MH17-Abschuss in der Ukraine

Hat die Bundesregierung die Gefahr verschwiegen?

Die Absturzstelle im Osten der Ukraine - der BND gibt prorussischen Separatisten die Verantwortung für den Absturz
Die Absturzstelle im Osten der Ukraine © afp / Alexander Khudoteply
Von Thomas Kramer  · 27.04.2015
Es gibt neue Erkenntnisse über MH17 von Malaysia Airlines: Demnach wusste die Bundesregierung schon vor dem Abschuss der Maschine Bescheid über die gefährliche Lage im Luftraum der Ostukraine – und unternahm dennoch nichts.
Denise Kenke hat ihren Vater verloren. Er war einer der Passagiere von Flug MH17.
"Man ist schon, - man steht schon neben sich. Man weiß auch gar nicht, wie man mit der Situation umzugehen hat. Er wollte nach Bali, er wollte zu seiner neuen Freundin, die er da kennengelernt hat. Er wollte ja auswandern. Es war halt sein Flug in ein neues Leben."
Doch die Katastrophe, die ihm das Leben gekostet hat, wäre womöglich zu verhindern gewesen. Denn die Gefahr in der Ostukraine war zu diesem Zeitpunkt schon bekannt. Drei Tage vorher wurde in der Region ein Militärflugzeug in großer Höhe abgeschossen. Die ukrainische Regierung informierte sofort die Botschafter in Kiew, auch den deutschen.
In einer vertraulichen Notiz des Auswärtigen Amtes, die WDR, NDR und "SZ" vorliegt, heißt es unmittelbar danach:
Sprecherin: "Lage in Ostukraine sehr besorgniserregend. Abschuss ukrainischer Transportmaschine in 6.000 m Höhe stellt neue Qualität dar."
Bundesregierung warnte die Fluggesellschaften nicht
Für Militärexperten ist das ein klares Zeichen: Ein Abschuss in dieser Höhe bedeutet, dass in dem Kriegsgebiet Waffen zum Einsatz kommen, die auch Passagiermaschinen treffen können. Doch die Bundesregierung warnte die deutschen Fluggesellschaften nicht. Gegenüber WDR, NDR und "SZ" erklärt zum Beispiel Lufthansa:
Sprecherin: "Fakt ist, dass uns keine Informationen vonseiten der Behörden vor dem 17. Juli vorlagen."
... also vor dem Tag des Abschusses von MH 17.
So flog Lufthansa auch in diesen Tagen weiter über den gefährlichen Luftraum. Mehrfach. Der Flug von München nach Dehli zum Beispiel passierte nur zwanzig Minuten vor dem Abschuss von MH17 das Gefahrengebiet.
Ein Insider der Airline sagt, wenn die Bundesregierung gewarnt hätte mit dem Hinweis auf "neue Qualität", dann wäre Lufthansa sicher nicht mehr über die Ostukraine geflogen.
Das Auswärtige Amt schweigt dazu bislang. Ein Interview lehnen sowohl Außenminister Steinmeier als auch der deutsche Botschafter in Kiew ab. Das für Flugwarnungen zuständige Bundesverkehrsministerium schreibt auf Anfrage.
Sprecherin: "Zu einer etwaigen Verschärfung der Sicherheitslage für zivile Überflüge über die Ukraine hatte die Bundesregierung vor dem Absturz des MH17-Flugzeuges keine Informationen."
Ein klarer Widerspruch. Denn im Auswärtigen Amt wusste man es zu diesem Zeitpunkt schon besser.
Mehr zum Thema