Mit dem unbedingten Willen zum Geheimnisvollen
Verschwörungsfreunde haben jetzt ein neues Lieblingsbuch: das Judasevangelium, unter großem Medienecho vor einem Jahr der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein neuer Blick auf Judas – Monika Hauf geht dem in ihrem Buch nach, vom Neuen Testament selber bis hin zu Tiefenpsychologie und Gralslegende. Wobei vieles spektakulärer klingt, als es ist.
Dunkle Geheimnisse aus den Giftkellern der Kirche ziehen immer, das weiß man spätestens seit dem überwältigenden Erfolg der Thriller von Dan Brown. Eine besondere Fundgrube ist die Zeit der frühen Christenheit, denn in den ersten Jahrhunderten sind viele Texte entstanden, die es nicht in das „offizielle“ Neue Testament geschafft haben.
Nach dem Thomas-, dem Maria Magdalena- und diversen anderen Evangelien haben Verschwörungsfreunde jetzt ein neues Lieblingsbuch: das Judasevangelium, unter großem Medienecho vor einem Jahr der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein neuer Blick auf Judas – Monika Hauf geht dem nach, vom Neuen Testament selber bis hin zu Tiefenpsychologie und Gralslegende, in ihrem Buch „Judas Ischariot – Verräter oder Vertrauter?“
Wobei vieles spektakulärer klingt, als es ist. Die Bibel muss jedenfalls nicht umgeschrieben werden. Auch wenn die Aufregung beträchtlich war, als vor einem Jahr an Ostern der Text des Judasevangeliums vorgestellt wurde. Es klingt ja auch wie der Wunschtraum aller Verschwörungstheoretiker: Ausgerechnet Judas, der Gegner Jesu aus dem engsten Jüngerkreis wird rehabilitiert. Er ist der engste Vertraute Jesu, ihm erläutert Jesus seine Pläne – und ausgerechnet Judas hat die wichtigste Aufgabe. Er soll helfen, Jesus von seinem vergänglichen Erdenleib zu erlösen. Das Judasevangelium endet damit, dass Judas zu den Hohepriestern geht und Jesus verrät. Damit nehmen die Ereignisse ihren Lauf bis zu Jesu Tod am Kreuz.
Diese neue Perspektive öffnet, und das ist der Punkt, an dem die Autorin hauptsächlich interessiert ist, die Kirche für neue oder genauer alte, lange verdrängte Lehren: die so genannte Gnosis. Diese Denkrichtung betont den Zwiespalt zwischen Gut und Böse als leitendes Prinzip der Welt und verbindet das Böse mit dem Materiellen, das überwunden werden muss. Das ist das Grundmuster, das sich dann in verschiedensten Gruppen und Grüppchen manifestierte. Gnosis ist vereinbar mit christlichen Lehren, ist auch vor allem von Mystikern immer wieder aufgegriffen worden. Aber die entstehende Kirche des 2. und 3. Jahrhunderts bemühte sich, die Gnosis als Extremposition möglichst auszuschließen. So war auch das Judasevangelium schon aus abwertenden Kommentaren der Kirchenväter bekannt, ehe noch der wirkliche Text gefunden wurde.
Die Geschichte der verdrängten Gnosis aufzuarbeiten, ist eine spannende historische Frage, aber nicht eigentlich geheimnisvoll. Das ist das Problem des Judasevangeliums ebenso wie verschiedener anderer Texte, die es nicht in den offiziellen Kanon des Neuen Testaments geschafft haben: „Die Kirche“ habe diese aufrührerischen Evangelien „unterdrückt“, also müsse deren Inhalt die Kirche zittern lassen. Was sich meistens nicht bewahrheitet, das nur nebenbei.
Das Geheimnis muss dann in anderer Form in die Texte geraten. Und so vermutet Monika Hauf in ihrem Buch, dass es kein Zufall ist, dass das Judasevangelium gerade jetzt gefunden wurde. Denn auch heute sei die Bindekraft der offiziellen Religion schwach und die Menschen bereit für eine neue, mehr in die Tiefe gehende Lehre, eben die Gnosis.
Das Judasevangelium gehe da sogar nicht weit genug, es konzentriere sich nur auf die Person Judas, nicht auf seine Funktion im übergeordneten Heilsplan. Aber vielleicht, so spekuliert sie, liegt das ja daran, dass 10 bis 15 Prozent des Textes verloren gegangen sind. Mit dieser Lücke arbeitet die Autorin sehr großzügig. Und auch wenn sie klugerweise nicht bis zum Äußersten geht, es ist doch klar, wen sie als Schuldigen für die Lücke sieht: die Kirche, die alles entfernt hat, was ihr missliebig sein könnte. Vielleicht in den Kämpfen des 2. Jahrhunderts, vielleicht aber auch in den wenigen Jahren, in denen der Text zwischen Entdeckung und öffentlicher Vorstellung in einem Schweizer Bankschließfach lag. Da deutet die Autorin vielsagend dunkle Vorgänge an.
Monika Hauf unternimmt in ihrem Buch einen durchaus interessanten Gang durch das Neue Testament und die frühe Kirchengeschichte. Sie vergleicht die abweichenden Überlieferungen, sie stellt das Umfeld der Auseinandersetzung um gültigen Text und Dogmen dar, sie gibt eine kurze Einführung in die Gnosis – das ist alles gut zu lesen und wirft ein interessantes Licht auf Judas, der dafür büßen musste, dass er die unangenehmste Aufgabe im Erlösungsgeschehen übernahm. Auch der Vergleich mit Jungschen Archetypen ist anregend.
Aber daneben durchweht das Buch der unbedingte Wille zum Geheimnisvollen. Er zeigt sich schon auf der sprachlichen Ebene in einem lästigen System von Verweisen innerhalb des Textes, die eine Tiefe der Argumente meist eben nur simulieren. Und der Gang von Judas über verschiedene Gralslegenden, den Jakobsweg, Merowingerkönig Donald II. und die Geheimgesellschaft der Prieuré de Sion, bekannt aus den Büchern von Dan Brown, bis dann auf Seite 211 auch noch die Templer aufreiten – das ist eher aberwitzig, bestenfalls unterhaltend.
Ein Problem hat das Buch, das modernen Copyright-Gebräuchen geschuldet ist: den eigentlichen Text des Judasevangeliums durfte die Autorin nicht abdrucken, den muss sich der Leser aus dem Internet besorgen.
Rezensiert von Kirsten Dietrich
Monika Hauf: Judas Ischariot – Verräter oder Vertrauter? Die Hintergründe zum neu entdeckten Judasevangelium
Herbig Verlag, München 2007
256 Seiten, 19,90 Euro
Nach dem Thomas-, dem Maria Magdalena- und diversen anderen Evangelien haben Verschwörungsfreunde jetzt ein neues Lieblingsbuch: das Judasevangelium, unter großem Medienecho vor einem Jahr der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein neuer Blick auf Judas – Monika Hauf geht dem nach, vom Neuen Testament selber bis hin zu Tiefenpsychologie und Gralslegende, in ihrem Buch „Judas Ischariot – Verräter oder Vertrauter?“
Wobei vieles spektakulärer klingt, als es ist. Die Bibel muss jedenfalls nicht umgeschrieben werden. Auch wenn die Aufregung beträchtlich war, als vor einem Jahr an Ostern der Text des Judasevangeliums vorgestellt wurde. Es klingt ja auch wie der Wunschtraum aller Verschwörungstheoretiker: Ausgerechnet Judas, der Gegner Jesu aus dem engsten Jüngerkreis wird rehabilitiert. Er ist der engste Vertraute Jesu, ihm erläutert Jesus seine Pläne – und ausgerechnet Judas hat die wichtigste Aufgabe. Er soll helfen, Jesus von seinem vergänglichen Erdenleib zu erlösen. Das Judasevangelium endet damit, dass Judas zu den Hohepriestern geht und Jesus verrät. Damit nehmen die Ereignisse ihren Lauf bis zu Jesu Tod am Kreuz.
Diese neue Perspektive öffnet, und das ist der Punkt, an dem die Autorin hauptsächlich interessiert ist, die Kirche für neue oder genauer alte, lange verdrängte Lehren: die so genannte Gnosis. Diese Denkrichtung betont den Zwiespalt zwischen Gut und Böse als leitendes Prinzip der Welt und verbindet das Böse mit dem Materiellen, das überwunden werden muss. Das ist das Grundmuster, das sich dann in verschiedensten Gruppen und Grüppchen manifestierte. Gnosis ist vereinbar mit christlichen Lehren, ist auch vor allem von Mystikern immer wieder aufgegriffen worden. Aber die entstehende Kirche des 2. und 3. Jahrhunderts bemühte sich, die Gnosis als Extremposition möglichst auszuschließen. So war auch das Judasevangelium schon aus abwertenden Kommentaren der Kirchenväter bekannt, ehe noch der wirkliche Text gefunden wurde.
Die Geschichte der verdrängten Gnosis aufzuarbeiten, ist eine spannende historische Frage, aber nicht eigentlich geheimnisvoll. Das ist das Problem des Judasevangeliums ebenso wie verschiedener anderer Texte, die es nicht in den offiziellen Kanon des Neuen Testaments geschafft haben: „Die Kirche“ habe diese aufrührerischen Evangelien „unterdrückt“, also müsse deren Inhalt die Kirche zittern lassen. Was sich meistens nicht bewahrheitet, das nur nebenbei.
Das Geheimnis muss dann in anderer Form in die Texte geraten. Und so vermutet Monika Hauf in ihrem Buch, dass es kein Zufall ist, dass das Judasevangelium gerade jetzt gefunden wurde. Denn auch heute sei die Bindekraft der offiziellen Religion schwach und die Menschen bereit für eine neue, mehr in die Tiefe gehende Lehre, eben die Gnosis.
Das Judasevangelium gehe da sogar nicht weit genug, es konzentriere sich nur auf die Person Judas, nicht auf seine Funktion im übergeordneten Heilsplan. Aber vielleicht, so spekuliert sie, liegt das ja daran, dass 10 bis 15 Prozent des Textes verloren gegangen sind. Mit dieser Lücke arbeitet die Autorin sehr großzügig. Und auch wenn sie klugerweise nicht bis zum Äußersten geht, es ist doch klar, wen sie als Schuldigen für die Lücke sieht: die Kirche, die alles entfernt hat, was ihr missliebig sein könnte. Vielleicht in den Kämpfen des 2. Jahrhunderts, vielleicht aber auch in den wenigen Jahren, in denen der Text zwischen Entdeckung und öffentlicher Vorstellung in einem Schweizer Bankschließfach lag. Da deutet die Autorin vielsagend dunkle Vorgänge an.
Monika Hauf unternimmt in ihrem Buch einen durchaus interessanten Gang durch das Neue Testament und die frühe Kirchengeschichte. Sie vergleicht die abweichenden Überlieferungen, sie stellt das Umfeld der Auseinandersetzung um gültigen Text und Dogmen dar, sie gibt eine kurze Einführung in die Gnosis – das ist alles gut zu lesen und wirft ein interessantes Licht auf Judas, der dafür büßen musste, dass er die unangenehmste Aufgabe im Erlösungsgeschehen übernahm. Auch der Vergleich mit Jungschen Archetypen ist anregend.
Aber daneben durchweht das Buch der unbedingte Wille zum Geheimnisvollen. Er zeigt sich schon auf der sprachlichen Ebene in einem lästigen System von Verweisen innerhalb des Textes, die eine Tiefe der Argumente meist eben nur simulieren. Und der Gang von Judas über verschiedene Gralslegenden, den Jakobsweg, Merowingerkönig Donald II. und die Geheimgesellschaft der Prieuré de Sion, bekannt aus den Büchern von Dan Brown, bis dann auf Seite 211 auch noch die Templer aufreiten – das ist eher aberwitzig, bestenfalls unterhaltend.
Ein Problem hat das Buch, das modernen Copyright-Gebräuchen geschuldet ist: den eigentlichen Text des Judasevangeliums durfte die Autorin nicht abdrucken, den muss sich der Leser aus dem Internet besorgen.
Rezensiert von Kirsten Dietrich
Monika Hauf: Judas Ischariot – Verräter oder Vertrauter? Die Hintergründe zum neu entdeckten Judasevangelium
Herbig Verlag, München 2007
256 Seiten, 19,90 Euro