Milchmädchenrechnung
Das Bundesinstitut für Risikobewertung kritisiert die im Handel angebotenen speziellen Getränke für Kleinkinder. Aus Sicht der Behörde sind diese Getränke nicht nur flüssig, sondern sogar überflüssig.
Völlig überflüssig sollen sie sein, die Kleinkindermilchgetränke, so das Bundesinstitut für Risikobewertung. Die Getränke seien, um mit den Worten der Behörde zu sprechen, "aus ernährungsphysiologischer und gesundheitlicher Sicht problematisch". Sie sparen vor allem beim Milcheiweiß, einem Nährstoff, der für das Wachstum des Kleinkindes doch als ziemlich wichtig gilt. Dafür reichern die Hersteller das Zeug mit allerlei fragwürdigen Spurenstoffen an.
Die Kritik der Behörde vermag ich in der Sache nur zu unterstreichen. Diese obskuren Getränke setzen einen Trend fort, der mit den Sportlern begonnen hat. Die brauchen Spezialnahrung, nur weil sie sich ein paar Stunden körperlich so betätigen wie ihre Vorfahren, die meistenteils ein ganzes Leben lang schwer körperlich arbeiten mussten – und das ganz ohne teure Sportler-Designermucki-Drinks, sondern bei Bratkartoffeln, Speck und Spiegelei. Das verlieh Ausdauer, das gab wirklich Kraft!
Nun sind die Kleinkinder dran. Es bedarf dafür nur regelmäßiger Ermahnungen der Mütter, ihre Sprösslinge auch "gesund" zu ernähren, mit immer neuen Warnungen und wohlgemeinten Tipps. Irgendwann wissen die Mütter nicht mehr aus noch ein. Dann kaufen sie auch bei knapper Kasse höchst fragwürdiges Spezialfutter für ihre Lieblinge – um ja nichts falsch zu machen.
Bei näherer Betrachtung unterstützt sogar das Bundesinstitut – wenn auch unfreiwillig – diesen Trend. Als Maßstab für ihre Bewertung nehmen sie die Kuhmilch. Warum eigentlich? Wenn der Vater der Kinder ein Ochse ist, will ich das wohl glauben, aber ansonsten würde ich mich doch eher an der Muttermilch orientieren. Doch dieses Wort, egal ob als Muttermilch oder Frauenmilch, kommt in der aktuellen 8-seitigen Stellungnahme gar nicht mehr vor. Der Grund lässt sich unschwer erahnen: Muttermilch ist ziemlich fett – noch dazu voller tierischer Fette, weil wir Menschen Säugetiere sind. Da aber Säugetierfett ungesund sein soll, brauchen wir neue Maßstäbe.
So schlug die Stunde der Experten. Endlich konnten sie sich unbeschwert von der biologischen Realität des Menschen für jede nur denkbare Substanz "Zufuhrempfehlungen" ausdenken. An denen dürfen sich dann die Behörden orientieren. Für diese Empfehlungen gibt es – ganz unter uns gesprochen - keinen wissenschaftlichen Beleg. Niemand weiß, wie viel kleine Kinder wirklich brauchen, damit sie gedeihen – einfach deshalb, weil man mit Kindern keine Fütterungsexperimente wie mit Mäusen durchführen kann. Hilfsweise gibt es für jeden Stoff allerlei Theorien, biochemische Spekulationen und linksdrehende Reagenzgläser garniert mit mathematischem Hokuspokus. Es ist ein gutes Gefühl, anderen Menschen Vorschriften machen zu können.
Allein die Vorstellung, alle Kinder bräuchten das Gleiche, und alle würden nach den gleichen Normen wachsen, mag vielleicht für geklonte Ferkel zutreffen, aber sicher nicht für die fröhlichen Promenadenmischungen in unseren Familien. Die Exemplare fallen ganz unterschiedlich aus. Es gibt die heiklen Esser, die wie die Spätzchen picken und die, die alles wegfuttern, was nicht niet- und nagelfest ist. Und sie gedeihen doch.
Diese verschiedenen Typen und die damit verbundenen Vorlieben haben Gründe, meistens biologische. Ein Beispiel: Es gibt Kinder, die essen gerne Obst, sogar Zitrusfrüchte, andere probieren gerade mal eine Banane und sonst nichts. Das hängt meist mit der Magensäure zusammen. Wer viel davon hat, meidet Orangen und Johannisbeeren, weil sie ihm schaden. Wer weniger Säure hat, liebt gewöhnlich Orangensaft. So unkompliziert ist Kinderernährung – sofern man keine Experten an den Hacken hat. Mahlzeit!
Literatur
BfR: Mikronährstoffe in Kleinkindermilchgetränken. Stellungnahme Nr. 37/2011 v. 30. Mai 2011
BfR: Nährstoffgehalt von Kleinkindermilchgetränken. Stellungnahme Nr. 036/2011 v. 5. Januar 2011
Muth J: Kleine Mägen – großer Hunger. EU.L.E.n-Spiegel 2010; H.1: 3-12
Die Kritik der Behörde vermag ich in der Sache nur zu unterstreichen. Diese obskuren Getränke setzen einen Trend fort, der mit den Sportlern begonnen hat. Die brauchen Spezialnahrung, nur weil sie sich ein paar Stunden körperlich so betätigen wie ihre Vorfahren, die meistenteils ein ganzes Leben lang schwer körperlich arbeiten mussten – und das ganz ohne teure Sportler-Designermucki-Drinks, sondern bei Bratkartoffeln, Speck und Spiegelei. Das verlieh Ausdauer, das gab wirklich Kraft!
Nun sind die Kleinkinder dran. Es bedarf dafür nur regelmäßiger Ermahnungen der Mütter, ihre Sprösslinge auch "gesund" zu ernähren, mit immer neuen Warnungen und wohlgemeinten Tipps. Irgendwann wissen die Mütter nicht mehr aus noch ein. Dann kaufen sie auch bei knapper Kasse höchst fragwürdiges Spezialfutter für ihre Lieblinge – um ja nichts falsch zu machen.
Bei näherer Betrachtung unterstützt sogar das Bundesinstitut – wenn auch unfreiwillig – diesen Trend. Als Maßstab für ihre Bewertung nehmen sie die Kuhmilch. Warum eigentlich? Wenn der Vater der Kinder ein Ochse ist, will ich das wohl glauben, aber ansonsten würde ich mich doch eher an der Muttermilch orientieren. Doch dieses Wort, egal ob als Muttermilch oder Frauenmilch, kommt in der aktuellen 8-seitigen Stellungnahme gar nicht mehr vor. Der Grund lässt sich unschwer erahnen: Muttermilch ist ziemlich fett – noch dazu voller tierischer Fette, weil wir Menschen Säugetiere sind. Da aber Säugetierfett ungesund sein soll, brauchen wir neue Maßstäbe.
So schlug die Stunde der Experten. Endlich konnten sie sich unbeschwert von der biologischen Realität des Menschen für jede nur denkbare Substanz "Zufuhrempfehlungen" ausdenken. An denen dürfen sich dann die Behörden orientieren. Für diese Empfehlungen gibt es – ganz unter uns gesprochen - keinen wissenschaftlichen Beleg. Niemand weiß, wie viel kleine Kinder wirklich brauchen, damit sie gedeihen – einfach deshalb, weil man mit Kindern keine Fütterungsexperimente wie mit Mäusen durchführen kann. Hilfsweise gibt es für jeden Stoff allerlei Theorien, biochemische Spekulationen und linksdrehende Reagenzgläser garniert mit mathematischem Hokuspokus. Es ist ein gutes Gefühl, anderen Menschen Vorschriften machen zu können.
Allein die Vorstellung, alle Kinder bräuchten das Gleiche, und alle würden nach den gleichen Normen wachsen, mag vielleicht für geklonte Ferkel zutreffen, aber sicher nicht für die fröhlichen Promenadenmischungen in unseren Familien. Die Exemplare fallen ganz unterschiedlich aus. Es gibt die heiklen Esser, die wie die Spätzchen picken und die, die alles wegfuttern, was nicht niet- und nagelfest ist. Und sie gedeihen doch.
Diese verschiedenen Typen und die damit verbundenen Vorlieben haben Gründe, meistens biologische. Ein Beispiel: Es gibt Kinder, die essen gerne Obst, sogar Zitrusfrüchte, andere probieren gerade mal eine Banane und sonst nichts. Das hängt meist mit der Magensäure zusammen. Wer viel davon hat, meidet Orangen und Johannisbeeren, weil sie ihm schaden. Wer weniger Säure hat, liebt gewöhnlich Orangensaft. So unkompliziert ist Kinderernährung – sofern man keine Experten an den Hacken hat. Mahlzeit!
Literatur
BfR: Mikronährstoffe in Kleinkindermilchgetränken. Stellungnahme Nr. 37/2011 v. 30. Mai 2011
BfR: Nährstoffgehalt von Kleinkindermilchgetränken. Stellungnahme Nr. 036/2011 v. 5. Januar 2011
Muth J: Kleine Mägen – großer Hunger. EU.L.E.n-Spiegel 2010; H.1: 3-12