Metzger: Grüne vertreten „Wolkenkuckucksheim-Positionen“

Moderation: Marcus Pindur |
Der ehemalige Finanzexperte von Bündnis 90/Die Grünen, Oswald Metzger, hat der Partei einen Linksruck vorgeworfen. Überzeugte Markwirtschaftler würden immer stärker in den Hintergrund gedrängt, sagte Metzger. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, hingegen betonte, die Partei stehe für eine moderne, ökologisch orientierte Wirtschaftspolitik.
Marcus Pindur: Eine ganz große Überraschung war es nicht mehr, aber eine interessante Personalie ist es schon: Oswald Metzger, lange der profilierteste Finanzpolitiker der Grünen, hat gestern in der CDU-Kreisgeschäftsstelle in Biberach einen Mitgliedsantrag eingereicht. Von den Grünen zur CDU, das sind zwar keine unüberbrückbaren Distanzen mehr, wie wir seit der Hamburg-Wahl wissen, aber das ist immer noch ein ziemlicher Sprung. Ich begrüße jetzt zu einem Streitgespräch in Deutschlandradio Kultur den ehemaligen Grünen und das baldige CDU-Mitglied Oswald Metzger. Guten Morgen, Herr Metzger!
Oswald Metzger: Guten Morgen!
Pindur: Und den weiterhin überzeugten Grünen und Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer Volker Beck. Auch Ihnen einen guten Morgen, Herr Beck!
Volker Beck: Guten Morgen!
Pindur: Herr Beck, jenseits jeglicher Sprüche, wie sie jetzt schon gefallen sind, so nach dem Motto, Reisende soll man nicht aufhalten – bedauern Sie es nicht, einen so kompetenten Mann wie Oswald Metzger jetzt für immer verloren zu haben?
Beck: Also das muss Oswald wissen, wo er sich richtig aufgehoben fühlt. Ich finde, wir stehen für eine moderne Wirtschaftspolitik, die eben auch die Ökologie mit einbezieht. Und das Oswald Metzger da an dem Thema Ökologie vielleicht nicht mehr so viel Geschmack findet wie früher, oder so Themen wie Staatsbürgerschaftsreform und so etwas zur Seite legt, ja gut, dann soll er zur CDU gehen. Ich glaube, wir hatten und haben jede Menge kompetente Haushalts- und Finanzpolitiker wie Christine Scheel, wie Anja Hajduk. Also da müssen wir uns nicht verstecken und da keine Sorgen haben.
Pindur: Herr Metzger, Sie haben erklärt, Sie bräuchten Raum für Ihre marktwirtschaftlichen Überzeugungen. Warum treten Sie denn dann in die Union ein? Da wäre doch die FDP naheliegender gewesen.
Metzger: Weil ich als Grüner bereits in der zweiten Legislaturperiode noch in Bonn am Rhein Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung geworden bin und dort seit über zehn Jahren bin und weiß, wie stark eigentlich der Resonanzraum für diese alten marktwirtschaftlichen Positionen in der Unionsbasis ist. Und ein Stück weit ist diese marktwirtschaftliche Positionierung in der Union in Zeiten der Großen Koalition verschüttgegangen. Ich glaube, da habe ich eine Resonanz, die weit über das hinaus geht, was ich bei uns Grünen früher erlebt hatte.
Pindur: Aber selbst ein Markwirtschaftler wie Friedrich Merz sieht seine eigene Partei, die CDU, auf dem Weg einer schleichenden Sozialdemokratisierung. Warum also die CDU, trotzdem?
Metzger: Weil die Wirkmächtigkeit in einer Volkspartei eine wesentlich größere ist. Also es kommen zwei Dinge zusammen, die man zurzeit sehen muss. Wir haben im Augenblick einen Wettlauf kleinerer Parteien, getrieben vor allem von Oskar Lafontaine und seiner Linken, um möglichst viele Wohltaten bei der Bevölkerung. Da beteiligen sich alle politischen Parteien.
Beck: Vor allem auch die CDU, wo es jetzt dahin trägt, das finde ich schon erstaunlich. Wenn man gerade beim Thema Nachhaltigkeit die neuesten rentenpolitischen Diskussionen in der Großen Koalition, der die Union ja auch irgendwie angehört, sieht, oder die Diskussion aus der CSU über die Pendlerpauschale, Stichwort Subventionsabbau, dann verstehe ich ehrlich gesagt nicht, wie man gegenwärtig daran Geschmack finden kann. Eine moderne Wirtschafts- und Finanzpolitik heißt ja auch, mit den wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerinstrumenten zu steuern. Und deshalb ist es völlig falsch, wenn man jetzt eine Diskussion anfängt bei der Pendlerpauschale...
Pindur: Herr Beck, der Herr Metzger ist aber nicht in die CSU eingetreten.
Metzger: Lieber Volker Beck, also das ist ja genau mein Grund.
Beck: Ach, du willst die CDU sozusagen auf den Pfad der Gerechten zurückführen, weil du siehst, dass bei den Grünen sowieso alles im Lot ist, ist die Aufgabe bei der CDU da größer.
Metzger: Also wenn bei den Grünen alles im Lot wäre, wenn ich sehe, was beim letzten Bundesparteitag, der für mich das Fass zum Überlaufen brachte, an Wolkenkuckucksheim-Positionen vertreten wurde, das spricht jeglicher Nachhaltigkeitspolitik Hohn, wenn man Dutzende von Milliarden Euro auslobt an jährlichen Folgeleistungen, gleichzeitig die Steuererhöhung der politischen Konkurrenz attackiert, dann passt das wie die Faust aufs Auge. Nein, im Klartext gesprochen: Wir müssen, wenn wir in der Gesellschaft als Überzeugungsmarktwirtschaftler etwas verändern wollen, müssen wir verhindern, dass auch Volksparteien auf diese Volksbeglückungspolitik reinfallen. Wir haben doch zur Zeit einen schleichenden Koordinatenwechseln in unserer Gesellschaft gehabt. Also Rot-Grün hat noch vernünftige Sozialreformen gemacht, flankiert von der Unionsmehrheit...
Beck: Auch Dank der Grünen gerade, ne?
Metzger: ... flankiert von der Unionsmehrheit im Bundesrat. Die Grünen haben damals keine große Rolle mehr gespielt, sondern es war faktisch zwischen Schröder und Unionsmehrheit im Bundesrat eine Große Koalition.
Beck: Na ja, also da warst Du ein bisschen weit weg davon, Oswald. Das kann ich so nicht bestätigen. Die Impulse für eine vernünftige Reformpolitik kamen gerade von den Grünen.
Metzger: In der ersten rot-grünen Regierungszeit ja.

Beck: ... und die Punkte, die man jetzt gerade diskutiert, wo auch Hartz IV Schwachstellen hat, das sind Punkte, die wir damals in Kauf genommen haben, aber damals schon angesprochen haben, wie die Widersprüchlichkeit, dass man nicht einerseits den Leuten sagen kann, ihr müsst privat vorsorgen, und dann, wenn sie arbeitslos sind, sie zwingen, ihre private Vorsorge wieder aufzuzehren. Das waren gerade die Grünen, die da die vernünftigen Konzepte hatten, und wo CDU und SPD in der Tat im Bundesrat nicht mehr auf uns gehört haben. Und in der Bundesratsphase waren wir als kleine Partei, das ist nicht verwunderlich, nicht die große Gestaltungskraft, deshalb auch die Schwächen mancher Konzepte, wie sie dann gekommen sind. Und wo man heute daran herumdoktert, weil man...
Pindur: Herr Beck, warum hat man den Eindruck aber, trotz alldem, Sie können das auch nicht so einfach wegwischen, ein wirtschaftsfreundlichen oder einen marktnahen Flügel der Grünen gibt es jetzt nicht mehr, den gab es früher. Wollen Sie diese Klientel der FDP denn gar nicht mehr streitig machen?
Beck: Also das ist einfach objektiv falsch. Wir haben gerade auf dem letzten Parteitag...
Metzger: Also ich stelle fest, es gibt ein Gespräch mit Volker Beck. Ich kann mich hier an dieser Stelle verabschieden, wenn das ein Gespräch mit Volker Beck gibt, der natürlich als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer gewohnt ist, das Wort zu führen, dann bitte. Aber ich lasse ihn ausreden und er argumentiert jetzt praktisch an dem Thema vorbei. Natürlich ist es so, wenn er jetzt praktisch die große marktwirtschaftliche Linie der Grünen betont, warum haben dann die Grünen Leute wie mich beispielsweise nicht 2002, 2005 bei den Bundestagswahlen nominiert? Wieso hatte ich bei den Grünen dann als Marktwirtschaftler offensichtlich keinen Resonanzraum mehr? Warum sind Leute wie Matthias Berninger gegangen? Warum sind in der Bundestagsfraktion bis auf Reste, Christine Scheel und Anja Hajduk hast du genannt, keine Frauen und Männer mehr in diesem Feld da? Warum sind alle Nachrücker im Prinzip aus dem linken Lager? Warum wurde in der grünen Partei bei Parteitagen die Agenda 2010 auf eine Art und Weise diskreditiert, wie sie selbst bei SPD nicht diskreditiert wurde und schon gar nicht bei der Union. Also da kommt es an Geschichtsklitterei klingt es, wenn der Parlamentarische Geschäftsführer jetzt plötzlich hier die große Reformrolle der Grünen bemüht.
Beck: Also du wirst nicht wegreden können, dass wir gerade auf dem letzten Parteitag, auch wenn es dir gerade ins Austrittskonzept nicht so recht reinpassen will, ein Konzept zum Thema grüne Marktwirtschaft verabschiedet haben, das großes Interesse übrigens gerade auch bei Wirtschaftsverbänden hervorgerufen hat.
Metzger: In der ursprünglichen Fassung, aber nicht mehr in der verabschiedeten Fassung.
Beck: ... und wo Kuhn und andere, die daran mitgeschrieben haben, wie Kerstin André, die auch aus Baden-Württemberg kommt, hier sehr gefragt sind wegen den interessanten Ideen in diesem Bereich, weil wir zeigen, dass man mit grüner Politik schwarze Zahlen schreiben kann, dass man gerade im Bereich der Umwelttechnologie und ökologischen Modernisierung wirtschaftliche Entwicklungen für Deutschland erschließen kann. Das sind interessante Konzepte, die du nicht kleinreden kannst, bloß weil du Pech hattest bei der Aufstellung der Landesliste.
Pindur: Vielen Dank, Herr Beck, Sie haben jetzt noch etwas gesagt zu den Konzepten. Zum Schluss noch Herr Metzger, Sie wollen sich um ein Direktmandat im Wahlkreis Biberach für den Bundestag bewerben. Da gibt es aber schon mehrere Bewerber. Was machen Sie denn, wenn es damit nicht klappt?
Metzger: Dann bin ich nicht mehr in der Politik. Also ich habe kein Netz und doppelten Boden, und das müsste selbst ein Volker Beck anerkennen, so wie es seine Kollegen in Baden-Württemberg tun. Ich habe den Parteiwechsel vollzogen und habe mein Mandat, das ich für die Grünen errungen hatte, zurückgegeben. Also das tut nicht jeder, oder?
Beck: Das ist in der Tat anständiges Verhalten. Das will ich auch bei aller politischen Divergenz in den inhaltlichen Fragen und in den parteipolitischen Orientierungen nicht verkennen.
Pindur: Enden wir auf dieser versöhnlichen Note. Haben Sie beide recht herzlichen Dank für das Streitgespräch!
Metzger: Bitte, bitte!
Beck: Bitte schön, wiederhören!
Mehr zum Thema