also wieder, ein städtebaulicher Masterplan soll helfen. Er ist die Grundlage für alle Bebauungspläne, die da kommen mögen. Etwa 2.000 hochwertige Wohnungen sind geplant, natürlich auch am Wasser, dazu viele Büros, Einzelhandel und Gewerbe. Am südlichen Zipfel des Areals soll der Kunst-Campus entstehen, schon jetzt haben sich hier hinter dem Museum für Gegenwartskunst im Hamburger Bahnhof Galeristen und Privatsammler niedergelassen.

Zum Beispiel Kristian Jarmuschek. Zusammen mit fünf weiteren Kunst-Pionieren stellt er seit Mai 2008 in der "Halle am Wasser" zeitgenössische Kunst aus. Eine zunächst absurde Idee, gibt er zu, die VIVICO, der auch dieses Gelände gehört, habe lange gebraucht, Gefallen an ihr zu finden. Doch jetzt ist die Freude groß.

"Die VIVICO war selber überrascht vom Verhältnis her, was sie hier investiert haben und was für eine Reaktion gekommen ist, mittlerweile weltweit. In der Kunstwelt gehen die Informationen rasend schnell von den Metropolen, von der einen zur anderen - dass man eben hier von der 'Halle am Wasser' wie von einer fest gesetzten Größe schon seit Jahren spricht, weil eben: Solche Räume gibt es in Berlin nicht. Das muss man ganz klar sagen, das ist einzigartig in Berlin, dass wir solch hohe und flexibel einsetzbare Räume für die Kunst haben."

Zehn Jahre läuft der Mietvertrag - eine so genannte Win-Win-Situation: Kristian Jarmuschek zahlt sehr viel weniger Miete für seine Galerie als beispielsweise rund um den Hackeschen Markt, wo er vorher war. Und der Projektentwickler kann der Realisierung des städtebaulichen Masterplans in aller Ruhe entgegen sehen, weil er seine Immobilie für einen längeren Zeitraum mit Gewinn vermietet hat.

Zehn Jahre - das bedeutet aber auch, genügend Zeit für grundlegende Weichenstellungen zu haben. Ob die Kunsthalle auf dem geplanten Kunst-Campus oder eben doch nebenan am Nordufer des Humboldt-Hafens auf dem Areal, das das Land Berlin vermarktet, entstehen soll, ist Kristian Jarmuschek egal. Wichtig ist, dass sie überhaupt kommt.

"Der Kunstmarkt der Zeitgenössischen Kunst wird allein den Galerien überlassen. Das kann man zwar machen. Aber wenn Berlin als Stadt dauerhaft etwas davon haben will - dass hier die Personen herkommen, die sich für Zeitgenössische Kunst interessieren, das sind ja sehr interessante, auch unter Investitionsgründen für Berlin -, dann müssen hier Orte geschaffen werden, die von der öffentlichen Hand bezahlt werden und die eben auch das Angebot erweitern."