"Merkel ist jetzt allein zu Haus"
Erst Röttgen, Guttenberg und Wulff - jetzt auch noch de Maizière? Der Verteidigungsminister ist durch das Drohnen-Debakel beschädigt und um die Kanzlerin wird es immer einsamer, sagt der Politikberater Michael Spreng. Für die Union werde der Mangel an möglichen Merkel-Nachfolgern allmählich zum Problem.
Korbinian Frenzel: Das wird kein einfacher Tag für Thomas de Maizière. Heute Vormittag wird er sich gegenüber dem Bundestag erklären müssen, warum sein Ministerium Hunderte Millionen für eine Drohne in den Sand gesetzt hat. Und vor allem wird es darum gehen, was er selbst wann wusste. Genug Stoff ist das für ernsthafte Spekulationen, ob der Verteidigungsminister überhaupt im Amt bleiben kann, und selbst wenn, eines ist klar: Es hat sich mal wieder einer politisch demontiert, einer in unmittelbarer Nähe der Kanzlerin, nach zu Guttenberg, nach Wulff, nach Roettgen – nun also der treue de Maizière.
Langsam aber sicher kann einem da unheimlich werden – was macht Angela Merkel, dass ihre Mannen allesamt von Bord gehen oder dass zumindest ihr Stern nicht allzu lange strahlen darf? Michael Spreng ist am Telefon, Politikberater, ehemaliger Chefredakteur der "Bild am Sonntag" und Wahlkampfleiter von Edmund Stoiber. Guten Morgen!
Michael Spreng: Guten Morgen, Herr Frenzel!
Frenzel: Alle in der Union, denen mal das Zeug zum Kanzler zugetraut wurde, sind weg vom Fenster oder auf dem absteigenden Ast. Kann das noch Zufall sein, Herr Spreng?
Spreng: Ja, es sind unterschiedliche Gründe, warum das so gekommen ist. Die einen haben sich selbst zerlegt, eine große Hoffnung der CDU ist von Frau Merkel aus dem Amt gedrängt worden, nämlich Friedrich Merz, damals aus dem Fraktionsvorsitz, aber es gibt ja auch Frauen, die gehen mussten, wie zum Beispiel frau Schavan, die Bildungsministerin, eine enge Vertraute von Frau Merkel.
Frenzel: Aber es fällt ja auf, es ist irgendwie keiner mehr da, und gerade die, die auch so einen gewissen eigenen Akzent entwickelt haben, gerade die sind weg. Ist das vielleicht unbewusst, aber doch irgendeine Art System?
Spreng: Ja, Frau Merkel ist jetzt allen zu Haus. Sie haben resigniert teilweise, Roland Koch ist in die Wirtschaft gegangen, weil er merkte, dass der Fahrstuhl nach oben nicht mehr weitergeht. Sie haben teilweise resigniert, teilweise sind sie an sich selbst gescheitert, und sie sind an dieser Beharrlichkeit, mit der Frau Merkel ganz ruhig ihr Amt ausübt und immer weiter macht, an dieser Beharrlichkeit und Zähigkeit sind viele gescheitert und verzweifelt.
Frenzel: Sie sagen, sie führt ihr Amt ruhig aus, man könnte ja auch sagen, sie führt es so ruhig aus, dass sie eben auch gar nicht wirklich Fehler machen kann, Fehler machen dann die anderen in der Regierung. Ist das Teil der Diagnose?
Spreng: Na gut, sie hat ja die Ressortverantwortung, wie zum Beispiel im Fall de Maizière. So ein Verteidigungsminister ist immer ein gefahrengeneigtes Amt, es ist ein skandalträchtiges Amt, gerade was Beschaffungswesen betrifft, und jetzt hat es Herrn de Maizière erwischt, vor ihm waren schon andere Minister davon betroffen. Also in jedem Fall liegen schon die Gründe ein bisschen anders. Ich wehre mich ein bisschen gegen das Klischee der männermordenden Kanzlerin, sondern sie kann eiskalt sein wie im Fall Norbert Roettgen, den sie entließ, sie kann einen brutalen Machtkampf gewinnen wie gegen Friedrich Merz, aber alle anderen haben sich selbst zerlegt.
Frenzel: Aber man könnte natürlich auch sagen, gerade bei dem, was Sie zum Verteidigungsministerium gesagt hatten: Die, die man mag, die schickt man auf diesen Posten gar nicht erst.
Spreng: Ja, gut, in einer Notsituation, und das war ja die CDU/CSU, nachdem zu Guttenberg gehen musste, da müssen halt die letzten Getreuen ran. Ich meine, de Maizière ist ein besonders enger Vertrauter von Frau Merkel. Sie hoffte wohl, dass ein Mann, den Sie ja sehr schätzt und der ja auch exzellente Arbeit im Kanzleramt und im Innenministerium geleistet hatte, dass es dem gelänge, dieses Ministerium in den Griff zu bekommen und auch diese Bundeswehrreform zu bewerkstelligen.
Frenzel: Glauben Sie denn, dass er sich halten kann, dass Thomas de Maizière Verteidigungsminister bleibt?
Spreng: Ja, das entscheidet sich heute. Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder er hat es gewusst und die Öffentlichkeit und das Parlament getäuscht oder aber er ist von seinen eigenen Leuten nicht informiert oder getäuscht worden. Also entweder muss er selbst Konsequenzen ziehen oder er muss in seinem Ministerium aufräumen. Er wird auf jeden Fall angeschlagen sein anschließend, so oder so, denn die Amtsverantwortung liegt ja bei ihm, also er ist ein beschädigter Minister für den Rest der Legislaturperiode.
Frenzel: Gibt es denn überhaupt noch jemanden in der Union, wo Sie sagen, wenn Angela Merkel, sei es, dass sie nach Brüssel geht, sei es, dass sie selbst keine Lust mehr hat, abtritt, der dann den Laden übernehmen könnte?
Spreng: Nein, de Maizière war der Letzte. Das heißt, die Union hat keinen Führungsnachwuchs oder keine starken Leute mehr auf dieser Ebene, die für die Kanzlerschaft infrage kämen. Frau Merkel ist wirklich allein zu Haus, oder um ein Wort von ihr zu gebrauchen, sie ist wirklich alternativlos.
Frenzel: Nun wäre das ja alles kein Dilemma, wenn wir die Endphase einer Regierung erleben würden, wenn wir wüssten, im September ist sowieso Schluss, da kommt was Neues. Jetzt ist ja die Befürchtung, der Verdacht naheliegend, dass es doch noch irgendwie weitergehen könnte. Hat denn diese Union überhaupt noch die Manpower, um zu regieren?
Spreng: Ja, das ist ja das Problem: Nach zwei Legislaturperioden wird es ja bei vielen Regierungen eng, was die guten Leute betrifft. Aber die CDU ist ja in dem Sinne auch keine Partei mehr, die breit aufgestellt ist. Sie ist inzwischen wieder, wie zu Helmut Kohls Zeiten, ein Kanzlerwahlverein oder Kanzlerinnenwahlverein. Es ist im Grunde die Merkel-Partei. Sie hat sich der Kanzlerin auch ausgeliefert, und das kann natürlich nur zu einem Riesenproblem werden. Wenn Frau Merkel nicht mehr ist, was wird dann eigentlich aus der CDU, und wie will sie künftig noch hohe Ämter besetzen? Also man kann gespannt sein, wie sich die CDU personell weiterentwickelt.
Frenzel: Ich meine, das ähnliche Problem hatte ja auch die SPD unter Gerhard Schröder, da sah man ja auch kein Land in der Endphase der Regierungszeit, keinen Sozialdemokraten mehr, und jetzt gibt es ja immerhin ein paar. Ist das vielleicht die natürliche Phase, die dann in der Opposition kommen muss?
Spreng: Ja, in der Opposition, heißt es ja immer zu Recht, regeneriert sich eine Partei, es können neue Talente nach oben kommen, also die Posten sind nicht mehr so attraktiv, aber dann ist auch der Kanal wieder frei für Karrieren, und das ist normalerweise die Regeneration in der Opposition. Nur der CDU scheint die ja nicht bevorzustehen.
Frenzel: Aber hätte sie das nötig aus Ihrer Sicht, diese Phase der Regeneration in der Opposition?
Spreng: Ja, die CDU hätte auf jeden Fall es nötig, einen breiten Führungsnachwuchs zu haben, und ministrable Frauen und Männer. Es gibt einige wenige noch, siehe Frau von der Leyen und so weiter, aber es fehlt die Breite. Die CDU ist nach ihrer Regierungszeit schon erstaunlich personell ausgezehrt.
Frenzel: So sieht das der Politikberater Michael Spreng. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!
Spreng: Ich danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Langsam aber sicher kann einem da unheimlich werden – was macht Angela Merkel, dass ihre Mannen allesamt von Bord gehen oder dass zumindest ihr Stern nicht allzu lange strahlen darf? Michael Spreng ist am Telefon, Politikberater, ehemaliger Chefredakteur der "Bild am Sonntag" und Wahlkampfleiter von Edmund Stoiber. Guten Morgen!
Michael Spreng: Guten Morgen, Herr Frenzel!
Frenzel: Alle in der Union, denen mal das Zeug zum Kanzler zugetraut wurde, sind weg vom Fenster oder auf dem absteigenden Ast. Kann das noch Zufall sein, Herr Spreng?
Spreng: Ja, es sind unterschiedliche Gründe, warum das so gekommen ist. Die einen haben sich selbst zerlegt, eine große Hoffnung der CDU ist von Frau Merkel aus dem Amt gedrängt worden, nämlich Friedrich Merz, damals aus dem Fraktionsvorsitz, aber es gibt ja auch Frauen, die gehen mussten, wie zum Beispiel frau Schavan, die Bildungsministerin, eine enge Vertraute von Frau Merkel.
Frenzel: Aber es fällt ja auf, es ist irgendwie keiner mehr da, und gerade die, die auch so einen gewissen eigenen Akzent entwickelt haben, gerade die sind weg. Ist das vielleicht unbewusst, aber doch irgendeine Art System?
Spreng: Ja, Frau Merkel ist jetzt allen zu Haus. Sie haben resigniert teilweise, Roland Koch ist in die Wirtschaft gegangen, weil er merkte, dass der Fahrstuhl nach oben nicht mehr weitergeht. Sie haben teilweise resigniert, teilweise sind sie an sich selbst gescheitert, und sie sind an dieser Beharrlichkeit, mit der Frau Merkel ganz ruhig ihr Amt ausübt und immer weiter macht, an dieser Beharrlichkeit und Zähigkeit sind viele gescheitert und verzweifelt.
Frenzel: Sie sagen, sie führt ihr Amt ruhig aus, man könnte ja auch sagen, sie führt es so ruhig aus, dass sie eben auch gar nicht wirklich Fehler machen kann, Fehler machen dann die anderen in der Regierung. Ist das Teil der Diagnose?
Spreng: Na gut, sie hat ja die Ressortverantwortung, wie zum Beispiel im Fall de Maizière. So ein Verteidigungsminister ist immer ein gefahrengeneigtes Amt, es ist ein skandalträchtiges Amt, gerade was Beschaffungswesen betrifft, und jetzt hat es Herrn de Maizière erwischt, vor ihm waren schon andere Minister davon betroffen. Also in jedem Fall liegen schon die Gründe ein bisschen anders. Ich wehre mich ein bisschen gegen das Klischee der männermordenden Kanzlerin, sondern sie kann eiskalt sein wie im Fall Norbert Roettgen, den sie entließ, sie kann einen brutalen Machtkampf gewinnen wie gegen Friedrich Merz, aber alle anderen haben sich selbst zerlegt.
Frenzel: Aber man könnte natürlich auch sagen, gerade bei dem, was Sie zum Verteidigungsministerium gesagt hatten: Die, die man mag, die schickt man auf diesen Posten gar nicht erst.
Spreng: Ja, gut, in einer Notsituation, und das war ja die CDU/CSU, nachdem zu Guttenberg gehen musste, da müssen halt die letzten Getreuen ran. Ich meine, de Maizière ist ein besonders enger Vertrauter von Frau Merkel. Sie hoffte wohl, dass ein Mann, den Sie ja sehr schätzt und der ja auch exzellente Arbeit im Kanzleramt und im Innenministerium geleistet hatte, dass es dem gelänge, dieses Ministerium in den Griff zu bekommen und auch diese Bundeswehrreform zu bewerkstelligen.
Frenzel: Glauben Sie denn, dass er sich halten kann, dass Thomas de Maizière Verteidigungsminister bleibt?
Spreng: Ja, das entscheidet sich heute. Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder er hat es gewusst und die Öffentlichkeit und das Parlament getäuscht oder aber er ist von seinen eigenen Leuten nicht informiert oder getäuscht worden. Also entweder muss er selbst Konsequenzen ziehen oder er muss in seinem Ministerium aufräumen. Er wird auf jeden Fall angeschlagen sein anschließend, so oder so, denn die Amtsverantwortung liegt ja bei ihm, also er ist ein beschädigter Minister für den Rest der Legislaturperiode.
Frenzel: Gibt es denn überhaupt noch jemanden in der Union, wo Sie sagen, wenn Angela Merkel, sei es, dass sie nach Brüssel geht, sei es, dass sie selbst keine Lust mehr hat, abtritt, der dann den Laden übernehmen könnte?
Spreng: Nein, de Maizière war der Letzte. Das heißt, die Union hat keinen Führungsnachwuchs oder keine starken Leute mehr auf dieser Ebene, die für die Kanzlerschaft infrage kämen. Frau Merkel ist wirklich allein zu Haus, oder um ein Wort von ihr zu gebrauchen, sie ist wirklich alternativlos.
Frenzel: Nun wäre das ja alles kein Dilemma, wenn wir die Endphase einer Regierung erleben würden, wenn wir wüssten, im September ist sowieso Schluss, da kommt was Neues. Jetzt ist ja die Befürchtung, der Verdacht naheliegend, dass es doch noch irgendwie weitergehen könnte. Hat denn diese Union überhaupt noch die Manpower, um zu regieren?
Spreng: Ja, das ist ja das Problem: Nach zwei Legislaturperioden wird es ja bei vielen Regierungen eng, was die guten Leute betrifft. Aber die CDU ist ja in dem Sinne auch keine Partei mehr, die breit aufgestellt ist. Sie ist inzwischen wieder, wie zu Helmut Kohls Zeiten, ein Kanzlerwahlverein oder Kanzlerinnenwahlverein. Es ist im Grunde die Merkel-Partei. Sie hat sich der Kanzlerin auch ausgeliefert, und das kann natürlich nur zu einem Riesenproblem werden. Wenn Frau Merkel nicht mehr ist, was wird dann eigentlich aus der CDU, und wie will sie künftig noch hohe Ämter besetzen? Also man kann gespannt sein, wie sich die CDU personell weiterentwickelt.
Frenzel: Ich meine, das ähnliche Problem hatte ja auch die SPD unter Gerhard Schröder, da sah man ja auch kein Land in der Endphase der Regierungszeit, keinen Sozialdemokraten mehr, und jetzt gibt es ja immerhin ein paar. Ist das vielleicht die natürliche Phase, die dann in der Opposition kommen muss?
Spreng: Ja, in der Opposition, heißt es ja immer zu Recht, regeneriert sich eine Partei, es können neue Talente nach oben kommen, also die Posten sind nicht mehr so attraktiv, aber dann ist auch der Kanal wieder frei für Karrieren, und das ist normalerweise die Regeneration in der Opposition. Nur der CDU scheint die ja nicht bevorzustehen.
Frenzel: Aber hätte sie das nötig aus Ihrer Sicht, diese Phase der Regeneration in der Opposition?
Spreng: Ja, die CDU hätte auf jeden Fall es nötig, einen breiten Führungsnachwuchs zu haben, und ministrable Frauen und Männer. Es gibt einige wenige noch, siehe Frau von der Leyen und so weiter, aber es fehlt die Breite. Die CDU ist nach ihrer Regierungszeit schon erstaunlich personell ausgezehrt.
Frenzel: So sieht das der Politikberater Michael Spreng. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!
Spreng: Ich danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Michael Spreng, Politikberater© picture alliance / dpa