Michael Sommer: "Bad Bank" gibt es nicht zum Nulltarif

Michael Sommer im Gespräch mit Christopher Ricke · 13.05.2009
Mit dem geplanten "Bad Bank"-Modell geht der Staat nach Einschätzung von DGB-Chef Michael Sommer ein großes finanzielles Risiko ein. Unklar sei noch, welche Gegenleistungen und Sicherheiten die Banken selbst erbringen müssten, kritisierte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Sommer forderte in dem Zusammenhang auch eine strengere Aufsicht der Finanzbranche.
Christopher Ricke: Es geht um sehr viel Geld, es geht um faule Wertpapiere, es geht um große Risiken, und wenn alles gut geht, dann geht's vielleicht auch um ein paar Chancen. Die Bad Banks sollen kommen, die virtuellen Banken für die Schrottpapiere der Finanzkrise. Das Bundeskabinett will heute über einen Gesetzentwurf zur Schaffung von Sammelstellen für solch faule Wertpapiere entscheiden, und der Bundesfinanzminister, der legt Wert darauf, die Banken stärker in die Pflicht zu nehmen und weniger den Steuerzahler.

Das Thema Bad Bank heute im Kabinett. Ich spreche jetzt mit dem Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, mit Michael Sommer, einem Mann, der etwas von Banken verstehen muss. Schließlich sitzt er selbst in Aufsichts- und Verwaltungsräten. Guten Morgen, Herr Sommer!

Michael Sommer: Guten Morgen!

Ricke: Kann denn das ein Gesetz wirklich alles leisten, die Landesbanken zusammenführen, die Risiken begrenzen, den Steuerzahler nicht gefährden? Das klingt doch ein bisschen nach eierlegender Wollmilchsau.

Sommer: Ich kenne auch den Gesetzentwurf nicht genau. Ich kenne Planungspapiere aus dem Bundesfinanzministerium. Ich hatte am Montagabend Gelegenheit, mit dem Bundesfinanzminister darüber zu reden. Es gibt, glaube ich, mehrere Fragen, aber vielleicht auch noch eine Sachaufklärung. Was jetzt passieren soll ist, dass wahrscheinlich um die 250 Milliarden Euro - in der Größenordnung - aus dem schon bestehenden Bankenrettungspaket, nämlich dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz, die bislang nicht abgerufen wurden, bereitgestellt werden, um eine Bad-Bank-Lösung zu machen.

Das sieht dann so aus, dass die Banken ihre schlechten Papiere - und zwar genau die strukturierten Papiere, die in die Finanzkrise geführt haben - in Zweckgesellschaften auslagern können. Diese Zweckgesellschaften können dann Schuldverschreibungen ausgeben und die werden dann gegen Bares bei der Bundesbank eingelöst - jedenfalls zum Teil. Das heißt, der Staat hilft massiv im Unterschied zu dem, was eben in Ihrem Beitrag gekommen ist, mit Geld aus, was den Banken für schlechte Risiken zur Verfügung gestellt wird. Dafür gibt es im Gegenzug bestimmte Auflagen, die sicherlich nicht den Träumen des Bankenverbandes entsprechen, und abgerechnet wird nach 20 Jahren, also im Jahre 2029, wenn man 2009 plus 20 rechnet, und dann wird man sehen, ob der Staat auf den schlechten Risiken sitzen bleibt, ob tatsächlich die geplante Dividendenregelung zieht, oder was auch immer.

Von daher, dass das zum Nulltarif ist, das stimmt überhaupt nicht. Der Staat tritt in eine große Vorleistung mit dem Ziel, wie er selbst sagt, die Kreditwirtschaft wieder ans Laufen zu bringen. Unser Problem ist dabei, dass wir nicht wissen, wie genau die Gegenleistungen aussehen, wie die Sicherheiten aussehen und ob nicht hier zum Schluss nur über einen gestreckten Zeitraum eine Sozialisierung der Verluste und eine Privatisierung der Gewinne stattfindet. Deswegen wird man das parlamentarische Verfahren sich genau ansehen müssen.

Ricke: Herr Sommer, Sie werden sich jetzt auf einem Kongress zur Wirtschafts- und Finanzkrise mit der Ursache und auch mit den sozialen Folgen beschäftigen. Die Ursachen kennen wir, die Folgen sehen wir gerade, jetzt geht es um Lösungen und da tun sich viele - auch die Gewerkschaften - gerade mit Maximalforderungen hervor: Zwangsanleihen für Reiche, höherer Spitzensteuersatz, höhere Erbschaftssteuer. Sind Sie da gerade in einem Überbietungswettbewerb mit Oskar Lafontaine?

Sommer: Nein, überhaupt nicht. Wir befinden uns auch noch nicht auf dem parteipolitischen Feld. Als wir im Dezember beschlossen haben, diesen Kongress zu organisieren und zu veranstalten, waren wir bei einem leichten Einbruch der Wirtschaftsleistung. Wir sind momentan bei Minus sechs Prozent. Hunderttausende, ja Millionen von Menschen sind in ihrer Existenz bedroht. Wir haben bislang es geschafft, Beschäftigungsbrücken zu bauen. Das ist auch okay, da haben wir alle gemeinsam einen guten Job gemacht, übrigens Arbeitgeber, Politik und Gewerkschaften gemeinsam, zum Beispiel durch die Kurzarbeitergeldregelung.

Nur eines muss natürlich auch passieren: Das, was in diese Krise geführt hat, muss aufgearbeitet werden und wir müssen Lehren daraus ziehen. Genau darum geht dieser Kongress. Da geht es auch nicht um einen Überbietungswettbewerb, es wird auch keine Beschlusspapiere oder sonstiges geben, es ist eine Diskussionsveranstaltung, wo wir mit Experten aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik darüber diskutieren wollen, wie wir tatsächliche Lösungswege aus der Krise finden können, weil die Menschen eines wissen: So was darf nie wieder passieren, zum Beispiel, dass der Staat Bad Banks einrichten muss, um die schlechten Risiken abzusichern.

Wir fordern zum Beispiel eine nachhaltige Regulierung des Finanzsektors. Hätte es die gegeben, bräuchten wir heute keine Bad Banks, und wenn wir heute Bad Banks brauchen, ist die logische Konsequenz, dass man mindestens sofort mit der Regulierung ansetzen muss und die einführen muss, damit so was nie wieder passiert.

Ricke: Wie selbstkritisch müssen denn die sein, die in Staat und Gesellschaft Verantwortung tragen? Herr Sommer, zum Beispiel Sie selbst; Sie sitzen ja auch in Bankenaufsichtsräten, auch Sie haben die Krise nicht rechtzeitig kommen sehen. Jetzt wollen Sie mit guten Argumenten die strafen, die im großen Finanzkasino gespielt haben. Aber es ist doch auch die Frage nach der Selbstkritik in allen Bereichen?

Sommer: Ja, natürlich gibt es die Frage nach Selbstkritik, aber bitte schön auch nach berechtigter. Die Spielereien an den Börsen, die Strukturierungen von Verbriefungen von Finanzprodukten, die Kettenbriefe, die dort gemacht worden sind, die sind alle außerhalb der staatlichen Aufsicht, aber auch der gesellschaftsrechtlichen Aufsicht der Banken passiert. Da haben einige Vorstände richtig gezockt, sich verzockt und in Deutschland viele Vorstände gemeint, sie müssten mit US-amerikanischen Banken und Rating-Agenturen mithalten.

Ricke: Und die Aufsichtsräte haben das alles nicht gesehen?

Sommer: Die Aufsichtsräte konnten es zum größten Teil nicht sehen, weil diese Geschäfte an ihnen vorbeigelaufen sind. Die Bilanzen sahen ja sauber aus, die Jahresabschlüsse sahen ja sauber aus, solange die Blase nicht platzte. Sondern es geht darum, zum Beispiel mehr Rechte für die Aufsichtsräte zu schaffen. Aber viel wichtiger ist eine strenge staatliche Aufsicht über das Finanzgebaren und das tägliche Finanzgebaren von Finanzinstituten, denn die Aufsichtsräte (egal ob in Industrieunternehmen, oder auch in Banken) haben eine Aufgabe: Sie machen die Strategie des Unternehmens, sie machen wichtige Personalentscheidungen. Ins operative Geschäft, wo das gemacht worden ist, dürfen und können sie sich nicht einmischen.