Metzmacher wird Nagano-Nachfolger

Ingo Metzmacher hat seinen Vertrag als Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin unterzeichnet. Er wird damit Nachfolger des Amerikaners Kent Nagano. Metzmacher arbeitete zuvor unter anderem als Generalmusikdirektor der Hamburger Staatsoper und auch an der Nederlandse Opera Amsterdam. Deutschlandradio- Intendant Ernst Elitz bezeichnete Metzmacher als einen "herausragenden Dirigenten".
Als Ingo Metzmacher seinen Vertrag unterzeichnete und damit das im Berliner Kulturleben keineswegs selbstverständliche glückliche Ende langer Verhandlungen besiegelte, gab es allseits nur zufriedene Gesichter, nicht zuletzt bei den Gesellschaftern, also dem Deutschlandradio in Gestalt seines Intendanten Ernst Elitz, dem Bund, vertreten durch Kulturstaatsminister Bernd Neumann, und dem Land Berlin, repräsentiert durch Kultursenator Flierl. Für den größten Gesellschafter, das Deutschlandradio, wandte sich Elitz an den Künstler:

"Ich glaube, dass nach der Tradition, die dieses Orchester hat, wir mit Ihnen einen Dirigenten gefunden haben, der in der Reihe der herausragenden Dirigenten ganz neue Akzente setzen wird, der junge Akzente setzen wird und der dieses Orchester innerhalb der ROC in die Zukunft tragen wird."

Dass es gelungen ist, einen der herausragenden Dirigenten der Gegenwart als Nachfolger Kent Naganos an die Spree zu holen, macht alle glücklich, auch den Neuankömmling selbst, dem man bekanntlich in Hamburg zuletzt ziemlich übel mitgespielt hat:

"Ich freue mich außerordentlich, nach Berlin zu kommen, ein alter Traum von mir, schon lange geträumt."

Auch das Orchester ist zufrieden, und auch das ist keine Selbstverständlichkeit. Beim Deutschen Symphonieorchester ist er der Wunschkandidat oder, wie Orchestervorstand Martin Kögel es formulierte, ein Dirigent, der zum Orchester passt.

Gerühmt wird Metzmacher vor allem für seine innovativen Konzert- und Opernprogramme. Er verstehe es furios, Lust auf neue Musik zu machen, so die frühere Staatsministerin für Kultur Christina Weiss. Mutige Programme und Aufführungen zeitgenössischer Opern prägten seine sehr erfolgreichen Hamburger und sonstigen Aktivitäten.

Er gilt als einer der leidenschaftlichsten Fürsprecher der Musik des 20. Jahrhunderts. Als Einspringer für Christoph von Dohnanyi bei der Aufführung von Schrekers " Der ferne Klang" im Brüsseler Theatre de la Monnaie wurde Metzmacher 1988 international bekannt , und er etablierte sich bald als einer der Stars unter den jungen Dirigenten.

Metzmacher wollte Grenzen einreißen, Berührungsängste abbauen, mit Phantasie Schwung ins etablierte Musikleben bringen. Angst anzuecken hat er dabei nie gezeigt. An seiner Leidenschaft für zeitgenössische Musik hat sich nichts geändert. Die wird er auch in Berlin pflegen, und er kann dabei an die Arbeit seines Vorgängers Kent Nagano anknüpfen.

Ungewöhnliche Konzertprogramme aus Richard Strauß und Charles Ives, Bruckner und Rihm prägten dessen Berliner Zeit und zwar mit überwältigendem Erfolg. Ebenso dazu gehört die musikpädagogische Arbeit mit jungen Menschen. Aber Metzmacher hat sich noch ein spezielles Thema vorgenommen:

"Was mich interessiert , ist eine Auseinandersetzung mit dem Deutschen in der Musik, das interessiert mich einfach. Ich bin ein Deutscher. Erstens interessiert es mich persönlich und dann in der Konstellation, das Deutsche Symphonieorchester, von Deutschlandradio und deutscher Bundesregierung unterstützt. Ich halte das für ein sehr spannendes Thema, die Auslotung des Deutschen in der Musik. Das geht los mit Heinrich Schütz und Bach, weiter mit Schumann, Mendelssohn und ins 20. Jahrhundert. Und da wird es besonders spannend, weil es die lange Teilung gab deutscher Musik und dem nachzuspüren gerade in Berlin , das halte ich für sehr , sehr spannend, und das wird eines der Hauptthemen sein."

Leider hatte Metzmacher auf der Pressekonferenz nicht mehr die Zeit, genauer zu erläutern, was er damit meint. Wenn er nicht so unverdächtig wäre, könnte man schon ins Grübeln können.

Einige Kritiker werfen Metzmacher vor, sein rigoroses Eintreten für die Moderne lasse ihn die Klassik vernachlässigen. Seine Nachfolgerin an der Hamburger Staatsoper Simone Young jedenfalls stellte bei Antritt ihres Postens als Generalmusikdirektorin fest, dass es im Repertoire beim Belcanto Lücken gebe.

Die Politik, die, wie Kulturstaatsminister Bernd Neumann betonte, Metzmacher wollte, lässt sich nicht von neuen Klängen erschrecken:

"Wir haben keine Angst vor neuen Tönen. Wir freuen uns sogar auf Ihre neuen Töne und sind sicher, dass wir mit Ihnen spannende, schöne Konzertabende in Berlin und woanders in der Welt haben werden."

Diese rundum glückliche Personalentscheidung ist nicht nur für die Musikszene wichtig. Nachdem die Diskussionen über die Berliner Orchesterlandschaft für viel Unruhe sorgten, und ein Orchester, die Berliner Symphoniker der Sparpolitik bereits zum Opfer fiel, hofft man nun auf eine gewisse Verlässlichkeit. Besonders Berlins Kultursenator Flierl, wurde in den Auseinandersetzungen über die Orchesterlandschaft der Hauptstadt viel kritisiert, weil er der Rundfunkorchester und Chöre GmbH, kurz ROC, zu der das Rundfunk-Symphonieorchester und auch das Deutsche Symphonieorchester gehören, noch einen Teil der Verantwortung für das Berliner Symphonieorchester aufbürden wollte. Flierl bekannte sich heute zu Berlins Partnerschaft in der ROC und versicherte, dass

"… wir zugleich mit der Personalentscheidung eine Sicherung der Berliner Orchesterlandschaft vollziehen. Wir erinnern uns noch gut, dass vor ein bis zwei Jahren es Diskussionen gab über die Berliner Orchesterstruktur und es uns trotz Haushaltsnotlage gelungen ist, dass Berlin sich uneingeschränkt zum BSO und zu seiner eigenen Gesellschafterrolle für die ROC bekennt."

Metzmacher tritt seinen Posten zur Saison 2007/ 2008 an. Das Programm, so kündigte er an, werde ganz seine Handschrift tragen. Sein Kopf sei voller Ideen.