Migrationsdebatte aus volkswirtschaftlicher Sicht

Abschottung führt zu weniger Wohlstand

Grenzübergang zwischen Deutschland und Österreich.
Grenzübergang zwischen Deutschland und Österreich © dpa / Sven Hoppe
Klaus Zimmermann im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 10.07.2018
Heute legt Innenminister Seehofer seinen lang erwarteten Masterplan "Migration" vor. Er soll Deutschlands Grenzen dichter machen. Keine gute Idee, sagt der Professor für Volkswirtschaft Klaus Zimmermann: Unterm Strich reduziert das den Wohlstand.
Der Begriff "Masterplan" suggeriert eine Gesamtlösung für alle Probleme rund um das Thema Migration - hauptsächlich mittels Abschottung und Zurückweisung. Was aber wäre, wenn wir stattdessen auf offene Grenzen setzen würden? Würde es unbeherrschbare Migrationsbewegungen geben, die die westlichen Volkswirtschaften vollkommen überfordern?

Aktuelle Debatte schadet offenen Märkten

Ganz und gar nicht, sagt Klaus Zimmermann, Co-Direktor des Centre for Population, Development and Labour Economics an der UN University in Maastricht und ehemaliger Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW. "Eigentlich wissen wir, dass offene Grenzen - insbesondere, wenn es um offene Arbeitsmärkte geht - letztlich für alle Beteiligten von Vorteil sind.", so Zimmermann im Deutschlandfunk Kultur.
Die aktuelle Diskussion um Migration sei "sehr problematisch, weil sie auch die gesamten Bemühungen in Deutschland behindern, endlich ein offenes Zuwanderungsgesetz für die Arbeitsmärkte zu bekommen".

"Die Menschen gehen auch wieder"

Die Menschen, die nach Deutschland kämen, würden die Sozialsysteme nicht belasten, betont der Volkswirtschaftler. "Im Gegenteil, offene Grenzen führen eigentlich dazu, dass Menschen nicht bloß kommen, sondern auch wieder gehen - das wird häufig übersehen."
2015 habe Deutschland zwar 2,1 Millionen Zuwanderer gehabt, aber knapp eine Million sei wieder gegangen. "In dem Augenblick, wo wir uns gegenüber offenen Märkten sperren, bleiben die Leute länger." Daraus resultieren Probleme bei der Integration: "Man schafft sich durch Abschottung Probleme, die man gar nicht haben möchte."

Europa droht, Fehler zu begehen

Die Europäer sollten sich noch einmal besinnen, ist der Volkswirtschaftler überzeugt. "Seit den 50er-Jahren versucht Europa zu offenen Arbeitsmärkten zu kommen. Warum? Weil es unter Experten Konsens ist, dass das die Integration der Wirtschaften stärkt und unsere wirtschaftlichen Chancen verbessert. Nun stehen wir plötzlich vor einer Debatte, in der das alles nicht mehr verstanden wird."
Zimmermann mahnt an, genauer hinzusehen: "Wir machen jetzt in Europa möglicherweise Fehler, die dann über Jahrzehnte zu Wohlfahrtsverlusten führen werden."
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