Millionen auf dem Weg nach Mekka
Jeder Muslim sollte einmal im Leben nach Mekka gereist sein, schreibt der Koran vor. Die Kaaba, Heiligtum des Islam, muss dort sieben Mal umrundet werden. Trotz Andrangs herrsche Disziplin und Andacht, sagt Islamwissenschaftler Werner Ende. Inzwischen beschäftige sich eine Hadsch-Wissenschaft damit, wie lange ein Einzelner an einer Stelle verweilen dürfe.
Jürgen König: Für die Behörden Saudi-Arabiens muss doch der alljährliche Hadsch eine gigantische Herausforderung sein?
Ende: Ja, das kann man wohl sagen. Und alles in allem, ungeachtet vieler Unglücksfälle, die in den letzten Jahren passiert sind, ist es eine großartige Leistung. Und es gibt jetzt geradezu eine Art Hadsch-Wissenschaft mit Forschungsinstituten, die genau berechnen, wie lange der einzelne Pilger an welcher Stelle verweilen darf, was natürlich bei einer Pilgerzahl von über zwei Millionen ein großes Problem ist, zumal viele dieser Leute, die da kommen, irgendwie aus entlegenen Tälern in Kaschmir oder irgendwelchen Krals in Afrika, die haben noch nie eine Verkehrsampel gesehen. Und Mekka sieht inzwischen eben doch ein bisschen so aus wie eine gigantische, hochmoderne Anlage, wo die Leute im Takt durchgeführt werden. Das verträgt sich natürlich nicht mit den innigen, religiösen Gefühlen, die viele haben.
König: Ist der Hadsch auch ein großes Geschäft?
Ende: Das war immer ein gewisses Geschäft. Also selbst in vorislamischer Zeit, wo es so etwas Ähnliches, es ist zwar nicht dasselbe, aber etwas Ähnliches gegeben hat, war da schon ein großer Markt. In früheren Jahrhunderten war das immer eine Gelegenheit und vor allen Dingen seit dem 18./19. Jahrhundert mit der Dampfschifffahrt, Öffnung des Suez-Kanals, vielem anderen mehr, also der Erhöhung der Pilgerzahlen, ist das auch größer geworden, wo dann auch europäische und amerikanische und japanische Waren in immer größerem Maße angeboten wurden als Devotionalien und anderes. Und da hat es auch immer Klagen von Pilgern gegeben über Beutelschneiderei und andere unerfreuliche Dinge, und zwar zu hohe Unterkunftskosten.
König: Ist der Hadsch auch ein Ort des Gesprächs? Wenn man bei uns an Kirchentage zum Beispiel denkt, dann ist es immer auch ein großes Diskussionsforum. Und in diesem Fall, wenn ich mir zum Beispiel vorstelle, da kommen Sunniten und Schiiten zusammen, das wäre doch die ideale Gelegenheit, sich auseinanderzusetzen?
Ende: Theoretisch ja, und das geschieht auch. Und in den Selbstdarstellungen vieler muslimischer Autoren über ihre Reise und so etwas wird das auch betont. De facto ist es aber nur begrenzt der Fall. Das beginnt beispielsweise mit sprachlichen Schwierigkeiten. Die sprechen ja nicht alle Arabisch, die da kommen, also Leute aus Chinesisch-Turkestan oder so etwas. Selbst Iraner sprechen nicht ohne Weiteres Arabisch. Das ist ja eine völlig andere Sprache. Dann gibt es doch tatsächlich Berührungsängste. Man sieht, dass der andere wohl ein Schiit ist als Sunnit, und wenn man aus Nordafrika kommt, wo es kaum Schiiten gibt, betrachtet man die doch mit einem gewissen Misstrauen. Also es gibt diese Gespräche, das wird sehr betont. In der Realität hält man sich häufig in der eigenen Gruppe. Das ist auch ein organisatorisches Prinzip. Man hat einen Pilgerführer, der seine Schäfchen zusammenhält. Und, sagen wir mal, in einer Situation wie heute, heute ist der Arafat-Tag, wo man dann an diesem Berge außerhalb von Mekka steht und sich der Kontemplation hingibt, da kommt es schon vor, dass mal Gespräche stattfinden, sei es auf Englisch oder in einer anderen Sprache. Aber so, wie man es häufig propagiert, ist diese Möglichkeit von Annäherung nicht. Es bleibt ein sehr platonisches Gefühl von allgemeiner, islamischer Brüderlichkeit, und man rührt möglichst nicht an bestimmte Probleme, die es gibt.
Ende: Ja, das kann man wohl sagen. Und alles in allem, ungeachtet vieler Unglücksfälle, die in den letzten Jahren passiert sind, ist es eine großartige Leistung. Und es gibt jetzt geradezu eine Art Hadsch-Wissenschaft mit Forschungsinstituten, die genau berechnen, wie lange der einzelne Pilger an welcher Stelle verweilen darf, was natürlich bei einer Pilgerzahl von über zwei Millionen ein großes Problem ist, zumal viele dieser Leute, die da kommen, irgendwie aus entlegenen Tälern in Kaschmir oder irgendwelchen Krals in Afrika, die haben noch nie eine Verkehrsampel gesehen. Und Mekka sieht inzwischen eben doch ein bisschen so aus wie eine gigantische, hochmoderne Anlage, wo die Leute im Takt durchgeführt werden. Das verträgt sich natürlich nicht mit den innigen, religiösen Gefühlen, die viele haben.
König: Ist der Hadsch auch ein großes Geschäft?
Ende: Das war immer ein gewisses Geschäft. Also selbst in vorislamischer Zeit, wo es so etwas Ähnliches, es ist zwar nicht dasselbe, aber etwas Ähnliches gegeben hat, war da schon ein großer Markt. In früheren Jahrhunderten war das immer eine Gelegenheit und vor allen Dingen seit dem 18./19. Jahrhundert mit der Dampfschifffahrt, Öffnung des Suez-Kanals, vielem anderen mehr, also der Erhöhung der Pilgerzahlen, ist das auch größer geworden, wo dann auch europäische und amerikanische und japanische Waren in immer größerem Maße angeboten wurden als Devotionalien und anderes. Und da hat es auch immer Klagen von Pilgern gegeben über Beutelschneiderei und andere unerfreuliche Dinge, und zwar zu hohe Unterkunftskosten.
König: Ist der Hadsch auch ein Ort des Gesprächs? Wenn man bei uns an Kirchentage zum Beispiel denkt, dann ist es immer auch ein großes Diskussionsforum. Und in diesem Fall, wenn ich mir zum Beispiel vorstelle, da kommen Sunniten und Schiiten zusammen, das wäre doch die ideale Gelegenheit, sich auseinanderzusetzen?
Ende: Theoretisch ja, und das geschieht auch. Und in den Selbstdarstellungen vieler muslimischer Autoren über ihre Reise und so etwas wird das auch betont. De facto ist es aber nur begrenzt der Fall. Das beginnt beispielsweise mit sprachlichen Schwierigkeiten. Die sprechen ja nicht alle Arabisch, die da kommen, also Leute aus Chinesisch-Turkestan oder so etwas. Selbst Iraner sprechen nicht ohne Weiteres Arabisch. Das ist ja eine völlig andere Sprache. Dann gibt es doch tatsächlich Berührungsängste. Man sieht, dass der andere wohl ein Schiit ist als Sunnit, und wenn man aus Nordafrika kommt, wo es kaum Schiiten gibt, betrachtet man die doch mit einem gewissen Misstrauen. Also es gibt diese Gespräche, das wird sehr betont. In der Realität hält man sich häufig in der eigenen Gruppe. Das ist auch ein organisatorisches Prinzip. Man hat einen Pilgerführer, der seine Schäfchen zusammenhält. Und, sagen wir mal, in einer Situation wie heute, heute ist der Arafat-Tag, wo man dann an diesem Berge außerhalb von Mekka steht und sich der Kontemplation hingibt, da kommt es schon vor, dass mal Gespräche stattfinden, sei es auf Englisch oder in einer anderen Sprache. Aber so, wie man es häufig propagiert, ist diese Möglichkeit von Annäherung nicht. Es bleibt ein sehr platonisches Gefühl von allgemeiner, islamischer Brüderlichkeit, und man rührt möglichst nicht an bestimmte Probleme, die es gibt.