Metaphysik und Machtdrang
Seit jeher ist die Menschheit fasziniert von der Möglichkeit einer Weltformel, in der sich alles Wissen verbindet und mit der sich alles erklären lässt. In seinem Buch "Der Traum von der Weltformel oder Warum das Universum schweigt" ist Dieter Hattrup der unaufhörlichen Suche nach der Weltformel auf den Grund gegangen. Die Umsetzung des Themas ist keineswegs wissenschaftlich trocken, sondern so gelungen wie einsichtig.
Hattrup nähert sich in seinem Buch dem Phänomen der Weltformel aus theologischer Sicht, aber auch von einem physikalischen und von einem philosophischen Standpunkt aus. Hattrup ist zwar "im Hauptberuf" Theologe, er hat aber auch Physik und Philosophie studiert sowie einen Doktortitel in Mathematik erworben. Darüber hinaus verarbeitet er in seinem Buch auch Ergebnisse aus der Hirnforschung und analysiert literarische Texte. Eine einseitige Betrachtungsweise oder eine "geistige Monokultur" kann man dem Autor also nicht vorwerfen. Und Kleriker, die sich mit Physik oder dem Universum befassen, gab es ja schon viele. So zum Beispiel der belgische Jesuit Georges Lemaitre, der 1931 die Urknallhypothese formulierte.
Die Frage nach der letzten, alles tragenden Wirklichkeit könne der Mensch sich nicht aus den Kleidern schütteln, sagt Hattrup. Der Mensch sei "hoffnungslos als Metaphysiker geboren", die Suche nach etwas jenseits seiner Erfahrung und Wahrnehmung liege ihm quasi im Blut. Einen weiteren Beweggrund sieht Hattrup in dem Satz "Wissen ist Macht", der auch für die Suche nach der Weltformel zutreffe. Denn wer mehr weiß, hat mehr Macht - im Falle der Weltformel über das Universum und damit auch über die eigene Existenz. Hierin sieht Hattrup auch den Grund für den starken Wunsch vieler Forscher nach Erkenntnis. Und allzu oft ist dieser starke Wunsch der Vater ihrer scheinbar objektiven Ergebnisse.
Dass es die Weltformel nicht geben kann, macht Hattrup mit einem Vergleich deutlich: Wie die Landtiere die zum Atmen notwendige Luft oft nicht bemerken, so ist sich der Naturwissenschaftler im Normalfall seines Subjektseins nicht bewusst. Seine Jacke kann er an der Tür zum Labor ablegen, seine Subjektivität nicht. Die Wissenschaft trennt bei ihren Beobachtungen zwar Subjekt und Objekt, enthält sich aber des Urteils, ob oder wieweit diese Trennung überhaupt möglich ist. Mit diesen Scheuklappen hat sich die Naturwissenschaft über Jahrhunderte von einem Teilerfolg zum nächsten gehangelt.
Seit der Entdeckung der Unschärferelation durch den Physiker Werner Heisenberg weiß man aber, dass es so etwas wie absolute Objektivität in der Physik nicht geben kann. Seit der Entdeckung der Quantenphysik macht aber die Suche nach einem alles umfassenden Wissen, also der Weltformel, keinen Sinn mehr. Die Quantenphysik hat den Zufall, das Nicht-Gesetzliche in der Physik zu einem Gesetz erhoben. Daraus zieht Hattrup den Schluss, dass das Universum kein Gegenstand der Wissenschaft sein könne. Und augenzwinkernd fügt er hinzu: "Seitdem ich das verstanden habe, spiele ich gerne mit Kosmologen in ihrem Sandkasten."
Das klingt ein wenig wie die schadenfrohe Rache eines Theologen an den Naturwissenschaftlern - und ein bisschen davon hat es auch. Die Theologie hat in den letzten Jahrhunderten immer wieder auf die grundsätzliche Unerklärbarkeit von Erscheinungen in der Natur gesetzt, um auf diese Weise einen Platz für Gott zu reservieren. Und sie wurde immer stärker und immer schneller widerlegt. Von den sechs Tagen, in denen Gott die Welt erschuf, dauert nach den Erkenntnissen der heutigen Physik jeder 2,3 Milliarden Jahre. Aber so wie sich der Glaube, die Religion in den letzten 500 Jahren, seit Beginn der Neuzeit, ständig verändern musste, so muss das jetzt auch die Naturwissenschaft.
Doch wird sich jetzt die Naturwissenschaft wohl nicht der Religion anpassen. Aber Hattrup zieht durchaus eine Art Renaissance des Glaubens in Betracht. Denn Sinn können wir im Kosmos nur finden, so Hattrup, wenn wir über die objektivierende Methode der Naturwissenschaft hinausgehen. Die Lücke, die durch die Quantenphysik im Wissen um die Welt geschaffen wurde, und die die Physik zu füllen sich seit 80 Jahren vergeblich abmüht, könnte theologisch fruchtbar werden.
Die Umsetzung des Themas ist keineswegs trocken, sondern so gelungen wie einsichtig. Hattrup richtet sich mit diesem Buch ganz bewusst nicht an Fachleute - für die dürfte es nicht viel Neues bringen. Er legt seine Thesen in sehr einfacher, anschaulicher Sprache dar, lockert sie mit Anekdoten auf und gewährt dem Leser sehr persönliche Einblicke in sein Leben, zum Beispiel wenn er darüber spricht, warum er Theologe wurde und nicht Mathematiker. Ein gutes, vielleicht sogar ein notwendiges Buch, dass sehr zum Nachdenken anregt, zumal Hattrup sich durchaus traut, auch unpopuläre Thesen zu vertreten. Jeder, der schon mal ein Buch von Stephen Hawking gelesen hat, sollte dieses Buch als Ergänzung lesen.
Dieter Hattrup: Der Traum von der Weltformel oder Warum das Universum schweigt
Herder Verlag, Freiburg 2006, 296 Seiten
Die Frage nach der letzten, alles tragenden Wirklichkeit könne der Mensch sich nicht aus den Kleidern schütteln, sagt Hattrup. Der Mensch sei "hoffnungslos als Metaphysiker geboren", die Suche nach etwas jenseits seiner Erfahrung und Wahrnehmung liege ihm quasi im Blut. Einen weiteren Beweggrund sieht Hattrup in dem Satz "Wissen ist Macht", der auch für die Suche nach der Weltformel zutreffe. Denn wer mehr weiß, hat mehr Macht - im Falle der Weltformel über das Universum und damit auch über die eigene Existenz. Hierin sieht Hattrup auch den Grund für den starken Wunsch vieler Forscher nach Erkenntnis. Und allzu oft ist dieser starke Wunsch der Vater ihrer scheinbar objektiven Ergebnisse.
Dass es die Weltformel nicht geben kann, macht Hattrup mit einem Vergleich deutlich: Wie die Landtiere die zum Atmen notwendige Luft oft nicht bemerken, so ist sich der Naturwissenschaftler im Normalfall seines Subjektseins nicht bewusst. Seine Jacke kann er an der Tür zum Labor ablegen, seine Subjektivität nicht. Die Wissenschaft trennt bei ihren Beobachtungen zwar Subjekt und Objekt, enthält sich aber des Urteils, ob oder wieweit diese Trennung überhaupt möglich ist. Mit diesen Scheuklappen hat sich die Naturwissenschaft über Jahrhunderte von einem Teilerfolg zum nächsten gehangelt.
Seit der Entdeckung der Unschärferelation durch den Physiker Werner Heisenberg weiß man aber, dass es so etwas wie absolute Objektivität in der Physik nicht geben kann. Seit der Entdeckung der Quantenphysik macht aber die Suche nach einem alles umfassenden Wissen, also der Weltformel, keinen Sinn mehr. Die Quantenphysik hat den Zufall, das Nicht-Gesetzliche in der Physik zu einem Gesetz erhoben. Daraus zieht Hattrup den Schluss, dass das Universum kein Gegenstand der Wissenschaft sein könne. Und augenzwinkernd fügt er hinzu: "Seitdem ich das verstanden habe, spiele ich gerne mit Kosmologen in ihrem Sandkasten."
Das klingt ein wenig wie die schadenfrohe Rache eines Theologen an den Naturwissenschaftlern - und ein bisschen davon hat es auch. Die Theologie hat in den letzten Jahrhunderten immer wieder auf die grundsätzliche Unerklärbarkeit von Erscheinungen in der Natur gesetzt, um auf diese Weise einen Platz für Gott zu reservieren. Und sie wurde immer stärker und immer schneller widerlegt. Von den sechs Tagen, in denen Gott die Welt erschuf, dauert nach den Erkenntnissen der heutigen Physik jeder 2,3 Milliarden Jahre. Aber so wie sich der Glaube, die Religion in den letzten 500 Jahren, seit Beginn der Neuzeit, ständig verändern musste, so muss das jetzt auch die Naturwissenschaft.
Doch wird sich jetzt die Naturwissenschaft wohl nicht der Religion anpassen. Aber Hattrup zieht durchaus eine Art Renaissance des Glaubens in Betracht. Denn Sinn können wir im Kosmos nur finden, so Hattrup, wenn wir über die objektivierende Methode der Naturwissenschaft hinausgehen. Die Lücke, die durch die Quantenphysik im Wissen um die Welt geschaffen wurde, und die die Physik zu füllen sich seit 80 Jahren vergeblich abmüht, könnte theologisch fruchtbar werden.
Die Umsetzung des Themas ist keineswegs trocken, sondern so gelungen wie einsichtig. Hattrup richtet sich mit diesem Buch ganz bewusst nicht an Fachleute - für die dürfte es nicht viel Neues bringen. Er legt seine Thesen in sehr einfacher, anschaulicher Sprache dar, lockert sie mit Anekdoten auf und gewährt dem Leser sehr persönliche Einblicke in sein Leben, zum Beispiel wenn er darüber spricht, warum er Theologe wurde und nicht Mathematiker. Ein gutes, vielleicht sogar ein notwendiges Buch, dass sehr zum Nachdenken anregt, zumal Hattrup sich durchaus traut, auch unpopuläre Thesen zu vertreten. Jeder, der schon mal ein Buch von Stephen Hawking gelesen hat, sollte dieses Buch als Ergänzung lesen.
Dieter Hattrup: Der Traum von der Weltformel oder Warum das Universum schweigt
Herder Verlag, Freiburg 2006, 296 Seiten