Merkel in Israel

Von Margarete Limberg |
Mit dem halben Kabinett war Angela Merkel nach Israel gereist – und diese Begegnungen sollen sich fortan jährlich wiederholen – so wie es mit Frankreich, Polen, Russland, Spanien und Italien geschieht. Schon das zeigt eine neue Qualität in den deutsch – israelischen Beziehungen, die nun von einer Breite und Intensität sind, wie es noch vor wenigen Jahren undenkbar schien. Man scheut sich allmählich den Begriff " historisch" zu verwenden, auf diese Reise der Bundeskanzlerin trifft er aber zu.
Zwar haben vor Angela Merkel schon andere Deutsch in der Knesset gesprochen, die Bundespräsidenten Johannes Rau und Host Köhler. Aber keinem Regierungschef vor ihr wurde diese Ehre zuteil, das israelische Parlament änderte deshalb sogar seine Geschäftsordnung. Und was zuvor für viele Israelis äußerst schmerzlich war, an diesem Ort die Sprache der Täter zu hören, das stört offenbar nur noch eine kleine Minderheit.

Es geht nicht darum, dass sich etwas Sensationelles ereignet hätte. Auch Merkels Rede enthielt nichts, was man nicht erwarten konnte. Wie Helmut Kohl sprach sie von "Verbrechen in deutschem Namen", schon ihre Vorgänger haben keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass Deutschland wegen des Massenmords an den europäischen Juden eine bleibende Verantwortung für die Sicherheit Israels trägt. Dass dies Teil der deutschen Staatsraison ist, hat Joschka Fischer in seiner Zeit als Außenminister wiederholt hervorgehoben. Gleichwohl hat man den Eindruck, als ob Angela Merkel ein besonderes Gespür für die israelischen Ängste hat, als ob sie sich besser als die meisten ihrer deutschen Landsleute in jene israelischen Bürger hineinzuversetzen vermag, deren Städte tagtäglich das Ziel von Raketen der islamistischen Hamas aus dem Gazastreifen sind.

Ihre eindeutige Sprache in allem was Israels Sicherheit angeht, nicht zuletzt im Blick auf die Bedrohung durch den Iran, verleiht ihr in Israel den Ruf besonderer Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit. Allerdings ist damit auch eine Verpflichtung verbunden, wenn es um mehr gehen soll als leere Solidaritätsformeln. Wie weit geht diese Solidarität mit Israel konkret, wenn der Iran seine nuklearen Ambitionen nicht nachprüfbar aufgibt ? Darauf gibt es bisher keine klare Antwort.

Manche Beobachter bemängeln, dass Angela Merkel bei ihrer Israel- Reise keinen Abstecher nach Ramallah zur palästinensischen Autonomiebehörde eingeplant hat, dass sie die Palästinenser kaum erwähnt habe und nicht kritisch genug mit der israelischen Siedlungs – und Besatzungspolitik umgegangen sei. Diese Zurückhaltung hat ganz sicher auch mit dem Ort und Anlass der Rede zu tun. Die Knesset – ja jede öffentliche Bühne in Israel ist kaum geeignet für einen deutschen Bundeskanzler, dort den Schulmeister zu geben. Außerdem sieht aus der Nähe manches anders aus als aus dem fernen und sicheren Hort Bundesrepublik, deren Existenz von niemandem in Frage gestellt wird. Die Zurückhaltung der Kanzlerin hat also einen guten Grund.

Dennoch sollte sie darauf bedacht sein, nicht den Eindruck der Einseitigkeit im Nahost –Konflikt aufkommen zu lassen. Man kann über das Leid der Palästinenser reden und ihre Rechte anmahnen, ohne die unumstößliche Solidarität mit Israel und das Einstehen für seine Sicherheit auch nur im geringsten in Frage zu stellen. Wenn die arabischen Staaten genau wissen, dass das Bekenntnis zur Existenzsicherung Israels nicht verhandelbar ist, muss das eine konstruktive Rolle Deutschlands im Nahost –Konflikt keineswegs behindern – solange dies nicht bedeutet, auf einem Auge blind zu sein.

Der Besuch Merkels in Israel knüpft in den politischen Grundlinien an die Vorgänger an. Dennoch gibt es eine neue Qualität in den Beziehungen, bei denen die Gestaltung der Zukunft immer stärker ins Blickfeld rückt. Die Serie der unterzeichneten Abkommen wirft ein Schlaglicht auf ein modernes , ungeheuer vielfältiges Israel, das enorm viel zu bieten hat, aber so hierzulande kaum wahrgenommen wird.

Das Bild Israels in der deutschen Öffentlichkeit ist seit einigen Jahren eher negativ geprägt, die tagtägliche Bedrohung wird kaum gewürdigt, Verständnis für seine Lage ist trotz des Terrors rar geworden. 52 Prozent aller Bundesbürger finden nicht, dass Deutschland wegen des Holocaust eine besondere Verantwortung für Israel trägt. Das hat offenbar eine noch so engagierte Kanzlerin nicht ändern können.

Aber die Erinnerung an Auschwitz wird unabhängig von demoskopischen Ergebnissen niemals vergehen und nur wenn wir Deutschen anerkennen, dass aus diesem Grund die Beziehungen zu Israel " besondere" bleiben werden, können sie " normal" werden und eine Dimension gewinnen, die in die Zukunft weist.