Michal Hvorecky: "Troll"

Ein digitaler Fiebertraum

Grüne Statue eines hockenden Trolls, umgeben von Bäumen, darüber geblendet das schwarze Buchcover von Michael Hvoreckys Roman "Troll".
Michael Hvoreckys Roman "Troll" ist eine mahnende Schilderung einer Welt, in der die üblen Aspekte von Netzkommunikation zu Ende gedacht worden sind. © Bild: imago/Kristin Piljay/Danita Delimont, Cover: Tropen
Von Marcus Richter · 06.11.2018
Der slowakische Autor Michal Hvorecky ist gefragter Gesprächspartner, wenn es um die politische Situation in Osteuropa geht. In seiner Science-Fiction-Geschichte "Troll" schildert er eine Quasi-Diktatur, in der die Trolle politisch das Sagen haben.
Michal Hvorecky ist gefragter Gesprächspartner zu Pressefreiheit, öffentlicher Kommunikation und der politischen Situation in seinem Heimatland Slowakei. Er ist nicht nur Romanautor, sondern schreibt auch für FAZ, Zeit und andere Zeitschriften. Mit "Troll" liefert er aber keine als Roman verkleidete Analyse ab, sondern einen Fiebertraum.

Troll-Werden in einer Quasi-Diktatur

Der Ich-Erzähler in "Troll" ist das Ergebnis zeitgenössischen Aberglaubens: Weil seine Mutter überzeugte Impfgegnerin war und ihn lieber zum Heilpraktiker statt zum Arzt brachte, ist er oft krank. Er verbringt große Teile seines Lebens im Krankenhaus. Durch die schlechte Versorgung verändert sich sein Körper. "Monströs" nennt er sich selbst und wird - erst einmal rein körperlich - zu einer Trollgestalt.
Michal Hvorecky, slowakischer Schriftsteller und Journalist
Der slowakische Schriftsteller und Journalist Michal Hvorecky© Stanislav Jenis
Nebenbei wird man in die Welt eines irgendwie osteuropäischen Landes eingeführt, das irgendwie in einer Quasi-Diktatur zu leben scheint und irgendwie von einem Russland-ähnlichen "Reich" kontrolliert wird. Die öffentliche Meinung wird durch Populismus, Propaganda und Trolle geprägt. Alles bleibt ein wenig unklar, aber bedrohlich, ohne genau erklärt zu werden.

Eine bösartige Welt

Man muss sich durch die erste Hälfte des Buches regelrecht durchkämpfen. Ein Erklärungsversuch der vielleicht zur Motivation verhilft: Hvorecky schreibt selbst wie ein Troll. Wirft den Lesern holzschnittartige Wortbrocken und Bilder hin, zeichnet eine bösartige Welt ohne sich mit Erklärungen aufzuhalten. Wie ein Trollpost im Netz:
"Wir bewiesen, dass es die Ukraine nie gegeben hat. Das abgeschossene Zivilflugzeug war schon vor dem Start mit Leichen gefühlt gewesen. In einer anderen Version hatte es eine deutsche Pharmafirma vom Himmel geholt, um die Wissenschaftler an Bord daran zu hindern, ein AIDS-Medikament zu entdecken."

Was braucht es, um Menschen anzustacheln?

Der Protagonist heuert in einer Agentur für professionelles Trollen an. Eigentlich um den Trollen, die die öffentliche Meinung prägen, das Handwerk zu legen. Aber bald schon scheint dem Wahn des Trollseins zu erliegen und selbst zu einem Troll zu werden.

Auf der Frankfurter Buchmesse haben wir ausführlich mit dem Autor gesprochen:
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Und auch wenn hier wiederum nichts genau erklärt wird, kann man nachfühlen wie sich ein Trollleben anfühlt. Wie ist es, mehrere Accounts zu betreiben und sich selbst gegenseitig aufzuhetzen? Wie wenig braucht es, um eine Menschenmasse anzustacheln?

Intensives Lese-Erlebnis mit Schwächen

Dieser Teil des Buches ist eindrucksvoll. Eine mahnende Schilderung einer Welt, die entstehen könnte, wenn man die übelsten Tendenzen von Populismus und Netzkommunikation konsequent zu Ende denkt. Man fühlt sich so hineingezogen in die Schmutzwelt der Trolle. So sehr, dass man sich nach dem Ende der Lektüre waschen möchte.
Auf einer anderen Ebene bleibt "Troll" schwach: Die Figuren bleiben schablonenhaft und die märchenhafte - gute - Wendung zum Schluß passiert einfach so und ohne überzeugende Erklärung. So hat man nach dem Ende des Buches weder eine ausgefeilte Gesellschaftskritik noch einen spannend zu Ende erzählten Roman. Man wird unbefriedigt und leicht verärgert zurückgelassen. Wie nach einem Trollpost eben

Michal Hvorecky: "Troll"
Übersetzt von Mirko Kraetsch
Tropen, Stuttgart 2018
216 Seiten, 18 Euro

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