Mexiko-City

Zerstreuung voller Leidenschaft

Mexico City : Mexicans dance to the rhythm of danzon music at the "Monumento a la Revolucion" in downtown Mexico City on October 26, 2008. More than 1000 couples danced in an attempt to break a Guinness record of people dancing this Cuban rhythm.
Mexiko-City: Menschen tanzen zu Danzón-Musik vor dem "Monumento a la Revolucion" in der Innenstadt © AFP PHOTO/Ronaldo SCHEMIDT
Von Markus Plate · 30.12.2014
Sie werfen sich in Schale und gehen tanzen - aber nicht etwa in Tanzlokal oder in Diskotheken. In Mexiko-City tanzen die Menschen am Wochenende auf öffentlichen Plätzen, neben Springbrunnen oder in Parks. Viele hoffen, dort mehr als nur einen Tanzpartner zu finden.
Gerade zwischen den Feiertagen kommt die sonst so hektische Mexiko-Stadt etwas zur Ruhe. Schulen, Behörden und viele Firmen machen Ferien, viele Hauptstädter verlassen die Stadt. Doch auch für diejenigen, die keine Verwandten in der Provinz besuchen oder Urlaub am Strand machen können, hat Mexiko-Stadt einiges zu bieten. Tanzen lernen zum Beispiel. Und das geht ebenso lauschig wie günstig: In den Parks der der Stadt gibt es fast täglich Salsa-, Cumbia- und sogar Breakdance-Kassen.
Die Leidenschaft von José Ignacio Domínguez Ramírez ist der Danzón. Der Meister kommt jeden Samstag im Anzug auf den Platz vor der alten Zitadelle, stellt einen alten Kofferverstärker auf und schließt und ein CD-Player an. Ein Dutzend Schülerinnen und Schüler erwartet ihn schon.
Der Danzón ist nicht zuletzt ein kurzes, kleines „sich Verlieben". Denn seine ersten zwei Melodien sind gemächlich und erlauben eine Annäherung. In der dritten Melodie wird es etwas sportlicher. Musik macht uns sensibel, es gibt Dialoge, und seien sie körperlicher Natur, über Blicke, die Arme, die Hände. Das ist sehr romantisch.
Im romantisch-eleganten Danzón tanzen die Partner umschlungen und halten ständig Augenkontakt. In den äußerst populären Tanzsalons der Stadt tragen die Herren Anzug, die Damen Ballkleid. Seine Ursprünge hat der Danzón in der alten französischen Contredanse. Vom ehemals französischen Haiti kam der Danzón nach Kuba, wo sich der einst elitäre Tanz der breiten Bevölkerung öffnete und schaffte es schließlich, vor fast einem Jahrhundert nach Mexiko.
Richtig in Schale werfen für den Tanz
Auch hier, auf dem Platz vor der Zitadelle am Rande des historischen Zentrums, ist der Danzón ein Vergnügen auch für den kleinen Geldbeutel. Gerade zwei Euro kassiert Meister José Ignacio von den Teilnehmern, dafür können sie den ganzen Nachmittag schwofen. Einige, wie die 50-jährige Rosalia entwickeln dabei einigen technischen Ehrgeiz, aber auch die soziale Komponente gefällt ihr.
"Erst üben wir neue Schritte ein, dann präsentieren wir das Gelernte in Paaren, die immer wechseln. Es macht mir Spaß, immer wieder mit anderen zu tanzen. Das Ganze ist Unterhaltung, Bewegung und Körpergefühl, und das alles unter Freunden, das ist doch schön!"
Auch jüngere Leute finden Gefallen am Danzón. Zum Tanzen im Park werfen sie sich sogar richtig in Schale. Vor allem aber viele ältere Semester freuen sich die ganze Woche lang auf José Ignacios Tanzkurs.
"Es kommen oft Witwen oder Witwer, oder Menschen, die sich von ihren Kindern allein gelassen fühlen. Sie freuen sich darauf, Freunde zu treffen, sich abzulenken, zu lachen. Viele haben hier eine Partnerin oder einen Partner getroffen, einen Menschen, mit dem sie ihr Leben teilen können."
Eine Lebenspartnerin zu finden, das ist auch Marcels großer Wunsch. Der 65-Jährige kommt einmal in der Woche zum Platz vor der alten Zitadelle. Mindestens. Fast zwei Stunden Anreise nimmt er dafür in Kauf.
"Ich komme hierhin, weil ich den Danzón liebe Und ich möchte ihn so richtig gut tanzen lernen. Für mich ist das hier aber auch eine wunderschöne Zerstreuung. Eine Therapie, um nicht zuviel zu grübeln und um nicht auf schlechte Gedanken zu kommen. Wenn ich eine Partnerin hätte, dann wäre das natürlich noch viel schöner. Im Moment tanze ich allein, aber eines Tages vielleicht, werde ich eine Frau kennenlernen, mit der ich tanzen kann."
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