Ministerielle Verheißungen

Rezensiert von Kostas Petropulos · 16.03.2007
Uraula von der Leyen ist für ihre offensive Medienpolitik bekannt. Nun hat sie zusammen mit der TV-Journalistin Maria von Welser zusammen ein Buch herausgebracht, in dem sie ausführlich ihre Frauenpolitik erläutert. Aufschlussreich an diesem Buch ist bestenfalls, wie distanzlos sich eine Journalistin hinter die Regierungspolitik stellt und wie zwei ehemalige Familienministerinnen die Frauenpolitik in der Rückschau betrachten.
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen gehört zweifellos zu den Stars im Regierungskabinett von Angela Merkel. Ähnlich wie Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder setzt die niedersächsische Politikerin die Medienöffentlichkeit massiv ein, um ihre politischen Konzepte nicht zuletzt gegen große Teile der eigenen Partei durchzusetzen. Eines ihrer wichtigsten Instrumente sind dabei Interviews, die sie so zahlreich wie kaum ein anderer Politiker gibt. Trotzdem hat die bekannte Fernseh-Journalistin Maria von Welser jetzt ein Buch veröffentlicht, in dessen Mittelpunkt ausführliche Gespräche mit der Ministerin stehen. "Wir müssen unser Land für die Frauen verändern" lautet der kämpferische Titel.

Zusammen mit der Ministerin unternimmt darin die Fernseh-Journalistin den Versuch, die ihrer Ansicht nach zentralen Themen der Frauenpolitik und die notwendigen Lösungen zu benennen. So erläutert Frau von der Leyen den Kern ihrer Politik:

"Das Elterngeld ist der erste wichtige Baustein einer lebensnahen Familienpolitik, aber nicht der einzige. Es muss Hand in Hand gehen mit dem Ausbau der Kinderbetreuung."

Also mehr Krippenplätze für die Unter-Dreijährigen, mehr Ganztagsschulen für die größeren Kinder und ein stärkeres Engagement der Väter bei der Kinderberbetreuung und -erziehung. Alles schon x-mal gehört. Selbst aus der persönlichen Biographie der Ministerin erfährt man kaum Neues.

Dennoch sollte man das Buch nicht gleich enttäuscht zuklappen. Es ist nämlich ausgesprochen lehrreich, weil es die Wahrnehmung und Denkmuster der Frauen vorführt, die in der familienpolitischen Debatte hierzulande den Ton angeben.

Da ist zuallererst Maria von Welser. Als Fernseh-Journalistin kämpft sie schon seit Jahrzehnten für die Gleichberechtigung der Frauen. Aus ihrer Begeisterung für Ursula von der Leyen macht sie keinen Hehl. Aber: Bei aller verständlichen Solidarität unter Frauen ist ihre Distanzlosigkeit gegenüber der Ministerin nicht zu übersehen. Beispielsweise wenn sie die grassierende Kinderarmut anprangert:

"Es ist bitter, dass Kinder- und Mütterarmut in Deutschland zunimmt und dabei von der Politik in Berlin kaum beachtet wird. Man kommentiert betroffen die neuesten Zahlen – und geht zur Tagesordnung über."

Für die Verdoppelung der Zahl armer Kinder auf 2,5 Millionen in nur zwei Jahren sind die Hartz-IV-Gesetze verantwortlich. Gemeinsam beschlossen von SPD und Unionsparteien. Allerdings findet sich in den langen Interviews mit Ministerin von der Leyen nirgendwo eine Nachfrage zu dieser bedrückenden Entwicklung.

Der fehlende Abstand der Journalistin zur Person und der Politik der Bundesfamilienministerin durchzieht das gesamte Buch. Ihr Blick auf die Familienpolitik deckt sich über weite Strecken mit der regierungsamtlichen Darstellung. Auch bei der ungetrübten Begeisterung für die vermeintlichen familienpolitischen Vorbilder Schweden, Frankreich oder Großbritannien ist sich Maria von Welser mit der Ministerin völlig einig.

Völlig indiskutabel wird die Haltung der Journalistin schließlich, wenn sie sich von ihren Vorurteilen selbst durch Fakten nicht abbringen lassen will. So kommen im Buch betroffene Frauen länger zu Wort. Ihre Situation fasst Maria von Welser so zusammen:

"Kinder? Nein, nie! Dazu plagt die jungen Frauen im Vergleich zu den Älteren eine viel größere Zukunftsangst, gepaart mit der Sorge, keinen Job zu bekommen, womöglich geschieden zu werden und allein erziehend dazustehen."

Ein klarer Befund. Dennoch fragt sich die TV-Journalistin während des ganzen Buches immer wieder "Warum haben die jungen Frauen heute eine solche Zukunftsangst?" (197) Eine Angst, die auch der Bundesfamilienministerin fremd zu sein scheint. Von Phänomenen wie Generation Praktikum, ständig wechselnden Jobs und Phasen von Arbeitslosigkeit für Berufeinsteiger (97) hat sie wohl gehört. Aber ihrer Ansicht nach dürften diese Erscheinungen nur von vorübergehender Natur sein. Der demographisch prognostizierte Fachkräftemangel würde familienfreundliche Betriebe demnächst wie Pilze aus dem Boden schießen lassen:

"Unternehmen, die wach sind /..../ fördern aktive Väter, die ihre Verantwortung für den Alltag ihrer Kinder ernst nehmen. Sie fördern Mütter durch reelle Chancen auf Karriere."

Ob diese ministerielle Verheißung den besorgten jungen Frauen und Männern tatsächlich Mut zu Kindern macht? Wohl kaum. Wirklich hilfreich sind da zwei weitere Interviews. Zu Wort kommen nämlich die ehemaligen Familieministerinnen Rita Süssmuth und Renate Schmidt. Ihr Abstand zur politischen Macht und ihre Lebenserfahrung lassen sie zu reichlich bedenkenswerten Einsichten kommen. Gerade das Gespräch mit der Sozialdemokratin Renate Schmidt liest sich streckenweise wie eine einzige schallende Ohrfeige für die Positionen Ursula von der Leyens und Maria von Welsers:

"Ich finde, wir haben insgesamt /.../ den falschen Ansatz. Wir sagen: Gleichstellung funktioniert dann, wenn wir Frauen erwerbstätig sein können, möglichst dasselbe verdienen können wie die Männer /.../ und die Kinder, die werden wegrationalisiert und in Kindertagesstätten betreut."

Es käme nicht nur darauf an, die bezahlte Arbeit zwischen Vater und Mutter zu teilen, sondern genauso die unbezahlte Arbeit in der Familie. Männer dürften genauso wie Frauen ihr Glück nicht länger durch die alleinige Fixierung auf die Erwerbsarbeit suchen:

"Wir sollten /.../ auch von dem Glück und der Befriedigung reden, dass es schön ist, Kinder zu haben /.../ Ich hätte zum Beispiel /.../niemals mit der Eintönigkeit des Lebens eines Mannes tauschen wollen. Mein Leben war immer bunter, abwechslungsreicher und damit im Prinzip auch viel befriedigender. Vielleicht sollten wir darüber mal reden und nicht immer nur darüber, dass es so grauenhaft ist, zu Hause zu sein."

Zur Verblüffung Maria von Welsers, die ihre offene Verachtung für verheiratete Vollzeitmütter kaum zügeln kann (193), fordert Renate Schmidt vehement den Respekt vor diesem Lebensmodell ein:

"Es gibt /.../ Frauen, die sagen /.../ Ich möchte eine gewisse Zeitlang ausschließlich für meine Kinder da sein, und anschließend möchte ich mich wieder ins Berufsleben stürzen. Was gibt uns denn das Recht, zu sagen, dass mein Lebensmodell, weil ich so bin, wie ich bin, das einzig wahre und das einzig selig machende ist? /.../ Wir lassen die andere nicht so sein, wie sie sein will."

Auch bei den Männern, die Angst vor dem Eingehen einer Partnerschaft und der Entscheidung für Kinder haben, gibt sich die Sozialdemokratin nicht mit plakativen Erklärungen zufrieden. Ihr genaues Hinsehen auf die Wirklichkeit steht im wohltuenden Kontrast zu den Klischees und dem ideologischen Tunnelblick, den Maria von Welser und die Bundesfamilienministerin an den Tag legen.

Allerdings bleibt auch die Sozialdemokratin eine zentrale Antwort schuldig: Mehr gemeinsame Zeit von Müttern und Vätern mit ihren Kindern ist dringend notwendig. Das steht aber im knallharten Gegensatz zu den immer höheren Ansprüchen der globalisierten Arbeitswelt an die Flexibilität und die Mobilität der Menschen. Letztlich, so bringt es Ex-Ministerin Rita Süssmuth auf den Punkt, müssen wir uns als Gesellschaft vor allem eine Frage beantworten:

"Was ist es uns eigentlich wert, mit Kindern zu leben, was ist es uns wert, für ältere Menschen oder für Behinderte zu sorgen?"

Ursula von der Leyen, Maria von Welser: Wir müssen unser Land für die Frauen verändern
Verlag C. Bertelsmann, München 2007
Ursula von der Leyen, Maria von Welser: "Wir müssen unser Land für die Frauen verändern"
Ursula von der Leyen, Maria von Welser: "Wir müssen unser Land für die Frauen verändern"© C. Bertelsmann