Menschen ohne Köpfe
Die Rekonstruktion von Donizettis Opernentwurf "Le Duc d’Albe" und ihre Komplimentierung durch den Komponisten Giorgio Batistelli wurde jetzt in Antwerpen uraufgeführt. Die Oper wurde von Regisseur Carlos Wagner auf die Bühne gebracht: ein modernes Bild Donizettis.
So viele seit dem 20. Jahrhundert nur mehr sehr selten gespielte Donizetti-Opern wären doch noch zu entdecken - und trotzdem wagt man eine Uraufführung? Dennoch: Die Rekonstruktion von Donizettis liegengebliebenem Opernentwurf und ihre Komplimentierung durch den Komponisten Giorgio Batistelli haben sich gelohnt und ein erstaunlich modernes, neues Bild Donizettis vorgeführt.
Die Oper ist nicht gänzlich unbekannt, mehr als 40 Jahre nach Donizettis Entwürfen hat einer seiner Schüler Matteo Salvi sie nicht nur vervollständigt, sondern vor allem auch vom Französischen ins Italienische übertragen. Als "Il Duca di Alba" ist das Werk seit seiner Uraufführung 1882 bereits schon einige Male eingespielt worden. Doch in Antwerpen - dem Ort der Handlung - ist Donizettis Pariser Entwurf nun wieder in die ursprüngliche französische Fassung, Libretto Eugene Scribe zurückverwandelt und dabei auch die politische Dimension freigelegt und unterstrichen worden. "Le Duc d´Albe" ist eine Oper über den Befreiungskampf der Flandern gegenüber der brutalen Besatzungsmacht Spanien.
Die einzige weibliche Figur, Helene, die Tochter Egmonts, ist eine kriegerische Attentäterin, die den Tod ihres Vaters rächen will. Jegliche Idylle - wie in Rossinis grand opera "Wilhelm Tell" fehlt, das Liebespaar ohne große Liebesszenen (eindrucksvoll: Rachel Harnisch und Ismael Jordi), denn ein Vater-Sohn-Konflikt schiebt sich dazwischen. Henri, einer der Rebellen und Liebhaber Helenes wird immer wieder als einziger gegen seinen Willen von den brutalen Besatzern freigelassen. Bald stellt sich heraus, dass Henri ein Sohn des Herzogs von Alba ist, und Alba will von Henri - auch wenn dieser Sohn auf der anderen Seite steht - als Vater anerkannt werden. Und in der Tat, als die Widerstandskämpferin Helene den Besatzer Alba erstechen will, wirft Henri sich dazwischen, er rettet sterbend den Vater.
Die Inszenierung von Carlos Wagner stellt das Geschehen, die Zerstörung Antwerpens 1576 ganz in die Gegenwart, man kann an die Zerstörung Antwerpens durch die Besatzer 1914 und 1944 denken, aber auch an die Zerstörungen bei den libyschen Befreiungskämpfen des letzten Jahres. Videos spielen Fliegergeschwader ein; fünf etwa sieben Meter hohe Soldatenskulpturen mit Helm und Sturmgewehr beherrschen die Bühne (Alfons Flores). Dennoch ist es nicht Realismus, sondern eine Kunstwelt - Herzog Alba, der Besatzer, ein Freak, ganzkörpertätowiert und gepierct.
Donizettis Musik zwischen dem "Wohlgesang" des Belcanto und der dramatischen Ausdruckskraft Verdis ist hier von großer, oft äußerst lautstarker Expressivität, wenngleich ohne den Verdischen theatralischen Realismus, eindrucksvoll insbesondere George Petean in seinen Ausbrüchen als Alba. Auch das Orchester, das "Symphonisch Orkest van de Vlaamse Opera" unter Paolo Carnigiani akzentuiert sehr genau und scharf. Die Modernität erweist sich schließlich aber vor allem auch durch die unaufdringliche Komplimentierung durch Giorgio Batistelli.
Sie betrifft höchstens 15 Prozent der Oper. Indem er leicht die Melodielinie verfremdet, wird die kompositorische Haltung Donizettis deutlich, die Behandlung von Soloinstrumenten, Donizettis oft minimalistische Begleitung. Ein großer Chor Batistellis - nach dem Abzug des Besatzers Herzogs von Alba aus Antwerpen - beschließt effektvoll und melancholisch das Werk: in der Antwerpener Uraufführungsinszenierung: ein Chor von Menschen ohne Köpfe.
Zur Homepage Vlaamse Opera in Antwerpen
Die Oper ist nicht gänzlich unbekannt, mehr als 40 Jahre nach Donizettis Entwürfen hat einer seiner Schüler Matteo Salvi sie nicht nur vervollständigt, sondern vor allem auch vom Französischen ins Italienische übertragen. Als "Il Duca di Alba" ist das Werk seit seiner Uraufführung 1882 bereits schon einige Male eingespielt worden. Doch in Antwerpen - dem Ort der Handlung - ist Donizettis Pariser Entwurf nun wieder in die ursprüngliche französische Fassung, Libretto Eugene Scribe zurückverwandelt und dabei auch die politische Dimension freigelegt und unterstrichen worden. "Le Duc d´Albe" ist eine Oper über den Befreiungskampf der Flandern gegenüber der brutalen Besatzungsmacht Spanien.
Die einzige weibliche Figur, Helene, die Tochter Egmonts, ist eine kriegerische Attentäterin, die den Tod ihres Vaters rächen will. Jegliche Idylle - wie in Rossinis grand opera "Wilhelm Tell" fehlt, das Liebespaar ohne große Liebesszenen (eindrucksvoll: Rachel Harnisch und Ismael Jordi), denn ein Vater-Sohn-Konflikt schiebt sich dazwischen. Henri, einer der Rebellen und Liebhaber Helenes wird immer wieder als einziger gegen seinen Willen von den brutalen Besatzern freigelassen. Bald stellt sich heraus, dass Henri ein Sohn des Herzogs von Alba ist, und Alba will von Henri - auch wenn dieser Sohn auf der anderen Seite steht - als Vater anerkannt werden. Und in der Tat, als die Widerstandskämpferin Helene den Besatzer Alba erstechen will, wirft Henri sich dazwischen, er rettet sterbend den Vater.
Die Inszenierung von Carlos Wagner stellt das Geschehen, die Zerstörung Antwerpens 1576 ganz in die Gegenwart, man kann an die Zerstörung Antwerpens durch die Besatzer 1914 und 1944 denken, aber auch an die Zerstörungen bei den libyschen Befreiungskämpfen des letzten Jahres. Videos spielen Fliegergeschwader ein; fünf etwa sieben Meter hohe Soldatenskulpturen mit Helm und Sturmgewehr beherrschen die Bühne (Alfons Flores). Dennoch ist es nicht Realismus, sondern eine Kunstwelt - Herzog Alba, der Besatzer, ein Freak, ganzkörpertätowiert und gepierct.
Donizettis Musik zwischen dem "Wohlgesang" des Belcanto und der dramatischen Ausdruckskraft Verdis ist hier von großer, oft äußerst lautstarker Expressivität, wenngleich ohne den Verdischen theatralischen Realismus, eindrucksvoll insbesondere George Petean in seinen Ausbrüchen als Alba. Auch das Orchester, das "Symphonisch Orkest van de Vlaamse Opera" unter Paolo Carnigiani akzentuiert sehr genau und scharf. Die Modernität erweist sich schließlich aber vor allem auch durch die unaufdringliche Komplimentierung durch Giorgio Batistelli.
Sie betrifft höchstens 15 Prozent der Oper. Indem er leicht die Melodielinie verfremdet, wird die kompositorische Haltung Donizettis deutlich, die Behandlung von Soloinstrumenten, Donizettis oft minimalistische Begleitung. Ein großer Chor Batistellis - nach dem Abzug des Besatzers Herzogs von Alba aus Antwerpen - beschließt effektvoll und melancholisch das Werk: in der Antwerpener Uraufführungsinszenierung: ein Chor von Menschen ohne Köpfe.
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