Mit dem Ohr immer am Wasser

Von Kristin Hendinger |
Steine können verblüffende Töne von sich geben, vor allem unter Wasser. Heinz Barth aus Halle an der Saale hat dieses Phänomen entdeckt und daraus ein Kunstprojekt geschaffen. "Aquäkustik - Singende Steine" nennt er seine im Wasser geräuschvoll atmenden Objekte.
Es hört sich an, als greifen kleine Zahnräder ineinander. Da ist dieses ferne Brummen. Es stöhnt, kratzt oder erzeugt Töne, die aus einer Maultrommel erklingen könnten. Doch es sind Steine, die diese Sounds erzeugen. Steine, die im Wasser liegen. Entdeckt hat diese Sounds der Hallenser Heinz Barth. Seine Erfindung nennt er Aquäkustik.

"Aquäkustik ist eine Form … Kunst zu machen. Es ist ein Phänomen... und das Phänomen setzt sich sozusagen mit Materialien, die im Wasser klingen auseinander. Das ist Strömungsmechanik und basiert darauf, dass ein Objekt, Material in der Lage ist, Wasser aufzunehmen und dieses Wasser hat die Kraft, die Objekt innewohnende Luft herauszudrücken und dabei entstehen Klänge, also Schallwellen und diese sind hochinteressant."

Heinz Barth ist von Haus aus weder Sounddesigner noch Klangforscher. Er arbeitet als Lehrer für Kunsterziehung an einer Schule für blinde und sehbehinderte Kinder. Von ihnen lässt sich der 50-Jährige gern künstlerisch inspirieren. Gemeinsam mit Schülern baute er vor Jahren Objekte aus Lehm und Ziegelbruch. Kleine Ziegel und Steinschutt legten sie zuerst ins Wasser, dann wurde das Material bearbeitet. Dabei entdeckten Lehrer und Schüler einen neuen Sound – den Klang der Steine.

"Wir machten das zum ersten Mal und ich hab beobachtet, dass ein blinder Schüler nichts tat, scheinbar nichts tat. Ich hab ihn dann gefragt, wieso er nichts macht und er sagte dann aber, ich hör mir die Steine an. Er legte sein Ohr an die Wasserschüssel und warf einen Stein nach dem anderen rein…"

Der Mann mit den wachen grauen Augen und dem leicht schütteren Haar wird neugierig. Er sammelt Steine, wirft sie ins Wasser, lauscht den Tönen, die sie erzeugen. Weil es mit dem bloßen Gehör nicht besonders gut funktioniert, nimmt er ein Stethoskop zu Hilfe. Die Stöpsel im Ohr, die Membran unter Wasser entsteht eine Steinfonie, eine Collage aus Sounds von Ziegelbruchstücken.

Im Leben von Heinz Barth geben nicht nur die Steine den Ton an. In seiner Freizeit schauspielert er.

"Ja das hab ich als Kind schon gemacht. Ich hab alles Mögliche nachgespielt als Kind. In verschiedene Rollen zu schlüpfen, das ist angeboren, mein Vater spielte auch Theater und ich mach das bis heute."

In den 80er Jahren studiert Heinz Barth in Berlin Pädagogik. Dort schauspielert er nicht selbst, sondern genießt Abend für Abend als Zuschauer die Theaterwelt der Metropole. Nach der Ausbildung, beruflich in Halle an der Saale angekommen, trifft er die Regisseurin Anna Sigmund Schultze. Seit 15 Jahren arbeiten die beiden nun zusammen. Ihre Spielstätte ist das freie Theater Varomodie in Halle. Hier finden sich Schauspieler, Sprecherzieher, Kunst- und Theaterpädagogen zusammen. Sie spielen Stücke von Brecht, Heiner Müller oder Heiteres wie in diesem Sommer die Musketiere. Als Kardinal Richelieu intrigierte Heinz Barth gegen die berühmten Kühnen.

"Ich muss allerdings sagen, ich muss immer die bösen Rollen spielen. Das ist einerseits auch richtig schön, aber ich würde gern mal einen schönen Prinzen spielen und eine schöne Prinzessin heiraten."

Was ihm nie vergönnt war und wofür es vielleicht auch zu spät ist. Das Theater ist trotzdem seine zweite Haut. Publikum und Applaus müssen im Leben sein. Dafür probt er oft intensiv. Seine Frau und sein Sohn stehen hinter ihm. Zusammen wohnen sie in einer Altbauwohnung im Gründerzeitstil mit großen bunten Räumen. Seine singenden Steine drapiert Heinz Barth auf dem Klavier oder lagert sie kiloweise in einer Truhe.

Er sammelt Steine, wo er geht und steht. Im Urlaub lässt er keinen Kreidefelsen links liegen, kann an keiner Baustellengrube einfach vorbei gehen. Mitunter gestaltet er die Klangkörper zusammen mit seinem Sohn Balduin sogar selbst. Aus verschiedenen Lehmarten kneten sie große und kleine Formen, spielen mit Hohlräumen, Ecken und Kanten. Diese Steine nennt Heinz Barth Tontaucher.

"Und die klingen eben auch wirklich immer anders. Das ist faszinierend. Das ist wie 'ne Sucht."

Für Aquäkustik-Versuche und Vorführungen vor Publikum wählt er die Stücke genau aus. Aus einem Köfferchen holt er dann Gefundes und Selbstgeformtes. Das Erodieren der Steine im Wasser verfolgt das Publikum entweder über Lautsprecher oder via Stethoskop. Warum jeder Stein anders atmet, weiß keiner. Vermutlich liegt das an den Poren, also der Größe und Anzahl der Hohlräume im Lehm bzw. Ziegelbruch. Sowohl einströmende als auch ausströmende Luft könnten die Sounds erzeugen. Je nach Region aus der das Material stammt, klingt es anders. Damit spielt der Steinesammler gern vor Publikum.

"Das ist sehr lustig, wenn man dann vor dem Publikum steht und sagt beispielsweise Ziegelbruch Ostvorpommern oder bretonische Küste, Kreide. Das erzeugt eine phänomenale Stimmung im Raum und man hört wirklich nur diese Steine. Die Leute sind ergriffen."