"Mister Katzeklo" wird 50
Wegen seiner faltenreichen Grimassen sieht Helge Schneider zwar lange schon so aus, als wäre er ziemlich alt, aber der Kultkomiker wird am Dienstag erst 50. Berühmt wurde er mit seinem Gaga-Schlager "Katzeklo" und mit seinen brikettdicken Plateausohlen. Aber Helge Schneider ist mehr als ein Quatschmacher, nämlich ein Gesamtkunstwerk.
Musik: "Katzeklo"
Der Blödelsong klebt an Helge Schneider wie ein Etikett - und er wird es nicht los. Kalkulierter Schwachsinn und zum Stil erhobenes, mit musikalischer Virtuosität gepaartes Dilettantentum brachten ihm in den 90er Jahren phänomenalen Erfolg.
"Katzeklo"
Zu Gute kam Helge Schneider: Alles was schräg und schrill war, verkaufte sich gut. Heute ist die Spaßgesellschaft ein Witz von gestern. Aber Helge Schneider ist immer noch da.
"Ich gehörte nie zur Spaßgesellschaft. Und auch wenn ich als Entdecker der Spaßgesellschaft falsch verstanden wurde manchmal, dann ist mir das ja auch völlig egal. (...) Also ich möchte schon Spaß haben, vor allem jetzt, wenn ich älter werde. Das sag ich manchmal auch meinen Leuten - ich will jetzt nicht gestresst sein, ich möchte Spaß haben, aber der Begriff Spaßgesellschaft - das ist ja was anderes. Das ist ja so ein Wurm, der erfunden wurde. (...) Also ich bin ja kein Klon, ich bin ja Clown."
Helge Schneiders Humor ist weder billig noch kindisch, sondern naiv-subversiv. Heute ist Helge Schneider 50 - und damit der wahrscheinlich älteste Kindskopf Deutschlands. Aber mit dem Alter hat er kein Problem:
"Ich wollte ja als Kind schon immer ganz alt sein, um meine Arbeit machen zu können, auf der Bühne. Je älter, umso besser wirkt das ja. Umso lebensbejahender auch. (...) Ich wollte immer alt sein."
Über die Güte von Helge Schneiders Schlagern, Jazzimprovisationen, Büchern und Filmen kann man streiten. Das Multitalent mit den schlecht sitzenden Anzügen und peinlichen Perücken spaltet die Kritikergarde. Wo die einen genervt den Untergang der Kultur nahen sehen, huldigen die anderen einem "Titan des Tiefsinns im Trivialen" - so die "Süddeutsche Zeitung".
In seinem jüngsten Film überrascht der Komiker mit düsteren Bildern und Statements zur Lage der Nation. "Jazzclub - Der frühe Vogel fängt den Wurm" handelt von Randexistenzen in Schneiders Ruhrpottheimat Mülheim, von Menschen, die fünf Jobs gleichzeitig machen oder die auf der Straße leben. Ein Trost: Am Lagerfeuer der Obdachlosen geht es in diesem Film immer noch gemütlicher zu als sonst in Deutschland. Helge-Schneider-Fans waren irritiert, seine Kritiker schöpften Hoffnung: Ist jetzt Schluss mit lustig?
"Das hat damit nichts zu tun. Es ist nur eine genaue Studie über das Leben heutzutage auch irgendwie. Viele Leute haben kein Geld und müssen irgendwie arbeiten, oder sitzen rum und kriegen keine Arbeit. Das ist einfach so, das ist einfach eine Beäugung des täglichen Lebens."
Auch Helge Schneider muss immer weiter arbeiten, schließlich hat er Frau und Kinder. Nach einer anarchischen Autobiografie und mehreren Kommissar-Schneider-Krimis ist jetzt sein achtes Buch auf den Markt: "Globus Die" - ein Reiseroman. Helge Schneider ist einmal um die ganze Welt marschiert – im Geiste.
"Reisen bildet, ja. Zuhause bleiben bildet auch..."
... sagt Helge Schneider in Mülheim in seinem billig möblierten Büro, wo es wegen der Fischimbissbude im Erdgeschoss ein wenig nach See riecht. Dem graubärtigen Mann fallen lange, dürre Haarsträhnen ins Gesicht. Die Umrundung des Globus habe ihm einige Erleuchtung gebracht, beteuert er, "dank der 15-Watt-Birne im Innern". Aber wie bereitet man sich auf so eine Expedition vor? Die gefühlten Temperaturen beim Schreiben über den Nordpol müssen eiskalt sein, oder?
"Au ja, da muss man sich abhärten, in einer Tiefkühltruhe zum Beispiel mal so einen Nachmittag verbringen, und dann heißen Tee trinken, damit der Temperaturunterschied noch größer ist zwischen Magen und Außentemperatur. Da muss man sich körperlich drauf einstellen natürlich – immer nur in Unterhose im Winter spazieren gehen, nicht rennen, ganz lange am Fleck stehen bleiben... Ja, solche Sachen muss man da machen."
Mentale Abhärtung ist auch vor dem Lesen von "Globus Die" bitter nötig. Denn der Leser muss mit Helge Schneider im Kaukasus kraxeln, durch die marokkanische Wüste wandern und er begegnet einem Bären in Kanada, der eine Müllkippe als Touristenfalle eingerichtet hat. Hinzu kommt noch die ewige Einsamkeit und damit einhergehende Grübelei. Eine Kostprobe aus dem Buch:
"Ich hatte, als ich wegfuhr, die glorreiche Idee gehabt, damit ich in der Eiswüste nicht so einsam wäre, mir eine Topfpflanze mitzunehmen. Sie hatte ihren Platz im oberen Teil meines Rucksacks, zusammen mit den Mickymausheften, die ich leider, wie sich später herausstellte, alle schon durch hatte. Aber in der Wildnis vergisst man vollkommen zu lesen. Man ist dermaßen von der Natur überwältigt, dass man gar nicht an Bücher denkt. Höchstens an sein Scheckbuch, denn so eine Reise ist echt teuer. Ich kann jedem, der so eine Reise machen will, total davon abraten."
Auf richtiges Reisen habe er zwar Lust, versichert Helge Schneider, am liebsten überall hin, aber es mangele ihm die Zeit dafür. Kein Wunder, wenn man komische Krimis wie am Fließband schreibt, Arztfilmparodien dreht, schauspielert, Musik komponiert und ständig mit neuen Bühnenshows auf Achse ist. Bevor er zur Kultfigur wurde, hatte Helge Schneider schon eine Ochsentour hinter sich: Das Gymnasium nach der neunten Klasse abgebrochen, die Bauzeichnerlehre nach dem ersten Jahr - für ein Musikstudium am Duisburger Konservatorium. Parallel dazu jobbte Schneider als Straßenfeger, Fließbandarbeiter, Tierpfleger. Das Studium schmiss er hin, und tingelte fortan als Jazzpianist, Trompeter, Sänger und Akkordeonspieler durch die westfälische Provinz.
Ausschnitt Programm "Guten Tach"
Tausende Auftritte als Alleinunterhalter und ein paar Förderpreise markierten den Weg einer Karriere, die laut Zeitungszitat aus der "ZEIT" zum Aufstieg "vom Mülheimer Quatschmatador zum bundesdeutschen Gaga-Champion" führte und Helge Schneider zum "Meister der versandenden Pointe" werden ließ. Auf der Bühne gibt der schmächtige Typ verschrobene Alltagsgeschichten zum Besten. Er philosophiert über Pubertätspickel, die Evolution des Schachtelhalms oder förstermordende Wildschweine.
Ausschnitt Bühnenprogramm "Flora und Fauna"
Für manche ist Schneider der letzte Dadaist. Aber wie ist es möglich, in einer sinnentleerten Welt ein Sinnzertrümmerer zu sein?
"Ich empfinde mich überhaupt nicht als Dadaist. (...) Ich bin einer, der Sinn sucht und Sinn findet, auf Zufall. (...) Alles, was ich mache, kann ich mir eigentlich nachher so zurechtreden, dass es doch einen Sinn hat. (...) Ich finde auch den Begriff Blödsinn nicht richtig. Unsinn finde ich gut. (...) Also Sinn ist ja etwas, das hat schon mit DIN-Normen zu tun, das hat Sinn. Aber das ist nicht meine Definition. Meine Definition ist eben nicht DIN-Norm, sondern was anderes, es hat einen anderen Sinn. Oder vielleicht auch - für den, der den normalen Sinn als rechtmäßig empfindet - ist das dann Unsinn. Aber es ist nicht Blödsinn. Blödsinn ist abwertend."
Wahrscheinlich ist Helge Schneider so etwas wie ein moderner Hofnarr. Fest steht: Schneider bietet keine gefällige Unterhaltung, sondern lebt als extreme Kunstfigur sich selbst aus. Sein fiktiver Reiseroman "Globus Die" ist mit wundersamen Grau-weiß-Fotos illustriert – die machen so richtig Lust aufs Zuhausebleiben. Doch Helge Schneider muss schon wieder los. Seine neue Tour startet am Samstag. Von der schnöden Welt verabschiedet er sich langsam und strebt in die Höh: "Kampf im Weltall" heißt das neue Programm.
Der Blödelsong klebt an Helge Schneider wie ein Etikett - und er wird es nicht los. Kalkulierter Schwachsinn und zum Stil erhobenes, mit musikalischer Virtuosität gepaartes Dilettantentum brachten ihm in den 90er Jahren phänomenalen Erfolg.
"Katzeklo"
Zu Gute kam Helge Schneider: Alles was schräg und schrill war, verkaufte sich gut. Heute ist die Spaßgesellschaft ein Witz von gestern. Aber Helge Schneider ist immer noch da.
"Ich gehörte nie zur Spaßgesellschaft. Und auch wenn ich als Entdecker der Spaßgesellschaft falsch verstanden wurde manchmal, dann ist mir das ja auch völlig egal. (...) Also ich möchte schon Spaß haben, vor allem jetzt, wenn ich älter werde. Das sag ich manchmal auch meinen Leuten - ich will jetzt nicht gestresst sein, ich möchte Spaß haben, aber der Begriff Spaßgesellschaft - das ist ja was anderes. Das ist ja so ein Wurm, der erfunden wurde. (...) Also ich bin ja kein Klon, ich bin ja Clown."
Helge Schneiders Humor ist weder billig noch kindisch, sondern naiv-subversiv. Heute ist Helge Schneider 50 - und damit der wahrscheinlich älteste Kindskopf Deutschlands. Aber mit dem Alter hat er kein Problem:
"Ich wollte ja als Kind schon immer ganz alt sein, um meine Arbeit machen zu können, auf der Bühne. Je älter, umso besser wirkt das ja. Umso lebensbejahender auch. (...) Ich wollte immer alt sein."
Über die Güte von Helge Schneiders Schlagern, Jazzimprovisationen, Büchern und Filmen kann man streiten. Das Multitalent mit den schlecht sitzenden Anzügen und peinlichen Perücken spaltet die Kritikergarde. Wo die einen genervt den Untergang der Kultur nahen sehen, huldigen die anderen einem "Titan des Tiefsinns im Trivialen" - so die "Süddeutsche Zeitung".
In seinem jüngsten Film überrascht der Komiker mit düsteren Bildern und Statements zur Lage der Nation. "Jazzclub - Der frühe Vogel fängt den Wurm" handelt von Randexistenzen in Schneiders Ruhrpottheimat Mülheim, von Menschen, die fünf Jobs gleichzeitig machen oder die auf der Straße leben. Ein Trost: Am Lagerfeuer der Obdachlosen geht es in diesem Film immer noch gemütlicher zu als sonst in Deutschland. Helge-Schneider-Fans waren irritiert, seine Kritiker schöpften Hoffnung: Ist jetzt Schluss mit lustig?
"Das hat damit nichts zu tun. Es ist nur eine genaue Studie über das Leben heutzutage auch irgendwie. Viele Leute haben kein Geld und müssen irgendwie arbeiten, oder sitzen rum und kriegen keine Arbeit. Das ist einfach so, das ist einfach eine Beäugung des täglichen Lebens."
Auch Helge Schneider muss immer weiter arbeiten, schließlich hat er Frau und Kinder. Nach einer anarchischen Autobiografie und mehreren Kommissar-Schneider-Krimis ist jetzt sein achtes Buch auf den Markt: "Globus Die" - ein Reiseroman. Helge Schneider ist einmal um die ganze Welt marschiert – im Geiste.
"Reisen bildet, ja. Zuhause bleiben bildet auch..."
... sagt Helge Schneider in Mülheim in seinem billig möblierten Büro, wo es wegen der Fischimbissbude im Erdgeschoss ein wenig nach See riecht. Dem graubärtigen Mann fallen lange, dürre Haarsträhnen ins Gesicht. Die Umrundung des Globus habe ihm einige Erleuchtung gebracht, beteuert er, "dank der 15-Watt-Birne im Innern". Aber wie bereitet man sich auf so eine Expedition vor? Die gefühlten Temperaturen beim Schreiben über den Nordpol müssen eiskalt sein, oder?
"Au ja, da muss man sich abhärten, in einer Tiefkühltruhe zum Beispiel mal so einen Nachmittag verbringen, und dann heißen Tee trinken, damit der Temperaturunterschied noch größer ist zwischen Magen und Außentemperatur. Da muss man sich körperlich drauf einstellen natürlich – immer nur in Unterhose im Winter spazieren gehen, nicht rennen, ganz lange am Fleck stehen bleiben... Ja, solche Sachen muss man da machen."
Mentale Abhärtung ist auch vor dem Lesen von "Globus Die" bitter nötig. Denn der Leser muss mit Helge Schneider im Kaukasus kraxeln, durch die marokkanische Wüste wandern und er begegnet einem Bären in Kanada, der eine Müllkippe als Touristenfalle eingerichtet hat. Hinzu kommt noch die ewige Einsamkeit und damit einhergehende Grübelei. Eine Kostprobe aus dem Buch:
"Ich hatte, als ich wegfuhr, die glorreiche Idee gehabt, damit ich in der Eiswüste nicht so einsam wäre, mir eine Topfpflanze mitzunehmen. Sie hatte ihren Platz im oberen Teil meines Rucksacks, zusammen mit den Mickymausheften, die ich leider, wie sich später herausstellte, alle schon durch hatte. Aber in der Wildnis vergisst man vollkommen zu lesen. Man ist dermaßen von der Natur überwältigt, dass man gar nicht an Bücher denkt. Höchstens an sein Scheckbuch, denn so eine Reise ist echt teuer. Ich kann jedem, der so eine Reise machen will, total davon abraten."
Auf richtiges Reisen habe er zwar Lust, versichert Helge Schneider, am liebsten überall hin, aber es mangele ihm die Zeit dafür. Kein Wunder, wenn man komische Krimis wie am Fließband schreibt, Arztfilmparodien dreht, schauspielert, Musik komponiert und ständig mit neuen Bühnenshows auf Achse ist. Bevor er zur Kultfigur wurde, hatte Helge Schneider schon eine Ochsentour hinter sich: Das Gymnasium nach der neunten Klasse abgebrochen, die Bauzeichnerlehre nach dem ersten Jahr - für ein Musikstudium am Duisburger Konservatorium. Parallel dazu jobbte Schneider als Straßenfeger, Fließbandarbeiter, Tierpfleger. Das Studium schmiss er hin, und tingelte fortan als Jazzpianist, Trompeter, Sänger und Akkordeonspieler durch die westfälische Provinz.
Ausschnitt Programm "Guten Tach"
Tausende Auftritte als Alleinunterhalter und ein paar Förderpreise markierten den Weg einer Karriere, die laut Zeitungszitat aus der "ZEIT" zum Aufstieg "vom Mülheimer Quatschmatador zum bundesdeutschen Gaga-Champion" führte und Helge Schneider zum "Meister der versandenden Pointe" werden ließ. Auf der Bühne gibt der schmächtige Typ verschrobene Alltagsgeschichten zum Besten. Er philosophiert über Pubertätspickel, die Evolution des Schachtelhalms oder förstermordende Wildschweine.
Ausschnitt Bühnenprogramm "Flora und Fauna"
Für manche ist Schneider der letzte Dadaist. Aber wie ist es möglich, in einer sinnentleerten Welt ein Sinnzertrümmerer zu sein?
"Ich empfinde mich überhaupt nicht als Dadaist. (...) Ich bin einer, der Sinn sucht und Sinn findet, auf Zufall. (...) Alles, was ich mache, kann ich mir eigentlich nachher so zurechtreden, dass es doch einen Sinn hat. (...) Ich finde auch den Begriff Blödsinn nicht richtig. Unsinn finde ich gut. (...) Also Sinn ist ja etwas, das hat schon mit DIN-Normen zu tun, das hat Sinn. Aber das ist nicht meine Definition. Meine Definition ist eben nicht DIN-Norm, sondern was anderes, es hat einen anderen Sinn. Oder vielleicht auch - für den, der den normalen Sinn als rechtmäßig empfindet - ist das dann Unsinn. Aber es ist nicht Blödsinn. Blödsinn ist abwertend."
Wahrscheinlich ist Helge Schneider so etwas wie ein moderner Hofnarr. Fest steht: Schneider bietet keine gefällige Unterhaltung, sondern lebt als extreme Kunstfigur sich selbst aus. Sein fiktiver Reiseroman "Globus Die" ist mit wundersamen Grau-weiß-Fotos illustriert – die machen so richtig Lust aufs Zuhausebleiben. Doch Helge Schneider muss schon wieder los. Seine neue Tour startet am Samstag. Von der schnöden Welt verabschiedet er sich langsam und strebt in die Höh: "Kampf im Weltall" heißt das neue Programm.