Mika kritisiert Schröders "Strafaktion gegen eine missliebige Mitarbeiterin"

Bascha Mika im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 18.07.2012
Nach Ansicht der ehemaligen "taz"-Chefredakteurin Bascha Mika zeigt Bundesministerin Kristina Schröder mit der Trennung von einer Abteilungsleiterin erneut, dass sie anderen Frauen in den Rücken falle. Man habe bei der Ministerin den Eindruck: "Eigentlich nervt sie all dieses Frauen-Gedöns."
Liane von Billerbeck: Bundesministerin Kristina Schröder gerät für ihre Frauenpolitik erneut in die Kritik. Sie hat ihre Gleichstellungsexpertin, ihre wichtigste Expertin für Frauenpolitik, Eva Maria Welskop-Deffae, mit sofortiger Wirkung in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Die Frau galt als eine der am besten vernetzten Frauenpolitikerinnen im Ministerium, geholt von Schröders Vorgängerin Ursula von der Leyen. Nun wurde viel gemutmaßt, warum es zu diesem Rausschmiss kam. Begründet wurde er nicht – das muss die Ministerin auch nicht. Gestern noch hat die Bundesfrauenministerin eine weibliche Nachfolgerin präsentiert, dennoch steht sie wegen ihrer Frauenpolitik weiter ziemlich in der Kritik.

Darüber will ich jetzt mit Bascha Mika sprechen, die Publizistin und einstige "taz"-Chefredakteurin lehrt als Honorarprofessorin an der Universität der Künste Berlin und ist zudem Autorin des Buches "Die Feigheit der Frauen – Rollenfallen und Geiselmentalität". Bascha Mika, ich grüße Sie!

Bascha Mika: Guten Morgen!

von Billerbeck: Abteilungsleiterinnen in Bundesministerien sind meist öffentlich nicht sonderlich bekannt, deshalb zuerst zur Person: Wer ist diese Eva Maria Welskop-Deffae? Die hat ja im Bundesfrauenministerium die Abteilung Gleichstellung und Chancengleichheit verantwortet.

Mika: Ja, das ist schon eine ganz erstaunliche Frau, denn sie kommt ja eigentlich aus dem katholischen Frauenmilieu, ist dann von Ursula von der Leyen ins Ministerium geholt worden. Nun könnte man davon ausgehen, sie hat aufgrund ihres Hintergrundes eine eher konservative Frauenpolitik gemacht, aber das Gegenteil war der Fall: Sie ist im Frauenministerium die Ansprechpartnerin gewesen für die unendlich vielen, nämlich genau 1.600 kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, die wir hier im Land haben. Und sie war die Ansprechpartnerin, und sie war auch diejenige, die sozusagen im Gleichklang mit den Gleichstellungsbeauftragten versucht hat, bestimmte frauenpolitische Forderungen durchzusetzen.

von Billerbeck: Es ging immer – das wurde jetzt in vielen Artikeln auch kolportiert – darum, dass sie beispielsweise für eine feste Frauenquote in Unternehmen war. Ist sie damit schon in Kontrast – um es mal ganz vorsichtig zu formulieren – zu ihrer Ministerin geraten?

Mika: Ich denke, nicht nur damit. Wer eine halbwegs vernünftige Frauenpolitik im Kopf hat, muss mit Kristina Schröder verquer liegen. Deswegen bin ich davon überzeugt, dass das eine Strafaktion gegen eine missliebige Mitarbeiterin war, was Kristina Schröder hier veranstaltet hat. Aber es ist auch gleichzeitig ein Eigentor. Denn Sie haben ja schon erwähnt, dass Kristina Schröder bisher überhaupt nicht begründet hat, warum sie diese Frau vor die Tür gesetzt hat.

von Billerbeck: Das muss sie ja nicht tun, laut Beamtengesetz muss sie das nicht tun.

Mika: Muss sie nicht tun, aber es gibt immerhin eine Anfrage im Bundestag von der SPD, was übrigens auch ungewöhnlich ist bei einer Abteilungsleiterin. Aber Kristina Schröder hat einfach ein Eigentor geschossen, weil sie sich überhaupt nicht strategisch überlegt hat offenbar, was mache ich denn, wenn ich schon diese Frau vor die Tür setze, dann muss ich mir doch eine gute Begründung überlegen. Denn es kann ihr doch nicht verborgen gewesen sein, wie gut diese Frau vernetzt ist, und wieviel Rückhalt sie im Land hat bei den Gleichstellungsbeauftragten.

von Billerbeck: Nun war zu lesen, dass Frau Welskop-Deffae also so etwas wie die letzte Hoffnung im Schröder-Ministerium galt. Letzte Hoffnung, das klingt sehr drastisch, warum?

Mika: Weil Kristina Schröder keine Frauenpolitik macht. Wenn man sie von außen als Ministerin betrachtet, finde ich, hat man immer wieder den Eindruck, eigentlich nervt sie all dieses Frauen-Gedöns. Nun sitzt sie an einer Stelle, wo sie nicht nur über sehr viel Geld zu entscheiden hat, sondern natürlich auch über die Richtung, die die Frauenpolitik nimmt. Aber es interessiert sie eigentlich nicht. Es war Frau Welskop-Deffae, die den ersten Gleichstellungsbericht, den es überhaupt in Deutschland gibt, veranlasst hat, und Kristina Schröder hat anfangs sogar alles mögliche getan, um dessen Veröffentlichung zu verzögern.

Dieser Gleichstellungsbericht ist ja ziemlich schonungslos, was die Situation der Gleichstellung in Deutschland angeht, also was zum Beispiel die Gleichberechtigung von Frauen in allen möglichen Bereichen betrifft. Und diese Frauenministerin hat bisher nichts getan, um irgendwelche Konsequenzen aus dem Bericht zu ziehen, und irgendetwas zugunsten der Frauen angestoßen. Im Gegenteil, Frauen in diesem Land haben das Gefühl, sie haben nicht nur jemanden, der sie nicht unterstützt und der keine Lobby für sie ist, sondern eine Frau, die den anderen Frauen auch noch in den Rücken fällt.

von Billerbeck: Also etwas, was Sie auch kritisieren in Ihrem Buch?

Mika: Ich beschäftige mich nicht mit der Politik von Kristina Schröder, aber für mich ist Kristina Schröder tatsächlich auf einer etwas anderen Ebene, als ich es in meinem Buch beschreibe, eine feige Frau, denn was ihr fehlt in diesem Job, im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin Ursula von der Leyen, ist eine ganze Portion Mut. Es ist verdammt schwer, nicht nur im Kabinett, sondern eben auch im Land insgesamt, Frauenpolitik voranzutreiben. Wir müssen uns mal vorstellen, es gibt immer noch eine Lohnungleichheit von 23 Prozent zwischen Männern und Frauen in Deutschland. Das ist wirklich allerunterstes Ranking.

Aber nicht etwa mit solchen Sachen beschäftigt sich Kristina Schröder, sondern damit, irgendwelche Leute rauszuschmeißen. Also es ist verdammt schwer, in diesem Land etwas zu bewegen, in dieser Richtung, und dazu braucht man Mut, dazu braucht man auch den Mut, der Kanzlerin an vielen Stellen die Stirn zu bieten. Ursula von der Leyen hat zum Beispiel gegen einen massiven Widerstand in der CDU das Elterngeld durchgesetzt vor einigen Jahren – zu solchen Aktionen ist Kristina Schröder überhaupt nicht fähig. Und wenn sie zu jung ist, zu unerfahren, um diesen Mut und diese Widerstandskraft aufzubringen, dann soll sie diesen Job nicht machen.

von Billerbeck: Man hat sich sowieso gefragt, warum sie ihn macht. Aber wenn man jetzt sich diese Entscheidung der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand einer so gut vernetzten Frauenpolitikerin wie Frau Welskop-Deffae betrachtet, sagt das auch etwas, dass Kristina Schröder da eine Entscheidung trifft gegen ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen?

Mika: Ja, es gibt natürlich wohlmeinende Medien, die wieder von einem Zickenkrieg reden, denn es ist natürlich immer so, wenn …

von Billerbeck: Gegen deren Politik, meine ich jetzt?

Mika: Genau, denn wenn Frauen einen Machtkampf untereinander austragen, dann ist es gleich ein Zickenkrieg. Wenn Männer einen Machtkampf untereinander austragen, dann gehört das selbstverständlich zum politischen Geschäft dazu. Also es ist ganz sicher so, dass Kristina Schröder einen schweren Stand hatte, als sie begann mit dem Erbe von Ursula von der Leyen. Auf der anderen Seite ist sie auch mit sehr viel Wohlwollen im Amt empfangen worden. Sie ist aber nicht in der Lage, einigermaßen cool und souverän mit der Macht, die sie im Ministerium hat, umzugehen und eben auch mit dem Ruf ihrer Vorgängerin umzugehen.

Sondern man hat den Eindruck, sie schlägt um sich und versucht, an manchen Stellen Tabula Rasa zu machen. Sie ist auch nicht in der Lage, mit Frauen, zum Beispiel auch mit den eigenen Frauen aus der Union, strategische Bündnisse zu schließen, um bestimmte Ziele zu erreichen, sondern alle, die ihr irgendwie querkommen, die nicht ihrer Meinung sind, die bekämpft sie auf eine Art, die nicht nur politisch naiv ist, sondern eben auch einigermaßen kontraproduktiv.

von Billerbeck: Nun gibt es eine neue Frau für die Leitung dieser Abteilung, das ist gestern noch verkündet worden. Man kann nicht sagen, Kristina Schröder sei jetzt allein unter Männern, sondern sie hat eine neue Frau nominiert, Renate Augstein, die wird dann diese Abteilung Chancengleichheit-Gleichstellung leiten. Ich habe wenig über sie gefunden. Kennen Sie diese neue Abteilungsleiterin?

Mika: Nein, und mir geht es ähnlich wie Ihnen. Bei Recherchen ist über Frau Augstein nichts zu finden. Das muss erst mal gar nichts Schlechtes bedeuten, aber wenn man davon ausgeht, dass das tatsächlich eine Strafaktion war gegen Frau Welskop-Deffae, weil sie nicht auf Linie war, obwohl sie nach außen hin sich immer loyal zu ihrer Ministerin verhalten hat, aber weil sie eben an vielen Stellen nicht derselben Meinung war, zum Beispiel, was die Quote angeht, möglicherweise auch, was das Betreuungsgeld angeht. Also wenn man davon ausgeht: Frau Welskop-Deffae war also nicht auf Linie, dann kann man davon ausgehen, dass mit Renate Augstein jetzt eine etwas willfährigere Frau ins Amt berufen wird.

Auch das bedeutet natürlich, wir haben da eine Chefin, eine Ministerin, die nicht in der Lage ist, sich konstruktiv mit Andersdenkenden auseinander zu setzen. Und zum Beispiel auch die Spannung, die aus der Debatte über die besten Möglichkeiten, wie man bestimmte frauenpolitische Ziele erreicht, nicht diese Auseinandersetzung zu nutzen, sondern sozusagen sich nur mit Leuten zu umgeben, die ihr offenbar nach dem Wort reden. Aber wie gesagt, noch kann man über Frau Augstein nichts sagen, weder etwas Positives noch etwas Negatives.

von Billerbeck: Frage zum Schluss, wer fühlt sich von diesem Ministerium eigentlich noch vertreten unter den Frauen?

Mika: Männer vielleicht?

von Billerbeck: Das sagt die Publizistin und Buchautorin Bascha Mika nach der Entlassung einer der profiliertesten Frauenexpertinnen auf Führungsebene im Frauenministerium der Kristina Schröder. Danke an Sie!

Mika: Gerne!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Bascha Mika
Bascha Mika© dpa / picture alliance / Horst Galuschka
Mehr zum Thema