Migration der Form
In einem Monat wird die 12. Documenta in Kassel eröffnet. Für den Leiter der internationalen Schau zeitgenössischer Kunst, Roger Buergel, sind künstlerische Formen, die wieder erkennbar durch kulturelle Kontexte wandern, ein Präsentationsprinzip. Für Aufsehen dürfte unter anderem ein blühendes Mohnfeld einer kroatischen Künstlerin sorgen.
Die Zeltstadt auf der Kasseler Karlswiese vor der Orangerie, einer der Hauptorte der Documenta, nimmt wieder gigantische Ausmaße an. Wie schon seine beiden Vorgänger, Okwui Enwezor (2002) und Catherine David (1997), möchte der diesmalige künstlerische Leiter Roger Buergel die historische und soziale Dimension von Kunst in den Vordergrund stellen.
Um die Documenta zu verschlanken, werden nur noch ein Drittel der Künstler, also nur noch Hundert statt wie zuletzt dreihundert, ihre Werke zeigen.
Deutschlandradio Kultur wirft mit dem Journalisten und Kunstexperten Rudolph Schmitz einen Blick voraus. Lesen Sie hier einen Ausschnitt aus dem Gespräch:
Kassel: Es fällt auf, dass Roger Buergel moderne Kunst nicht gleichbedeutend mit zeitgenössischer Kunst setzt. Es wird zum Beispiel eine Miniatur aus dem persischen Raum aus dem 14. Jahrhundert zu sehen sein. Das hätte ich auf der Documenta eigentlich nicht erwartet.
Schmitz: Das hat es allerdings schon vorher gegeben. (…) Möglicherweise hat es aber bei Roger Buergel einen anderen Sinn. Wenn er eine Miniatur aus dem 14. Jahrhundert zeigt, die übrigens aus Berlin kommt, und darin festzustellen ist, dass dieser Künstler offensichtlich von chinesischer Landschaftsmalerei beeinflusst, diese Einflüsse in sein Werk hineingenommen hat, dann ist das ein interessanter Fall für das, was Roger Buergel "Migration der Form" genannt hat – also Formen, die wieder erkennbar durch verschiedene kulturelle Kontexte wandern. Und ich glaube, das ist auch die Idee seines Präsentationskonzeptes. (…)
Kassel: In Kassel-Wilhemshöhe wird ein thailändischer Künstler ein Reisfeld anpflanzen. Wo liegt da die Kunst?
Schmitz: Vielleicht könnte es etwas damit zu tun haben, dass es im Gartenbereich des Schlosses Wilhelhelmshöhe gezeigt wird. Und auch in der Barockzeit und in der Renaissance haben die Fürsten schon immer versucht, exotische Pflanzen, Weltbestandteile in ihre Gärten hineinzubringen. Das könnte ein Aspekt sein. (…) Dann wird ein Mohnfeld vor dem Museum Fridericianum erblühen. Dort sind am Friedrichsplatz alle Steine rausgerissen, da ist Erde aufgeschüttet worden, und da hat eine kroatische Künstlerin Mohn ausgesät, der soll, wenn die Documenta beginnt, erblühen. Wenn das Wetter keinen Strich durch die Rechnung macht, wird das ein phantastisches Bild werden. Die Künstlerin hat sich sehr mit den verschiedenen Bedeutungsebenen von Mohn befasst, die zum Beispiel mit afghanischen Frauengruppen Kontakt hat – Mohn als Lieferant von Opium, die Opiumindustrie wird bekämpft, bricht zusammen, daraus entsteht soziale Not. Und wenn man von vielleicht zehn Bedeutungen zwei erwischt, dann ist das doch auch eine ganze Menge. Es geht darum, zu erkennen, dass Kultur und Kunst etwas mit Vereinbarung zu tun haben.
Sie können das vollständige Gespräch für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.
Service:
Die 12. Documenta 2007 findet vom 16. Juni bis 23. September 2007 statt.
Um die Documenta zu verschlanken, werden nur noch ein Drittel der Künstler, also nur noch Hundert statt wie zuletzt dreihundert, ihre Werke zeigen.
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Kassel: Es fällt auf, dass Roger Buergel moderne Kunst nicht gleichbedeutend mit zeitgenössischer Kunst setzt. Es wird zum Beispiel eine Miniatur aus dem persischen Raum aus dem 14. Jahrhundert zu sehen sein. Das hätte ich auf der Documenta eigentlich nicht erwartet.
Schmitz: Das hat es allerdings schon vorher gegeben. (…) Möglicherweise hat es aber bei Roger Buergel einen anderen Sinn. Wenn er eine Miniatur aus dem 14. Jahrhundert zeigt, die übrigens aus Berlin kommt, und darin festzustellen ist, dass dieser Künstler offensichtlich von chinesischer Landschaftsmalerei beeinflusst, diese Einflüsse in sein Werk hineingenommen hat, dann ist das ein interessanter Fall für das, was Roger Buergel "Migration der Form" genannt hat – also Formen, die wieder erkennbar durch verschiedene kulturelle Kontexte wandern. Und ich glaube, das ist auch die Idee seines Präsentationskonzeptes. (…)
Kassel: In Kassel-Wilhemshöhe wird ein thailändischer Künstler ein Reisfeld anpflanzen. Wo liegt da die Kunst?
Schmitz: Vielleicht könnte es etwas damit zu tun haben, dass es im Gartenbereich des Schlosses Wilhelhelmshöhe gezeigt wird. Und auch in der Barockzeit und in der Renaissance haben die Fürsten schon immer versucht, exotische Pflanzen, Weltbestandteile in ihre Gärten hineinzubringen. Das könnte ein Aspekt sein. (…) Dann wird ein Mohnfeld vor dem Museum Fridericianum erblühen. Dort sind am Friedrichsplatz alle Steine rausgerissen, da ist Erde aufgeschüttet worden, und da hat eine kroatische Künstlerin Mohn ausgesät, der soll, wenn die Documenta beginnt, erblühen. Wenn das Wetter keinen Strich durch die Rechnung macht, wird das ein phantastisches Bild werden. Die Künstlerin hat sich sehr mit den verschiedenen Bedeutungsebenen von Mohn befasst, die zum Beispiel mit afghanischen Frauengruppen Kontakt hat – Mohn als Lieferant von Opium, die Opiumindustrie wird bekämpft, bricht zusammen, daraus entsteht soziale Not. Und wenn man von vielleicht zehn Bedeutungen zwei erwischt, dann ist das doch auch eine ganze Menge. Es geht darum, zu erkennen, dass Kultur und Kunst etwas mit Vereinbarung zu tun haben.
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Die 12. Documenta 2007 findet vom 16. Juni bis 23. September 2007 statt.