Mickaël Launay: "Der große Roman der Mathematik“

Kurzweiliger Streifzug durch die Welt der Zahlen

Warum ergibt Minus mal Minus eigentlich Plus? Eine anschauliche Antwort findet sich in Mickaël Launays "Der große Roman der Mathematik".
Warum ergibt Minus mal Minus eigentlich Plus? Eine anschauliche Antwort findet sich in Mickaël Launays "Der große Roman der Mathematik". © C.H. Beck Verlag / imago
Von Gerrit Stratmann |
Man kann auch Musik mögen, ohne ein Instrument zu spielen. Genauso könne man Mathematik mögen, auch wenn man in Mathe eine Niete war, sagt der Youtuber Mickaël Launay. Und schreibt ein begeisterndes Sachbuch über Mathematik.
Auch wenn der Titel es suggeriert, der französische Mathematiker und fleißige Youtuber Mickaël Launay hat keinen Roman geschrieben. Sein Buch bleibt ein Sachbuch. Allerdings ein überaus zugängliches, das tatsächlich Stationen einer Geschichte erzählt: der Geschichte von der Entwicklung der Mathematik.
Denn Mickaël Launay konnte diesen Satz nicht mehr hören: "In Mathe war ich immer eine Niete." Dabei lieben wir doch auch Musik, selbst wenn wir kein Instrument spielen können. Ebenso muss niemand Mathematik betreiben, um ihre Errungenschaften schätzen zu können. Launays reichhaltig bebildertes Buch bietet dafür beste Voraussetzungen.

Eine Zeit- und Weltreise

Wann das Zählen begann, liegt im Dunkel der Geschichte. Aber Anfang des dritten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung, so Mickaël Launay, geschah etwas Bemerkenswertes. Die Zahlen lösten sich von den Dingen, die sie zählten. Plötzlich gab es nicht mehr nur "drei Schafe", sondern eine "Dreiheit" beliebiger Dinge. Das war die Geburtsstunde der Mathematik.
Von da an ging es rasch weiter: von den Grundrechenarten, der Geometrie, der Jagd nach Pi, der Einführung der Null und der negativen Zahlen zur Trigonometrie, dem Umgang mit Gleichungssystemen, dem Rechnen mit Unendlichkeiten, der Entdeckung imaginärer Zahlen und darüber hinaus.
Mickaël Launays kurzweiliger Streifzug ist aber nicht nur eine Zeit-, sondern auch eine Weltreise. Mesopotamien, Griechenland, Indien, Arabien, später Europa – überall spürt Mickaël Launay den Impulsen nach, die die Mathematik verändert und erweitert haben. Und weil Anschaulichkeit sein oberstes Gebot ist, stellt er selbst widersinnig erscheinende Rechenregeln verständlich dar (Warum ergibt Minus mal Minus eigentlich Plus? Chinesische Holzstäbchen verraten es…)
Schön ist, dass es ihm nicht nur um Zahlen und Rechenregeln geht. Auch die Schauplätze seiner Reise betrachtet er genauer, sei es der Louvre, in dem er Stunden verbringt auf der Jagd nach Symmetrien auf vorgeschichtlichen Tonvasen, sei es ein historischer Blick auf die Stadt Alexandria mit ihrer legendären untergegangenen Bibliothek oder das Haus der Weisheit im frühmittelalterlichen Bagdad.

Abstrakt und unerwartet lebendig

Mathematik bleibt die abstrakteste Wissenschaft, die der Mensch erdacht hat. Sie bringt imaginäre Zahlen und Körper in mehr als drei Dimensionen hervor, für die es keine Entsprechung in unserem Alltag gibt.
Dennoch beschreibt sie Vorgänge in unserer Welt mit solch unfassbarer Präzision, dass der Eindruck entsteht, die Natur selbst spreche in der Sprache der Mathematik zu uns. Ist unsere Welt aus mathematischen Prinzipien geboren? Oder ist Mathematik nur ein menschliches Konstrukt?
Auch Mickaël Launay kann diese Fragen nicht beantworten. Aber es macht Spaß, ihm auf seinen Streifzügen zu folgen. Berührungsängste muss hier niemand haben, und am Ende stellt sich die Mathematik unerwartet als eine lebendige Wissenschaft dar.

Mickaël Launay: "Der große Roman der Mathematik. Von den Anfängen bis heute"
Aus dem Französischen von Jens Hagestedt und Ursula Held
C.H.Beck Verlag, München 2018.
256 Seiten, 19,95 EUR

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