Mindestlöhne sind der "maximale Unfug"
Die Stiftung Marktwirtschaft hat die Einführung von Mindestlöhnen kritisiert. Anstatt Mindestlöhne einzuführen, sollte die Regierung die Steuern und Abgaben senken, sagte das Vorstandsmitglied Michael Eilfort.
Birgit Kolkmann: Sind die Nettolöhne in Deutschland tatsächlich so niedrig wie vor 20 Jahren? Die "Bild"-Zeitung machte gestern groß auf mit der Hiobsbotschaft, die Deutschen zahlten so viele Ausgabe wie nie zuvor. Zudem stiegen in den letzten Jahren die Preise höher als die Löhne. Das Bundesarbeitsministerium hat den Bericht kritisiert, er sei unsachgemäß und die Zahlen seien überinterpretiert worden. Wir wollen nun vor dem aktuellen Hintergrund der Mindestlohndebatte nachfragen bei Professor Michael Eilfort vom Vorstand Stiftung Marktwirtschaft. Guten Morgen.
Michael Eilfort: Guten Morgen!
Kolkmann: Professor Eilfort, was sagen Sie als Wirtschaftswissenschaftler zu dieser These der "Bild"-Zeitung. Alles übertrieben oder steckt darin ein Körnchen Wahrheit?
Eilfort: Ein Körnchen Wahrheit steckt schon drin, aber es ist natürlich auch stark zugespitzt, wie es in der Zeitung mit den großen Buchstaben eben oft ist.
Kolkmann: Was würden Sie sagen, was hat sich denn verändert?
Eilfort: Also, dass die Nettolöhne so niedrig sind wie vor 20 Jahren, stimmt nicht ganz. Es hat schon einen Anstieg gegeben. Allerdings hat sich das Niveau nicht deutlich erhöht. Das ist durchaus wichtig, obwohl die Bruttolöhne mehr angestiegen sind. Deswegen ist eigentlich der Hauptpunkt, dass eben vom Brutto der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer weniger netto übrig bleibt. Das ist aber eben nicht ein Problem der Unternehmen, sondern das ist natürlich vornehmlich ein Problem der Politik.
Kolkmann: Das heißt, die Steuerabgaben müssten gesenkt werden?
Eilfort: Die Steuerabgaben müssten gesenkt werden. Und insbesondere von einer Regierung, die jetzt vor nicht allzu langer Zeit die Mehrwertsteuer deutlich angehoben hat, könnte da einiges getan werden. Insofern ist es etwas geheuchelt, wenn man sich jetzt für Mindestlohn und andere Dinge einsetzt. Denn das Einfachste wäre gewesen, wenn man die Meinung hat, es muss mehr Geld in den Taschen der kleinen Leute bleiben, dann hätte man die Mehrwertsteuererhöhung bleiben lassen sollen.
Kolkmann: Nun sagt ja die Bundesregierung, insbesondere das Arbeitsministerium, diese Zahlen, diese Statistik sei ganz einfach falsch interpretiert worden.
Eilfort: Ja gut. Es gibt natürlich die Deutsche Einheit. Also inzwischen ist schon irgendwas passiert im Lande. Da gibt es natürlich ein gewisses Gefälle, das die Statistik verzerrt. Von der Globalisierung war damals in dieser Form auch keine Rede. Also wir haben ja damals in einer abgeschotteten "Insel der Seeligen" gelebt. Insoweit, wenn man dem Rechnung trägt, ist es schon zweifelhaft, das alles so zu vergleichen. Aber es liest sich erst mal flott und gut.
Kolkmann: Sie haben eben schon angesprochen die Mindestlöhne. Sind Sie eigentlich so etwas wie die Ultima ratio oder ginge es auch ganz anders?
Eilfort: Es ist weniger Ultima ratio als der maximale Unfug. Es ginge natürlich anders. Denn so wie es genauso in den letzten Jahren auch passiert ist. Wenn man mal überlegt, wem haben wir eigentlich den jetzigen Aufschwung zu verdanken. Dann sehe ich im Wesentlichen zwei Dinge, nämlich zum einen Agenda 2010 und Gerhard Schröder und zum anderen eben auch die Lohnzurückhaltung der letzten Jahre. Also dadurch, dass auch die Gewerkschaften gemäßigt waren und dass die Bruttolöhne nicht deutlich angestiegen sind und damit die Belastung für die Unternehmen, sind deutsche Produkte wieder konkurrenzfähiger geworden und davon profitieren wir jetzt auch mit vielen neuen Arbeitsplätzen. Und da habe ich jetzt irgendwo das Gefühl, wenn’s dem Esel zu wohl wird, geht er eben doch wieder aufs Eis. Also kaum läuft es ein bisschen besser, tun wir wieder alles, um diesen relativen Vorteil, den wir jetzt über Jahre errungen haben, wieder kaputt zu machen.
Kolkmann: Nun muss man natürlich auch sagen, dass die Großunternehmen in Deutschland in den letzten Jahren gigantische Gewinne eingefahren haben. Davon haben die Arbeitnehmer aber nicht dermaßen profitiert.
Eilfort: In Teilen schon. Also viele haben auch die Arbeitnehmer entsprechend beteiligt. Richtig ist, das hätte durchaus noch mehr der Fall sein können. Wobei ich immer ausdrücklich dafür bin, wenn es in einem Jahr besonders gut gelaufen ist, dann beteiligen wir auch in diesem Jahr die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einer besonderen Ausschüttung in größerer Weise. Aber zu sagen, wir steigern allgemein die Löhne und uns damit für alle Zeiten festzubinden, auch dann, wenn es wieder schlecht läuft, das ist eigentlich Unfug.
Kolkmann: Die Löhne steigern, darum geht es ja nicht nur. Es geht ja vor allen Dingen, um sie noch nach unten vielleicht festzuschreiben. Stichwort: Mindestlöhne. Warum halten Sie es für den maximalen Wahnsinn?
Eilfort: Also es ist deswegen Unsinn. Ein Unternehmen wird nur dann Arbeitsplätze schaffen und wird nur dann den Leuten eben Lohn und Brot geben können, wenn die auch so produktiv sind, wie das Geld, das sie bekommen. Das heißt, wenn ein Arbeitnehmer mehr kostet, als er hereinbringt, dann werden die Arbeitsplätze abgebaut. Und deswegen spiegelt sich natürlich das Ganze zwischen Angebot und Nachfrage wider, wenn es richtig funktioniert. Und in dem Moment, wo man sagt, das kostet 7,50 Euro die Stunde, ist es eben in vielen Bereichen nicht mehr attraktiv und dann verschwinden die Arbeitsplätze.
Kolkmann: Nun muss man von der Arbeit aber auch leben können. Das macht ja keinen Sinn, wenn ganztags gearbeitet wird und dann der Staat noch mal aufstocken muss. Was schlagen Sie alternativ vor, um Dumpinglöhne zu verhindern?
Eilfort: Ich finde es besser zu arbeiten, im Zweifel besser zu arbeiten mit staatlicher Aufstockung und staatlicher Hilfe, aber eben doch eine sinnvolle Tätigkeit zu haben, die den Hauptteil des eigenen Einkommens hereinbringt, als arbeitslos zu sein. Was letztlich die Konsequenz ist, wenn man die Mindestlöhne flächendeckend durchsetzt in diesem Bereich.
Kolkmann: Aber kann es sein, dass das gelungene soziale Marktwirtschaft ist, wenn der Staat aufstocken muss, weil die Löhne so niedrig sind?
Eilfort: Ich finde generell, dass die Pauschalierungen da nicht weiterhelfen. Es gibt in den unterschiedlichen Gegenden, da gibt es auch unterschiedliche Lebenshaltungsniveaus und deswegen zu sagen, mit sächsischen Friseusen zu kommen, die angeblich dann nur vier Euro pro Stunde kriegen, die haben auch niedrigere Lebenshaltung. Auch in Sachsen sind ja für die anderen genauso die Friseurpreise niedriger. Und Sie werden in Stuttgart oder München oder selbst in Berlin niemanden finden, der Ihnen legal natürlich, Schwarzarbeit wollen wir alle nicht, der Ihnen für weniger als zehn Euro pro Stunde die Wohnung putzt. Insofern pegelt sich vieles auch regional unterschiedlich ein. Und deswegen plädiere ich auch immer für Differenzierungen und nicht dafür, pauschal zu sagen, die Marktwirtschaft ist jetzt unsozial, weil es dann in einigen oder anderen Bereichen Verzerrungen gibt.
Michael Eilfort: Guten Morgen!
Kolkmann: Professor Eilfort, was sagen Sie als Wirtschaftswissenschaftler zu dieser These der "Bild"-Zeitung. Alles übertrieben oder steckt darin ein Körnchen Wahrheit?
Eilfort: Ein Körnchen Wahrheit steckt schon drin, aber es ist natürlich auch stark zugespitzt, wie es in der Zeitung mit den großen Buchstaben eben oft ist.
Kolkmann: Was würden Sie sagen, was hat sich denn verändert?
Eilfort: Also, dass die Nettolöhne so niedrig sind wie vor 20 Jahren, stimmt nicht ganz. Es hat schon einen Anstieg gegeben. Allerdings hat sich das Niveau nicht deutlich erhöht. Das ist durchaus wichtig, obwohl die Bruttolöhne mehr angestiegen sind. Deswegen ist eigentlich der Hauptpunkt, dass eben vom Brutto der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer weniger netto übrig bleibt. Das ist aber eben nicht ein Problem der Unternehmen, sondern das ist natürlich vornehmlich ein Problem der Politik.
Kolkmann: Das heißt, die Steuerabgaben müssten gesenkt werden?
Eilfort: Die Steuerabgaben müssten gesenkt werden. Und insbesondere von einer Regierung, die jetzt vor nicht allzu langer Zeit die Mehrwertsteuer deutlich angehoben hat, könnte da einiges getan werden. Insofern ist es etwas geheuchelt, wenn man sich jetzt für Mindestlohn und andere Dinge einsetzt. Denn das Einfachste wäre gewesen, wenn man die Meinung hat, es muss mehr Geld in den Taschen der kleinen Leute bleiben, dann hätte man die Mehrwertsteuererhöhung bleiben lassen sollen.
Kolkmann: Nun sagt ja die Bundesregierung, insbesondere das Arbeitsministerium, diese Zahlen, diese Statistik sei ganz einfach falsch interpretiert worden.
Eilfort: Ja gut. Es gibt natürlich die Deutsche Einheit. Also inzwischen ist schon irgendwas passiert im Lande. Da gibt es natürlich ein gewisses Gefälle, das die Statistik verzerrt. Von der Globalisierung war damals in dieser Form auch keine Rede. Also wir haben ja damals in einer abgeschotteten "Insel der Seeligen" gelebt. Insoweit, wenn man dem Rechnung trägt, ist es schon zweifelhaft, das alles so zu vergleichen. Aber es liest sich erst mal flott und gut.
Kolkmann: Sie haben eben schon angesprochen die Mindestlöhne. Sind Sie eigentlich so etwas wie die Ultima ratio oder ginge es auch ganz anders?
Eilfort: Es ist weniger Ultima ratio als der maximale Unfug. Es ginge natürlich anders. Denn so wie es genauso in den letzten Jahren auch passiert ist. Wenn man mal überlegt, wem haben wir eigentlich den jetzigen Aufschwung zu verdanken. Dann sehe ich im Wesentlichen zwei Dinge, nämlich zum einen Agenda 2010 und Gerhard Schröder und zum anderen eben auch die Lohnzurückhaltung der letzten Jahre. Also dadurch, dass auch die Gewerkschaften gemäßigt waren und dass die Bruttolöhne nicht deutlich angestiegen sind und damit die Belastung für die Unternehmen, sind deutsche Produkte wieder konkurrenzfähiger geworden und davon profitieren wir jetzt auch mit vielen neuen Arbeitsplätzen. Und da habe ich jetzt irgendwo das Gefühl, wenn’s dem Esel zu wohl wird, geht er eben doch wieder aufs Eis. Also kaum läuft es ein bisschen besser, tun wir wieder alles, um diesen relativen Vorteil, den wir jetzt über Jahre errungen haben, wieder kaputt zu machen.
Kolkmann: Nun muss man natürlich auch sagen, dass die Großunternehmen in Deutschland in den letzten Jahren gigantische Gewinne eingefahren haben. Davon haben die Arbeitnehmer aber nicht dermaßen profitiert.
Eilfort: In Teilen schon. Also viele haben auch die Arbeitnehmer entsprechend beteiligt. Richtig ist, das hätte durchaus noch mehr der Fall sein können. Wobei ich immer ausdrücklich dafür bin, wenn es in einem Jahr besonders gut gelaufen ist, dann beteiligen wir auch in diesem Jahr die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einer besonderen Ausschüttung in größerer Weise. Aber zu sagen, wir steigern allgemein die Löhne und uns damit für alle Zeiten festzubinden, auch dann, wenn es wieder schlecht läuft, das ist eigentlich Unfug.
Kolkmann: Die Löhne steigern, darum geht es ja nicht nur. Es geht ja vor allen Dingen, um sie noch nach unten vielleicht festzuschreiben. Stichwort: Mindestlöhne. Warum halten Sie es für den maximalen Wahnsinn?
Eilfort: Also es ist deswegen Unsinn. Ein Unternehmen wird nur dann Arbeitsplätze schaffen und wird nur dann den Leuten eben Lohn und Brot geben können, wenn die auch so produktiv sind, wie das Geld, das sie bekommen. Das heißt, wenn ein Arbeitnehmer mehr kostet, als er hereinbringt, dann werden die Arbeitsplätze abgebaut. Und deswegen spiegelt sich natürlich das Ganze zwischen Angebot und Nachfrage wider, wenn es richtig funktioniert. Und in dem Moment, wo man sagt, das kostet 7,50 Euro die Stunde, ist es eben in vielen Bereichen nicht mehr attraktiv und dann verschwinden die Arbeitsplätze.
Kolkmann: Nun muss man von der Arbeit aber auch leben können. Das macht ja keinen Sinn, wenn ganztags gearbeitet wird und dann der Staat noch mal aufstocken muss. Was schlagen Sie alternativ vor, um Dumpinglöhne zu verhindern?
Eilfort: Ich finde es besser zu arbeiten, im Zweifel besser zu arbeiten mit staatlicher Aufstockung und staatlicher Hilfe, aber eben doch eine sinnvolle Tätigkeit zu haben, die den Hauptteil des eigenen Einkommens hereinbringt, als arbeitslos zu sein. Was letztlich die Konsequenz ist, wenn man die Mindestlöhne flächendeckend durchsetzt in diesem Bereich.
Kolkmann: Aber kann es sein, dass das gelungene soziale Marktwirtschaft ist, wenn der Staat aufstocken muss, weil die Löhne so niedrig sind?
Eilfort: Ich finde generell, dass die Pauschalierungen da nicht weiterhelfen. Es gibt in den unterschiedlichen Gegenden, da gibt es auch unterschiedliche Lebenshaltungsniveaus und deswegen zu sagen, mit sächsischen Friseusen zu kommen, die angeblich dann nur vier Euro pro Stunde kriegen, die haben auch niedrigere Lebenshaltung. Auch in Sachsen sind ja für die anderen genauso die Friseurpreise niedriger. Und Sie werden in Stuttgart oder München oder selbst in Berlin niemanden finden, der Ihnen legal natürlich, Schwarzarbeit wollen wir alle nicht, der Ihnen für weniger als zehn Euro pro Stunde die Wohnung putzt. Insofern pegelt sich vieles auch regional unterschiedlich ein. Und deswegen plädiere ich auch immer für Differenzierungen und nicht dafür, pauschal zu sagen, die Marktwirtschaft ist jetzt unsozial, weil es dann in einigen oder anderen Bereichen Verzerrungen gibt.