Merkel auf Afrikareise

Außer Spesen nichts gewesen

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am 10.10.2016 in Niamey im Niger von Präsident Mahamadou Issoufou begrüßt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wird in Niamey im Niger von Präsident Mahamadou Issoufou begrüßt. © picture alliance / dpa / Michael Kappeler
Von Rainer Burchardt · 15.10.2016
Die Flüchtlingskrise zwingt die Kanzlerin zum Handeln. Und so war es kein Zufall, dass Angela Merkel zu Beginn der Woche die afrikanischen Krisenstaaten Mali, Niger und Äthiopien besuchte und nicht Reformstaaten wie Ghana oder Ruanda. Doch diese Reise hätte sie sich sparen können, meint Rainer Burchardt.
Das war ja wohl mehr ein Schweinsgalopp durch drei afrikanische Krisenstaaten. Was die Bundeskanzlerin mit diesem Kurztrip nach Mali, Niger und Äthiopien bezweckt hat, erschließt sich nicht wirklich. Auf jeden Fall ist das nicht einmal im Geringsten der pragmatische Beginn der Bekämpfung der aktuellen Flüchtlingsproblematik. Vielmehr war dies ein geradezu peinlicher Rückfall in eine längst überholte Entwicklungspolitik mit der finanziellen Gießkanne. Diese Reisekosten mitsamt den paar Milliönchen hier und da hätte Angela Merkel sich und uns ersparen können.
Noch peinlicher war ihr Mantra-Sprüchlein, die potenziellen Flüchtlinge aus diesen Regionen hätten völlig falsche Vorstellungen von Europa. Sie setzten oftmals mit verkehrten Illusionen ihr Leben aufs Spiel.

Das Mittelmeer - ein feuchtes Massengrab

Natürlich, es ist ja keine schlechte Idee, das europäische und vor allem deutsche Zuwanderungsproblem dort zu lösen, wo es entsteht, nämlich in den Herkunftsländern der Asylsuchenden. Dazu gehört übrigens auch eine nachhaltige Bekämpfung des Schlepperunwesens. Dass gerade dadurch ruch- und rücksichtslose Verbrecher Tausende mit Hoffnung auf ein besseres und vor allem sichereres Leben als zuhause in lebensgefährliche Situationen mit oft tödlichem Ausgang gelockt werden, kann und darf nicht länger hingenommen werden.
Aus dem Mittelmeer, dem "Mare nostrum" ist längst ein "Mare mortis", ein feuchtes Massengrab geworden. Frontex und andere im Prinzip gut gemeinte Hilfs- und Rettungsorganisationen machen sich nolens volens zu Mithelfern des verbrecherischen Schlepperunwesens. Das ist nur eine Seite der Asylthematik. Jahrzehntelang, beginnend mit der Kolonialunterdrückung Afrikas durch europäische Großmächte wie Frankreich, England und auch Deutschland wurde auch in der jüngsten Neuzeit von Europa aus der schwarze Kontinent auf Teufel komm raus ausgebeutet. Stichworte hier sind einseitige Zollschranken für die Ausfuhr von landwirtschaftlichen Naturprodukten aus Afrika, parallel mit Rohstofflieferungen mit korrupten afrikanischen Despoten. Als bestes Beispiel mag hierfür der Kongo und dessen Staatschef Mobutu gelten, der - symbolisch gesprochen - für goldene Wasserhähne den Belgiern stets zu Diensten war.

Jetziger Flüchtlingszustrom ist erst der Anfang

Und selbst das seit den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts geltende und jetzt umbenannten Lomé-Abkommen, das den 77 ärmsten der armen Länder aus dem afrikanische-karibisch-pazifischen Raum, den AKP-Staaten auf die Beine helfen sollte, stand letztlich zum Vorteil der entwickelten Industrienationen Europas. Nein, ein ernüchternder Blick auf die aktuelle Realität der Flüchtlingskrise zeigt, dass uns Europäern jetzt die ökonomischen, militärischen und inhumanen Sünden der Vergangenheit auf die Füße fallen. Und der jetzige Flüchtlingszustrom aus den jahrzehntelang unterentwickelt gehaltenen Regionen Afrikas ist erst der Anfang.
Das anzuerkennen und daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, das ist die größte konstruktive Aufgabe einer deutschen, einer europäischen, ja eigentlich globalen Außenpolitik. Es ist traurig genug, aber eben Fakt, dass erst die massenhafte Zuwanderung die Politik jetzt aus ihrem Dornröschenschlaf geholt hat. Das ist und muss jetzt der Auftakt einer neuen deutschen Außenpolitik werden, die nicht geschichtsvergessen, abschottend und gewissermaßen 'mal so eben mit Kurztrips betrieben werden darf.
Jahrzehntelang haben die entwickelten Nationen unserer Hemisphäre ungerührt zur Kenntnis genommen, dass täglich mehr als 40.000 Kinder in diesen armen Regionen verhungert sind. Als Chef der Nord-Süd-Kommission hat Willy Brandt einmal formuliert, Hunger sei der unerklärte, tägliche Krieg von Reich gegen Arm. Wann kommt diesbezüglich der Frieden, zum Beispiel mit einer Neuauflage eines diesmal globalen Marschall-Plans.
Frau Merkel hat diese Idee auch auf dieser Politsafari verworfen. Warum eigentlich?
Der ehemalige Chefredakteur des Deutschlandfunks, Rainer Burchardt.
Rainer Burchardt© Deutschlandradio
Rainer Burchardt, 1945 geboren, ist ein deutscher Journalist, arbeitete als Hochschullehrer, und war von 1994 bis 2006 Chefredakteur beim Deutschlandfunk.
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