Migrantenmarsch aus Mittelamerika

"Es sieht für die Menschen nicht gut aus"

30:37 Minuten
21.10.2018, Mexiko, Ciudad Hidalgo: Mittelamerikanische Migranten marschieren in Richtung USA. Foto: Iván Sánchez/dpa | Verwendung weltweit
Auf der Suche nach einem besseren Leben - Mittelamerikanische Migranten marschieren durch Mexiko in Richtung USA. © dpa/Iván Sánchez
Anne-Katrin Mellmann im Gespräch mit Isabella Kolar · 14.11.2018
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Die Flüchtlinge aus El Salvador, Honduras und Guatemala nähern sich der US-Grenze oder sind in Teilen schon dort angekommen. Nach der Kongresswahl hat sich die aggressive Rhetorik von Präsident Trump beruhigt. Aber wie geht es nun weiter?
Inzwischen seien "sehr, sehr viele" Karawanen Richtung USA unterwegs, sagt unsere Korrespondentin Anne-Katrin Mellmann, die selbst in Mexiko-Stadt lebt. Manche Karawanen nur mit ein paar hundert Menschen, andere mit ein paar tausend:
"Die Menschen sind auf der Flucht vor Armut, vor Unsicherheit, vor Gewalt und vor diesem absoluten Mangel an Perspektiven."

40 Prozent der Honduraner leben in extremer Armut

In ihrer Heimat sähen sie keinerlei Möglichkeiten mehr, ihrer extrem prekären Lebenssituation zu entrinnen. Das trifft Mellmann zufolge vor allem auf die Migranten aus Honduras zu, wo zwei Drittel der Bevölkerung in Armut lebten, 40 Prozent sogar in extremer Armut, also von weniger als 1,90 Dollar pro Tag. "Hinzu kommt, dass der Staat nicht mehr die Sicherheit dieser Menschen gewährleisten kann, vor allem der armen Bevölkerung in den riesengroßen Armenvierteln der großen Städte." Denn diese würden beherrscht von Jugendbanden, den Maras, die die Bevölkerung erpressten.
Nach 1200 Kilometern zu Fuß - Zuflucht im Stadion von Mexiko-Stadt. Rachel Ribera aus Honduras mit ihrer dreijährigen Tochter Charlotte.
Nach 1200 Kilometern zu Fuß - Zuflucht im Stadion von Mexiko-Stadt. Rachel Ribera aus Honduras mit ihrer dreijährigen Tochter Charlotte.© Anne-Katrin Mellmann, ARD Mexiko
Viele Migranten hätten sich beim Start offenbar nicht wirklich klar gemacht, wie viele tausend Kilometer sie zurücklegen müssten. "Da sind Leute unterwegs in Plastikschuhen, in Flip-Flops, in Badeschuhen." Hinzu kommen die zum Teil extremen Witterungsbedingungen. "Deswegen haben viele auch schon aufgegeben", sagt Mellmann.
Nur wenige Flüchtlinge nähmen das Angebot der mexikanischen Regierung an und blieben in Mexiko. Die meisten, so unsere Korrespondentin, wollten weiter in die USA ziehen: "Denn was einfach der Traum dieser Menschen ist: in Sicherheit zu leben, ihre Kinder in Sicherheit zu haben, denen auch eine gute Bildung ermöglichen zu können, eine gute Schule – und eben Dollars verdienen zu können, von denen man dann auch einen Teil nach Hause schicken kann zu Angehörigen, die dort geblieben sind."
Erschöpft - Schlafen auf der Tribüne im Stadion von Mexiko-Stadt.
Erschöpft - Schlafen auf der Tribüne im Stadion von Mexiko-Stadt.© Anne-Katrin Mellmann, ARD Mexiko
Was die Menschen erwarte, wenn sie an der US-mexikanischen Grenze ankommen, sei derzeit noch nicht abzusehen. "Weil auch nicht so ganz klar ist, wie Donald Trump seine Drohung tatsächlich ausgestalten will, die Soldaten dort zu stationieren. Einige tausend sollen schon angekommen sein", so Mellmann. "Er hat ja mal gesagt, dass es bis zu 15.000 werden sollen und dass die dann bitteschön auch von ihren Schusswaffen Gebrauch machen sollen – für den Fall, dass möglicherweise ein Migrant einen Stein wirft."
Im Stadion von Mexiko-Stadt:  Yamileth und ihre Freundinnen.
Im Stadion von Mexiko-Stadt: Yamileth und ihre Freundinnen.© Anne-Katrin Mellmann, ARD Mexiko
Insofern könne sie sich vorstellen, dass viele Migranten an der Grenze erst einmal abwarten und Asyl beantragen würden. Wahrscheinlich müssten die Menschen dann irgendwann feststellen, dass es derzeit für sie kein Asyl gibt – was US-Präsident Trump bereits verkündet habe. In diesem Fall würden die Migranten dann wohl entweder umkehren oder versuchen, die Grenze illegal zu überqueren. Das allerdings sei wegen der Schlepper kostspielig und sehr gefährlich.
Die meisten Flüchtlinge hätten wohl gehofft, dass ihre Chancen besser seien, wenn sie in einer großen Gruppe an die Grenze kommen und der politische Druck und die Aufmerksamkeit der Medien groß sind, sagt Mellmann. Doch wahrscheinlich haben sie sich geirrt: "Also, es sieht für die Menschen insgesamt nicht gut aus."
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