Mietrecht

Ein bundesweiter Mietendeckel ist auch keine Lösung

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Illustration einer Menschenmenge, die einen Zebrastreifen überquert.
Wegen der unterschiedlichen Wohnungsmärkte hilft Christian Bergmann zufolge eine bundeseinheitliche Mietengrenze nicht weiter. Was also tun? © imago / Panthermedia
Ein Kommentar von Christian Bergmann · 21.04.2021
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Nach dem Scheitern des Berliner Mietendeckels vor Gericht stellt sich die Frage nach bezahlbarem Wohnraum umso dringlicher. Der Publizist Christian Bergmann rechnet damit, dass Wohnen zu einem zentralen Thema im Wahlkampf wird.
Bei der Diskussion rund um den Mietendeckel wurde gelegentlich das Argument angeführt, dass niemand ein Grundrecht auf eine Vierzimmer-Altbauwohnung in zentraler urbaner Wohnungslage habe. Das ist natürlich richtig, aber deutlich zu kurz gedacht. Wenn man diesem nämlich das Adjektiv "bezahlbar" hinzufügt, tritt die gesamtgesellschaftliche Sprengkraft des Themas in seiner vollen Wucht zutage. Denn was wir in vielen Städten derzeit erleben, ist eine Monokultur von Wohnräumen, welche die Klassenfrage neu stellt, jedoch meistens ohne Einbeziehung der Lohnfrage.
Politikerinnen und Politiker des Mitte-Links-Lagers wurden in den letzten Jahren nicht müde, das Wohnen als die soziale Frage unserer Zeit zu deklarieren. Tatsächlich ist es hierzulande ein Menschenrecht. Denn Deutschland hat den 1976 völkerrechtlich in Kraft getretenen "Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte" der Vereinten Nationen unterzeichnet, der das Recht auf Wohnen als ein solches Menschenrecht festschreibt. Dass dieses nicht nur in Deutschland seit jeher zur Disposition steht oder gar gänzlich abgesprochen wird, verstößt also gegen international geltendes Recht.
Die Lage am Wohnungs- und Arbeitsmarkt war schon vor Corona ein schlafender Vulkan. Das Virus hat diese soziale Frage weiter verschärft. Eine breite Allianz aus Gewerkschaften, Mieterbewegung, aber auch verantwortungsbewussten Vermieter- und Vermieterinnenverbänden ist daher nun nötig, um gemeinsam das Recht auf bezahlbares Wohnen lautstark einzufordern und der Bundespolitik Druck zu machen.

Eine weitere Absurdität des Föderalismus

Die Frage, ob ein Mietendeckel dabei überhaupt helfen kann, bleibt vorerst unbeantwortet. Denn in seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht inhaltlich nichts zum Berliner Mietendeckel gesagt. Auch nicht zu der Frage, wie sich ansonsten die explosive Lage auf dem Wohnungsmarkt entschärfen ließe. Das Gericht hat dem Land Berlin lediglich einen Formfehler bescheinigt, weil das Mietrecht nicht Sache der Länder sei, sondern dieses in die Kompetenz des Bundes falle. Dabei ist die Einführung eines Mietendeckels grundsätzlich von unserer Verfassung gedeckt.
Allerdings hat das jüngste Urteil eine weitere Absurdität des Föderalismus hierzulande offengelegt. Dort nämlich, wo längst bundeseinheitliche Regelungen überfällig wären wie etwa in der Bildungspolitik, haben allein die Länder das Sagen. Dort, wo es große regionale Unterschiede gibt wie auf dem Wohnungsmarkt, reguliert das Bundesrecht die Mieten.
Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes haben damals sicherlich noch keine Immobilienhaie oder Latte-Macchiato-Viertel und die damit einhergehende Goldgräberstimmung einiger weniger Profiteure im Sinne gehabt. Wir können das Urteil jedoch als politischen Ansporn nehmen, die Hoheit über das Mietrecht vom Bund auf die Länder zu übertragen, damit diese auf überhitzten Wohnungsmärkten mit eigenen Gesetzen reagieren können.

Welche Partei macht Wohnen zum Schlüsselthema?

Denn eine One-Size-Fits-All-Lösung für einen bundesweiten Mietendeckel dürfte angesichts der ungleich verteilten Löhne sowie bundesweit sehr unterschiedlicher Wohnungsmärkte keine Lösung sein.
Wie passend, dass in nur wenigen Monaten Bundestagswahlen sind.
Ich bin gespannt, welche Partei nun die konsequente Umsetzung des Rechts auf Wohnen als Schlüssel zum Wahlerfolg erkennt. Denn wenn uns diese Pandemie eines gelehrt hat, dann sicherlich, dass wir als Gesellschaft nicht am falschen Ende sparen, sondern investieren müssen. Dazu gehört neben der Pflege und Bildung eben auch - das Wohnen.

Christian Bergmann ist Politikwissenschaftler, Publizist und Kurator. Zuletzt war er als Projektmanager an einem Berliner Thinktank tätig. Zwischen 2018 und 2020 war er der Politische Direktor und Co-Geschäftsführer der Suchmaschine für politische Publikationen Paul Open Search. Christian Bergmann postet auf Twitter unter @CWBergmann sowie auf Insta unter @christian.w.bergmann.

Porträt von Christian Bergmann
© Anja Ligaya Weiss
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