"Menschliche Größe" auch im Fußball zeigen

Bernard Dietz im Gespräch mit Nana Brink |
Sich gegenseitig beschimpfen oder die Eckfahne auf dem Fußballfeld umstoßen, gehöre sich nicht, findet Bernard Dietz. Als Sportler, der in der Öffentlichkeit steht, müsse man generell ein Vorbild sein. Als Westfale hält er beim Pokalgipfel FC Bayern - Borussia Dortmund Letzteren die Daumen.
Nana Brink: Heute Abend gibt es wieder großes Kino auf dem grünen Rasen. Im Viertelfinale des DFB-Pokals spielt Bayern München gegen den amtierenden deutschen Meister Borussia Dortmund. Und es kann am Ende nur einen geben, also einen, der weiter kommt. Dementsprechend wird uns 90 Minuten lang wieder einiges geboten werden, nicht nur spielerisch, hoffentlich, sondern vielleicht sehen wir auch Dortmunds Coach Jürgen Klopp wieder wie Rumpelstilzchen am Spielrand toben oder theatralische Gesten von Spielern, die ausgewechselt werden. In jedem Fall also großes Kino. – Und am Telefon ist jetzt Bernard Dietz, Ex-Profi-Fußballer von Duisburg und als Kapitän Europameister mit der Nationalmannschaft 1980. Schönen guten Tag, Herr Dietz!

Bernard Dietz: Schönen guten Morgen, Frau Brink!

Brink: Elektrisiert Sie dieses Spiel der deutschen Fußballgiganten heute Abend?

Dietz: Ja, selbstverständlich! Das sind vor allem die Spitzenmannschaften in der Bundesliga und ich glaube, die Bayern haben so ein bisschen noch Kribbeln im Bauch. Die haben ja in den letzten Spiele gegen die Dortmunder nicht gut ausgesehen.

Brink: Da sahen sie ziemlich blass aus!

Dietz: Ja und von daher wird es sehr interessant werden und ich glaube, das interessiert auch ganz Deutschland heute und nicht nur Deutschland, ich glaube, außerhalb der Grenzen auch.

Brink: Sie haben eine eigene Fußball-Schule, sind seit Langem auch Jugendtrainer. Liefern die Jungs da auf dem Rasen, mal abgesehen von diesem tollen Spiel, ein gutes Vorbild für Sie ab?

Dietz: Die Fußballschule macht mein Sohn mit meinem Namen. Ich helfe ein bisschen aus und mache auch mit, bin noch auf dem Platz. Es macht sehr viel Spaß mit den jungen Leuten, und das ist logisch. Wenn ich an meine Kinderzeit denke, da hatte man auch diese Vorbilder. Ich bin ja schon ein bisschen älter jetzt, die Leute kennen das ja gar nicht mehr. Da gab es ja Toldi Toreck und Fritz Walter, und wenn man auf der Straße gespielt hat, dann war man irgendeiner von diesen Personen. Das ist heute natürlich das Gleiche. In unserer Fußballschule, wenn wir mit den Kindern zwischen fünf und 14 Jahren zu tun haben, dann kommen einige schon, die das Trikot anhaben von Ribéry, von Robben oder von Reus und Götze. Die identifizieren sich schon damit. Nur in der heutigen Zeit ist es halt so, dass der Fußball ja schon ein großes Werbe… (Anmerkung der Redaktion: Schwer verständlich im Hörprotokoll) geworden ist. Das ist ja sensationell, was da abläuft. Heute ist es ja schon eine mittelgroße Firma, die da auf dem Platz herumsteht, und es wird ja sehr viel Geld verdient auch, und was mich eigentlich so ein bisschen stört immer. Man merkt auch diesen Druck, der dahinter steht, wenn sie auf dem Platz stehen, und das gefällt mir eigentlich nicht so, wenn sie dann die Eckfahne wegstoßen und dann schreien wie die Verrückten. Ich glaube manchmal, wenn die Jungs nach Hause kommen abends und dann Sportschau schauen oder in irgendeiner Sportsendung sehen sie sich dann selber, dann erschrecken sie manchmal.

Brink: Sagen Sie das oder besprechen Sie das dann mit denen auch? Sagen Sie, hör mal zu, das Trikot, dass du da trägst, der, der da real normalerweise drinsteckt, das war jetzt nicht so eine tolle Verhaltensweise auf dem Platz?

Dietz: Ja, selbstverständlich macht man das, und da habe ich eigentlich ein Riesenvorbild. Schauen Sie mal: Wir haben einen Weltklassefußballer, Messi. Und wenn Sie den mal beobachten, wenn der Fußball spielt, und der ist ja schon seit Jahren jetzt präsent und der wird ja immer wieder getreten und gemacht, der fällt hin, der springt auf, der macht keine Geste, der schimpft nicht mit den Schiedsrichtern oder mit den Spielern da herum. Also das ist für mich à la bonne heure, hervorragend. Da sollte man sich ein Beispiel dran nehmen. Ich glaube schon, dass da viele Fußballer ihren Frust herauslassen, aber das gehört nicht auf den Fußballplatz. Man kann sich ja freuen. Es ist ja nichts dagegen, wenn man sich da auf dem Platz umarmt und den Zuschauern herüberwinkt, aber manchmal ist es schon, wenn man in die Augen schaut, wenn die Kamera nahe dran ist, beängstigend.

Brink: Auch manche Trainer geben ja nicht unbedingt ein klasse Vorbild ab, oder?

Dietz: Ja, das ist das Gleiche. Die Emotionen, die da auflaufen, der Mann steht auch so voll unter Druck, und ich glaube, dann entlädt sich plötzlich etwas und dann können die nicht mehr an sich halten.

Brink: Aber standen Sie damals nicht auch unter Druck?

Dietz: Richtig. Aber ich glaube, da waren nicht diese Geldsummen im Spiel, wie es heute ist. Das ist nicht so. Da war auch der Druck da, aber ich glaube, es ist auch eine Natursache eines Menschen, wie er damit umgehen kann. Man muss immer vorsichtig sein. Wenn ein Trainer da herumsitzt, dann sagt man, ach guck mal da, der bewegt sich gar nicht, der schläft ein auf der Bank. Bei den anderen rennt er wie so ein Rumpelstilzchen herum. Also wie macht man es richtig? Aber wenn ich das erkenne teilweise im Fernsehen, dann muss ich manchmal sagen, oh, das ist erschreckend.

Brink: Wie macht man es denn eigentlich richtig? Das heißt anders herum gefragt: Müssen die auch Vorbilder sein oder muss man das denen auch irgendwie beibringen?

Dietz: Ich glaube nicht, dass sie Vorbilder sein müssen. Sie sind Vorbilder. Automatisch, wenn ich in der Öffentlichkeit stehe, ob das im Sport ist, oder in der Showbranche ist, die Leute richten sich danach. Die Kinder richten sich danach, die beobachten das. Ob man will oder nicht, ist man automatisch ein Vorbild. Aber ich glaube, eine gewisse menschliche Größe muss man zeigen eigentlich. Die Sachlichkeit, das müsste dabei sein.

Brink: Wie geht es heute Abend aus, Hand aufs Herz?

Dietz: Hand aufs Herz! Ich bin eigentlich ein Westfale, ich muss ja für Borussia Dortmund halten.

Brink: Sie dürfen es sagen, ganz unbefangen.

Dietz: ... , auch wenn ich die Bayern auch sehr liebe und ganz toll finde, was sie für den deutschen Fußball geleistet haben, überhaupt was da so abläuft. Also ich glaube, diesmal werden die Bayern die Nase vorn haben.

Brink: Der Ex-Nationalspieler und Europameister Bernard Dietz. Schönen Dank, Herr Dietz, für das Gespräch.

Dietz: Bitte schön!

Brink: Und viel Spaß heute Abend!

Dietz: Danke!

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