Mission im Quantenuniversum

Der jugendliche Protagonist in Sonia Fernández-Vidals Buch hat eine heikle Aufgabe: Er soll die Erde retten, befindet sich aber in einem Raum, in dem die Gesetze der Quantenphysik gelten. Um seine Mission zu erfüllen, muss er die herrschenden Phänomene entschlüsseln. Die jungen Leser rätseln und lernen mit ihm.
Niko, circa zwölf Jahre alt, gerät per Zufall in eine Art Geisterhaus. Es ist die "Eingangshalle" zu einer hochtechnisierten, weltall-großen Science-Fiction-Welt. Er wird in einen Strudel phantastischer Abenteuer gerissen, unheimliche Geister verfolgen ihn, er verirrt sich in einem riesigen Labyrinth, löst schwierige Rätsel und bekommt nicht weniger als die Rettung der Welt übertragen. Das Geniale an dieser Fantasy-Geschichte: Alle technischen Erfindungen - Niko kann durch Wände gehen, sich wegbeamen lassen und vervielfältigen – sind im Bereich der Quantenphysik möglich. Und Niko ist ins "Quantenuniversum" geraten, wo die Gesetze der Quantenphysik herrschen.

Das klingt kompliziert, ist aber einfach zu verstehen und kommt zuerst einmal wie ein Science-Fiction-Roman rüber. Der seine wahre Wucht aber erst dadurch entfaltet, dass das Unmögliche theoretisch sogar "real" ist. Sonja Fernandes-Vidal hat so eine Mischung aus Abenteuerroman und erklärendem Sachbuch geschrieben. Mythische Motive wie der Uhrmacher Kronos und die Bibliothek von Alexandria, bekannte literarische Topoi und Nikos Erlebnisse fügen sich zu einem spannenden Kinderbuch zusammen. Denn die technischen und physikalischen Erklärungen, die Niko von seinen Freunden bekommt, führen mitten in die faszinierende Welt der Wissenschaft hinein.

Atombombe: Produkt der Quantenphysik
Sprachlich und vom Aufbau her ist "Nikos Reise" – vom Verlag ab zwölf Jahren empfohlen – eher ein Buch für Zehnjährige. Plot reiht sich an Plot, Nikos Feen-Freundin wirkt ein wenig süßlich und kleine Albernheiten machen eher Jüngeren Spaß. Doch wie hier die Welt der Quantenphysik mit ihren unglaublichen Erscheinungen erklärt oder in Bildern veranschaulicht wird, das ist ganz großartig! Einsteins Relativitätstheorie oder die Heisenbergsche Unschärferelation, Schwerkraft und schwarze Löcher werden plötzlich verständlich – und hochinteressant. Darum sollte man lieber Zehnjährige mit diesem Stoff ein wenig überfordern, als Zwölfjährige mit der einfach gestrickten Geschichte unterfordern.

"Nikos Reise" hat auch eine Botschaft parat: Nikos "Mission" ist es, die Menschen vor dem verantwortungslosen Umgang mit ihrem immensen Wissen und der drohenden Zerstörung ihrer Welt zu warnen. Denn auch die Atombombe ist ein Ergebnis der Quantenphysik. Aber die Autorin, Wissenschaftlerin an allen möglichen internationalen Forschungseinrichtungen, möchte natürlich auch die Neugierde auf Technik und Wissenschaft wecken. Und da gelingt ihr: Ganz schnell erwischt man sich dabei, einzelne Begriffe nachzuschlagen, witzige Verschlüsselungen zu enttarnen und stellt sich Fragen, um die man sich vorher nicht wirklich gekümmert hat. Quantenphysik wird so zum spannenden Entdeckungsgebiet – gerade eben auch für junge Menschen.

Besprochen von Sylvia Schwab

Sonia Fernández-Vidal: Nikos Reise durch Raum und Zeit
Aus dem Spanischen von Kristin Lohmann
Hanser Verlag, München 2013
200 Seiten, 14,90 Euro, ab 12 Jahren