Ministerpräsidenten-Debakel in Thüringen

Ein politischer Dammbruch und seine Folgen

53:58 Minuten
Thomas Kemmerich kommt in den Thüringer Landtag zum Gespräch mit der Landtagspräsidentin.
Thomas Kemmerich erklärte nicht einmal 24 Stunden nach seiner Wahl seinen Rücktritt. © dpa / Martin Schutt
Moderation: Birgit Kolkmann · 07.02.2020
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„Dammbruch“, „Tabubruch“, „Schande“: Die Reaktionen auf die Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) mit Hilfe der AfD waren heftig. Weswegen er prompt seinen Rücktritt angekündigt hat. Was lehrt uns das Politdrama von Erfurt?
Für AfD-Chef Jörg Meuthen war es "ein Sieg der bürgerlichen Mehrheit": Mit den Stimmen von CDU, FDP und eben auch der AfD wurde Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten Thüringens gewählt. Nach der Abstimmung im Erfurter Landtag am Mittwoch gratulierte der AfD-Abgeordnete Björn Höcke, der laut Gerichtsbeschluss als Faschist bezeichnet werden darf, dem auch von ihm gewählten neuen Regierungschef von der FDP. Ein Bild, das viele Titelblätter schmückte.

"Unverzeihlich"

Die Wahl hat ein politisches Erdbeben ausgelöst. Von der CSU bis hin zur Linken kritisierten zumindest Bundespolitiker die Ministerpräsidenten-Kür mit Hilfe der AfD in seltener Einmütigkeit. Selbst die in ihrer Wortwahl sonst so zurückhaltende Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte den Vorgang "unverzeihlich". Nach Rücktrittsforderungen aus der eigenen Partei kündigte Thomas Kemmerich nach nur einem Tag im Amt am Donnerstag den Rücktritt an. Wann er den vollzieht, ist noch offen. Genau wie die Frage, ob und wenn ja, wann es Neuwahlen in Thüringen gibt.
Was ist da passiert im Freistaat? Ein Ausrutscher naiver Landespolitiker oder ein abgekartetes Spiel? Wie geht es nun weiter in Thüringen? Und was bedeutet der Coup von Erfurt für die politische Landschaft Deutschlands? War das nur eine üble Provinz-Posse oder wird die AfD allmählich salonfähig? Stärkt das zunächst erfolgreiche Taktieren den völkisch-nationalen "Flügel" innerhalb der AfD um Björn Höcke? Bröckelt die Allianz der Demokraten gegen Rechtsaußen? Oder wird sie nach dem Schrecken vom vergangenen Mittwoch wachsamer? Und was bedeutet die unrühmliche Episode ihres Kurzzeit-Ministerpräsidenten für die FDP?
Darüber diskutieren:

Prof. Sabine Kropp, Politikwissenschaftlerin, Freie Universität Berlin
Justus Bender, Journalist, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Malene Gürgen, Journalistin, Tageszeitung taz
Henry Bernhard, Thüringer Landeskorrespondent des Deutschlandradios

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