Miserable Ökobilanz
Handys aus China, Kaffee aus Tansania oder Textilien aus Bangladesch. - Viele Produkte haben schon einen langen Weg hinter sich, bevor sie in Deutschland in den Handel kommen. Der Journalist Fred Pearce hat sich auf Spurensuche begeben und zeichnet in "Viermal um die ganze Welt" den weiten Weg der Warenströme nach.
Sie sind umweltbewusst und kaufen vor allem Biowaren und Produkte aus fairem Handel? Prima. Aber wissen Sie auch, woher ihr Käse und ihr Kaffee stammen, welche Rohstoffe in ihrem Handy oder Computer stecken und was aus ihrer abgelegten Kleidung wird? Aller Wahrscheinlichkeit geht es ihnen wie dem englischen Journalisten und Buchautoren Fred Pearce. Der hat zwar ausgesprochen aufschlussreiche und bestens informierte Sachbücher zu Umweltthemen geschrieben, aber auch er hatte keine Ahnung, woher die Dinge des täglichen Lebens kommen, wie viel Umwelt sie verschlingen, wo und unter welchen Bedingungen sie hergestellt werden. Auf der Suche nach Antworten ist er – so der unsinnige deutsche Titel – "Viermal um die ganze Welt" geflogen.
Die Unterzeile "Bekenntnisse eines Öko-Sünder" trifft den Kern des Buches schon besser, denn dem Journalisten war schon klar, dass er als Bewohner eines reichen Industrielandes enorm viel Energie und Rohstoffe verbraucht, riesige Mengen an Abfall produziert.
Sein leicht zu lesendes Buch listet detailliert den Hintergrund der Konsumgüter auf und dabei stößt er immer wieder auf verblüffende Widersprüche oder Halbwahrheiten. Beispiel Flüge mit Lebensmitteln. Sie belasten bekanntlich die Atmosphäre stark mit Kohlendioxid. Regionale Produkte sind demnach vorzuziehen. Doch diese Rechnung stimmt nur zum Teil. So verschlingt zum Beispiel der Anbau von Tomaten in englischen Gewächshäusern sehr viel Energie, während in Mittelmeerländern die Sonne allein das Reifen übernimmt. Zudem verschaffen zum Beispiel die in Kenia angebauten grünen Bohnen, die im Winter auf den Markt kommen, dort tausenden Menschen Arbeit.
Problematischer steht es um den fair gehandelter Kaffee, denn den Löwenanteil des Gewinns, so erfährt Fred Pearce in Tansania, streicht der Handel ein. Auch wenn die Pflanzer dort für ihre Bohnen etwas mehr bekommen als üblich, so sind die Preise doch so niedrig, dass sie kaum davon leben können.
Richtig dramatisch wird der Ökofrevel unseres Alltags, wenn es um unsere Kleidung geht. Die Textilproduktion in Ländern wie Bangladesh ist moderne Sklaverei. Die Handy- und Computerproduzenten schneiden kaum besser ab. Der größte Teil wird inzwischen in China hergestellt. Auch wenn die Namen bekannter Firmen auf den Produkten stehen, das Innenleben wird sehr wahrscheinlich in den riesigen Fabrikhallen von Suzhou von jungen chinesischen Frauen zu Hungerlöhnen unter miserablen Arbeitsbedingungen zusammengebaut. Geradezu amoralisch und massiv umweltbelastend ist nach Fred Pearces Recherchen der Handel mit Metallen. Für sie werden nicht nur riesige Landstriche zerstört und unglaubliche Menge an Kohlendioxid freigesetzt, sondern in Afrika und anderswo Kriege geführt.
Verblüffend ist, wie viele unserer Abfälle in den Entwicklungsländern wiederverwertet werden. Ob nun Altpapier in China oder Computerplatinen in Indien - auch hier ist der Handel inzwischen globalisiert. Gebrauchte Kleidung, für Wohltätigkeitszwecke gespendet, landet als Handelsware auf Afrikas Märkten. Doch Fred Pearce hat auch positive Beispiele dafür gefunden, wie gebrauchte Handys und Computer in Afrika ein zweites Leben führen und Aufbauhilfe leisten.
Der Journalist geht den Dingen auf den Grund – nicht immer gleichermaßen gründlich, nicht immer gleichermaßen erfolgreich. Bisweilen gelingt es ihm nicht Ross und Reiter zu nennen, verhindern mafiöse Strukturen genauere Einblicke in Handels- und Produktionswege. Manches Beispiel gilt zudem nur für England – gerade bei den Lebensmitteln oder auch beim Abfallrecycling wäre ein deutscher Koautor nötig gewesen. Die Verhältnisse sind einfach nicht vergleichbar. Auch hätte man gerne erfahren, wie es in Deutschland um die verschiedenen Anbieter von Kohlendioxidkompensationen zum Beispiel für Flugreisen steht: Grüner Schwindel oder saubere Geschäfte?
Sein letztes Kapitel "Die Spezies Mensch und die Rettung des Planeten" wirkt wie künstlich angehängt, nur um noch ein paar positive Ausblicke zu bieten. Darauf hätte er besser verzichtet. Dennoch ist sein Buch die Lektüre mehr als wert. Man erfährt sehr viel über den ökologischen Fußabdruck, den wir Menschen aus den Industriestaaten auf der Erde hinterlassen. Er ist zu groß, um diese Welt zu erhalten.
Rezensiert von Johannes Kaiser
Fred Pearce: Viermal um die ganze Welt - Bekenntnisse eines Öko-Sünders
Übersetzt von Susanne Kuhlmann-Krieg und Barbara Steckhan
Fackelträger-Verlag Köln 2008
398 Seiten, 19,95 Euro
Die Unterzeile "Bekenntnisse eines Öko-Sünder" trifft den Kern des Buches schon besser, denn dem Journalisten war schon klar, dass er als Bewohner eines reichen Industrielandes enorm viel Energie und Rohstoffe verbraucht, riesige Mengen an Abfall produziert.
Sein leicht zu lesendes Buch listet detailliert den Hintergrund der Konsumgüter auf und dabei stößt er immer wieder auf verblüffende Widersprüche oder Halbwahrheiten. Beispiel Flüge mit Lebensmitteln. Sie belasten bekanntlich die Atmosphäre stark mit Kohlendioxid. Regionale Produkte sind demnach vorzuziehen. Doch diese Rechnung stimmt nur zum Teil. So verschlingt zum Beispiel der Anbau von Tomaten in englischen Gewächshäusern sehr viel Energie, während in Mittelmeerländern die Sonne allein das Reifen übernimmt. Zudem verschaffen zum Beispiel die in Kenia angebauten grünen Bohnen, die im Winter auf den Markt kommen, dort tausenden Menschen Arbeit.
Problematischer steht es um den fair gehandelter Kaffee, denn den Löwenanteil des Gewinns, so erfährt Fred Pearce in Tansania, streicht der Handel ein. Auch wenn die Pflanzer dort für ihre Bohnen etwas mehr bekommen als üblich, so sind die Preise doch so niedrig, dass sie kaum davon leben können.
Richtig dramatisch wird der Ökofrevel unseres Alltags, wenn es um unsere Kleidung geht. Die Textilproduktion in Ländern wie Bangladesh ist moderne Sklaverei. Die Handy- und Computerproduzenten schneiden kaum besser ab. Der größte Teil wird inzwischen in China hergestellt. Auch wenn die Namen bekannter Firmen auf den Produkten stehen, das Innenleben wird sehr wahrscheinlich in den riesigen Fabrikhallen von Suzhou von jungen chinesischen Frauen zu Hungerlöhnen unter miserablen Arbeitsbedingungen zusammengebaut. Geradezu amoralisch und massiv umweltbelastend ist nach Fred Pearces Recherchen der Handel mit Metallen. Für sie werden nicht nur riesige Landstriche zerstört und unglaubliche Menge an Kohlendioxid freigesetzt, sondern in Afrika und anderswo Kriege geführt.
Verblüffend ist, wie viele unserer Abfälle in den Entwicklungsländern wiederverwertet werden. Ob nun Altpapier in China oder Computerplatinen in Indien - auch hier ist der Handel inzwischen globalisiert. Gebrauchte Kleidung, für Wohltätigkeitszwecke gespendet, landet als Handelsware auf Afrikas Märkten. Doch Fred Pearce hat auch positive Beispiele dafür gefunden, wie gebrauchte Handys und Computer in Afrika ein zweites Leben führen und Aufbauhilfe leisten.
Der Journalist geht den Dingen auf den Grund – nicht immer gleichermaßen gründlich, nicht immer gleichermaßen erfolgreich. Bisweilen gelingt es ihm nicht Ross und Reiter zu nennen, verhindern mafiöse Strukturen genauere Einblicke in Handels- und Produktionswege. Manches Beispiel gilt zudem nur für England – gerade bei den Lebensmitteln oder auch beim Abfallrecycling wäre ein deutscher Koautor nötig gewesen. Die Verhältnisse sind einfach nicht vergleichbar. Auch hätte man gerne erfahren, wie es in Deutschland um die verschiedenen Anbieter von Kohlendioxidkompensationen zum Beispiel für Flugreisen steht: Grüner Schwindel oder saubere Geschäfte?
Sein letztes Kapitel "Die Spezies Mensch und die Rettung des Planeten" wirkt wie künstlich angehängt, nur um noch ein paar positive Ausblicke zu bieten. Darauf hätte er besser verzichtet. Dennoch ist sein Buch die Lektüre mehr als wert. Man erfährt sehr viel über den ökologischen Fußabdruck, den wir Menschen aus den Industriestaaten auf der Erde hinterlassen. Er ist zu groß, um diese Welt zu erhalten.
Rezensiert von Johannes Kaiser
Fred Pearce: Viermal um die ganze Welt - Bekenntnisse eines Öko-Sünders
Übersetzt von Susanne Kuhlmann-Krieg und Barbara Steckhan
Fackelträger-Verlag Köln 2008
398 Seiten, 19,95 Euro